Querdenker - Person geht durch Unterführung mit Grafitti

Das Unerwartete erwarten – die Verantwortung der Querdenker

Zeit, gerne hätten wir mehr davon. Je älter wir werden, desto weniger Zeit haben wir, oder liegt es eher an der Technologie, die wir gerade entwickeln? Irgendwie scheint es derzeit allen an Zeit zu fehlen. Wie auch immer die Wahrnehmung ist, einen Wettkampf gegen Automatisierung und Roboter können wir Menschen nur verlieren. Wir brauchen etwas anderes, wir brauchen neue Modelle und Systeme. Ende 2018 steht ein Durchbruch in der Quanten-Technologie bevor und wir befinden uns am Anfang einer Intelligenz-Explosion. Wir wissen aber nicht, was das bedeutet, wir haben darauf weder Fragen noch Antworten und auch keine emotionale Reaktion, die uns zum Umdenken und Querdenken zwingt.

Gott aus einer Maschine

Die Arbeitswelt von morgen nennen wir vielleicht nicht mehr Arbeit, und vielleicht haben wir das Wort “Job” bis 2050 aus unserem Vokabular gestrichen. Aber was bedeutet das? Wann machen wir uns darüber ernsthaft Gedanken? Der Respekt vor “Homo Obsoletus” sollte inzwischen bei allen Menschen tief verankert sein, denn es ist eine Option. Was ist, wenn wir eine Technologie kreieren, die so gut ist, dass wir wirklich überflüssig werden, was dann? Was kommt nach der Digitalisierung? “Wir kreieren neue Jobs”, sagen Zukunftsforscher. “Es war doch immer so bei Revolutionen, es kommt immer etwas Neues, neue (menschliche) Autoritäten entstehen“.  – Ja, neue Jobs werden kurzfristig geschaffen, aber nur, damit wir für die Maschinen richtige Algorithmen entwickeln können, damit sie sich selbst automatisieren und anpassen können, damit sie selbst neue Technologien bauen können.  Und Autoritäten?  – Die packen wir jetzt in Algorithmen. Es geht um Technologie, aber nichts ist wie es “einmal war”.  Wir sprechen bereits heute von “Homo Deus” und “Deus Ex Machina” („Gott aus einer Maschine”) und das ist unser Ziel, das wollen wir erschaffen

Schluss mit Bullshit

In dieser neuen Welt stehen wir vor radikalen Veränderungen unserer Lebensweise. Das was wir seit Netscape 1.0 in 1994 an Veränderungen in knapp 25 Jahren erlebt haben, ist nichts im Vergleich zu dem, was noch kommt. Das ist viel radikaler. In den nächsten 10 Jahren verändern sich für Homo Sapiens grundlegende Strukturen des Lebens. Mit dieser radikalen Veränderung wird die Komplexität der Welt sichtbar, die Merkwürdigkeit, in der wir leben, wird uns bewusster. Viele werden verunsichert, alle werden wir gezwungen, eine neue Sichtweise auf die Welt zu entwickeln – jeder braucht eine bewusste und subjektiv validierte und vor allem plausible Weltanschauung.

Bei einem Blick in die Unternehmen wird klar, es gibt so viel „Bullshit“ im Business – 90% aller Meetings bestehen aus Bullshit – und bