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Forecast: Sechs Risiken für Unternehmen in 2016!

Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands war 2015 so positiv wie schon lange nicht mehr: Die Zahl der Beschäftigten wuchs auf bisher noch nicht erreichte Höchststände. Die Arbeitslosenzahl lag im Jahresdurchschnitt zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung unter der Zwei-Millionen-Marke. Das Bruttoinlandsprodukt stieg um 1,7 Prozent, dies ist der stärkste Zuwachs seit vier Jahren. Die Bedingungen für ein weiteres wirtschaftliches Wachstum sind gut. Dennoch gibt es auch eine Reihe von globalen Konjunkturrisiken, die Unternehmensentscheider mit Hilfe unseres Forecast nicht aus den Augen verlieren sollten.

 

Ausblick 2016: Stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Deutschland

Ein Blick auf die heimischen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu Beginn des Jahres 2016 lassen ein weiteres Wachstum erwarten: Seit Jahren steigt die Zahl der in Deutschland Beschäftigten. Seit 2014 ist zudem ein Anstieg der Reallöhne festzustellen. Beide Entwicklungen wirken sich positiv auf den Konsum aus. Die niedrigen Rohstoffpreise stärken die Kaufkraft der Verbraucher und kurbeln die Konsumnachfrage weiter an. Die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank erleichtern kreditfinanzierte Güterkäufe und stärken so die Binnennachfrage. Schließlich verbessert der schwache Euro die Exportchancen Deutschlands.

Alles in allem erweist sich die Ausgangslage für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands grundsätzlich als positiv. Die meisten aktuell vorliegenden Konjunkturprognosen gehen daher für 2016 von einem Wirtschaftswachstum aus, das mit 1,7 bis 1,9 Prozent sogar noch etwas höher ausfällt als 2015. Die Autoren dieser Prognosen weisen jedoch zurecht darauf hin, dass es eine Reihe von weltweiten Konjunkturrisiken gibt. Insgesamt sehe ich sechs globale Risiken, die sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands auswirken können.

Risiko 1: Nachlassendes Wachstum der Schwellenländer

Schon die weltweite ökonomische Entwicklung des Jahres 2015 war geprägt von einer nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik der Schwellenländer. Zentrale Ursache hierfür war die Verringerung des chinesischen Wirtschaftswachstums, die sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird: Der Transformationsprozess der chinesischen Wirtschaft hin zu einem stärker konsum- und dienstleistungsorientierten Wachstumsmodell führt dazu, dass Chinas Wirtschaft in den kommenden Jahren nur noch um fünf bis sechs Prozent pro Jahr wachsen wird. Zwischen 1991 und 2014 lag die jährliche Wachstumsrate im Durchschnitt noch bei rund zehn Prozent. Die südostasiatischen Volkswirtschaften sind eng mit China verbunden. Damit droht diesen Staaten ebenfalls ein schwächeres Wirtschaftswachstum.

Das geringere chinesische Wirtschaftswachstum drosselt zudem die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen. Für die rohstoffexportierenden Länder wie z. B. Brasilien und Russland bedeutet dies nicht nur ein geringeres Exportvolumen, sondern auch fallende Rohstoffpreise. Damit sind Einbrüche bei den Exporterlösen verbunden, die das Wachstum abbremsen. In Brasilien und Russland kam es 2015 sogar zu einer Rezession, also einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung.

Die wirtschaftliche Schwäche der Schwellenländer trifft schließlich auch die Industrienationen. Sie können weniger in die aufstrebenden Volkswirtschaften exportieren. Wegen der verschlechterten Absatzchancen gehen die heimischen Investitionen zurück. Nachlassende Exporte und Investitionen schwächen das wirtschaftliche Wachstum und wirken sich zudem negativ auf die Beschäftigung aus. Gerade eine exportorientierte Industrienation wie Deutschland leidet unter dem wirtschaftlichen Abschwung der Schwellenländer.

Risiko 2: Leitzinserhöhung in den USA

Die im Dezember 2015 durchgeführte Leitzinserhöhung in den USA macht es für internationale Kapitalanleger attraktiver, ihr Geld in den USA anzulegen. Damit droht ein Kapitalabzug aus den Schwellenländern. Ohne dieses Kapital wird es schwer, notwendige Investitionen zur Erhöhung der Produktionskapazitäten und der Infrastruktur zu finanzieren. Ein Rückgang der privaten und öffentlichen Investitionen schwächt in den betroffenen Ländern sowohl die gesamtwirtschaftliche Nachfrage als auch das Wirtschaftswachstum. Damit gehen die deutschen Exporte in diese Länder zurück.

Zudem wird es für verschuldete Wirtschaftsakteure (Unternehmen und staatliche Institutionen, aber auch private Haushalte) schwieriger, frische Kredite zu erhalten, die zur Finanzierung von Zins- und Tilgungszahlungen notwendig sind. Daher drohen Bankrotte, die zu Finanzmarkt- und Bankenkrisen führen können. Wegen der zunehmenden globalen Vernetzung der Finanzmärkte bleiben deutschen Finanzinstitute und Anleger von den damit verbundenen Forderungsverlusten nicht verschont.

Risiko 3: Globale Überliquidität

Die Niedrigzinspolitik seit dem Herbst 2008 hat die globale Liquidität stark erhöht. Trotz der Leitzinserhöhung in den USA wird die weltweite Geldmenge 2016 weiter steigen. In den Schwellen- und Entwicklungsländern führt die expansive Geldpolitik in Kombination mit einer Abwertung der heimischen Währung zu hohen, zum Teil sogar zweistelligen Inflationsraten (z. B. in Lateinamerika). In den Industriestaaten bleiben die Inflationsraten hingegen niedrig. Hier fließen die liquiden Mittel vor allem in die Vermögensmärkte und bewirken Preisanstiege. Damit steigt die Gefahr eines Platzens von Spekulationsblasen.

Die niedrigen Zinsen führen zudem zu einem weiteren Anstieg der Verschuldung von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten. Parallel zu den Blasen an den Vermögensmärkten bauen sich somit Kreditblasen auf. Sofern eine Spekulationsblase platzen sollte, würde dies – so wie bei der US-Immobilienblase und der Lehman-Pleite 2008 – auch zu einem Platzen der Kreditblase mit entsprechenden Schieflagen im Bankensektor führen.

Risiko 4: Weltweit wachsende Verschuldung

Die hohe Verschuldung, die neben dem öffentlichen Sektor auch den privaten Sektor betrifft, stellt selbst ohne das Platzen einer Kreditblase eine wirtschaftliche Belastung dar. Nach Berechnungen des McKinsey Global Institute lag der weltweite Schuldenstand von Staaten, privaten Haushalten und Unternehmen im 2. Quartal 2014 bei 199 Billionen US-Dollar. Dies entsprach einem Schuldenstand in Höhe von 286 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukt.

Wenn Wirtschaftsakteure zur Verringerung ihrer Schulden Ausgabenkürzungen beschließen – also geringere Staatsausgaben, weniger Investitionen oder niedrigere Konsumausgaben –, reduziert dies die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Sofern Unternehmen auf diese Nachfragerückgänge mit einer Produktionseinschränkung reagieren, sinken das Bruttoinlandsprodukt und die Beschäftigung.

Risiko 5: Desintegrationstendenzen in Europa

Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung ist eng an die Entwicklung der europäischen Wirtschaft gekoppelt. Hier drohen Desintegrationstendenzen, die sich negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken. Eine erste Gefahr geht von der momentan nur vorläufig gelösten griechischen Schuldenkrise aus. Ob das im Sommer 2015 beschlossene dritte Hilfspaket für Griechenland tatsächlich eine dauerhafte Lösung für die Staatsfinanzen und die griechische Wirtschaft darstellt, ist ungewiss. Sollten an der Fähigkeit Griechenlands, die zur Erlangung der finanziellen Hilfen notwendigen Reformauflagen zu erfüllen Zweifel aufkommen, würde dies die Investitionsneigung der Unternehmen und die Konsumneigung der Verbraucher in Europa beeinträchtigen. Die Folge wäre eine Abschwächung der wirtschaftlichen Entwicklung Europas.

Eine größere wirtschaftliche Gefahr geht von dem drohenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, dem so genannten »Brexit«, aus. Die damit verbundene Desintegration hätte wirtschaftliche Nachteile für die gesamte EU, die zu einem geringeren Wirtschaftswachstum, einer steigenden Arbeitslosigkeit und einer nachlassenden internationalen preislichen Wettbewerbsfähigkeit führen würde.

Die größte Gefahr für den Zusammenhalt Europas geht meiner Ansicht nach gegenwärtig nicht von einem möglichen »Grexit« oder »Brexit« aus, sondern von drohenden Abschottungstendenzen im Zuge des Umgangs mit der Flüchtlingskrise. Wenn es innerhalb der EU vermehrt zu nationalen Alleingängen und Grenzschließungen kommt, wäre dies ein erheblicher Integrationsrückschritt. Wirtschaftliche Vorteile, die in der Vergangenheit mit einer zunehmenden Binnenmarktintegration verbunden waren, würden damit verloren gehen. Die Folge wäre ein wirtschaftlicher Abschwung in Europa, der Deutschland hart treffen würde.

Risiko 6: Geopolitische Konflikte

Eine weitere Quelle zunehmender Unsicherheit sind die zahlreichen geopolitischen Konflikte: der Ukraine-Russland-Konflikt, der Bürgerkrieg in Syrien, politische Unruhen in Nordafrika und im Nahen Osten, die drohende Gefahr von Terroranschlägen, die Streitigkeiten zwischen Nord- und Südkorea, um nur einige zu nennen. Sollte es zu einer Eskalation der genannten Konflikte kommen, die zu gewalttätigen bzw. sogar kriegerischen Auseinandersetzungen führen, wäre dies ein massiver Schock. Dieser würde weltweit zu einem Rückgang von Produktion und Beschäftigung führen.

Fazit

Alles in allem können wir für 2016 grundsätzlich mit einem wirtschaftlichen Wachstum in Deutschland rechnen, das in etwa das Niveau des Vorjahres erreicht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die skizzierten ökonomischen und geopolitischen Unsicherheiten nicht größer werden. Sollte jedoch beispielsweise der chinesische oder amerikanische Aktienindex massiv einbrechen, ein geopolitischer Konflikt zu kriegerischen Auseinandersetzungen eskalieren oder ein südeuropäisches oder südamerikanisches Land einen Staatsbankrott erleiden, würde dies zu einem globalen Wirtschaftseinbruch führen, den die bisherigen Konjunkturprognosen nicht berechnen konnten. Entscheider in Politik und Wirtschaft sollten auf diese Gefahren vorbereitet sein.

 

Gastautor: 

Dr. Thieß Petersen, promovierter Wirtschaftswissenschaftler, Anthropologe und Ökonom, ist Senior Advisor im Projekt „Global Economic Dynamics“ der Bertelsmann Stiftung.

 

 



Kommentare

  1. / von Blog | Creating Corporate Cultures | Unternehmen als gesellschaftliche Akteure – ein Widerspruch? - Blog | Creating Corporate Cultures

    […] immer neuer Herausforderungen, auf die sich unsere Gesellschaft einstellen muss, wird zunehmend auch die Mitverantwortung der […]

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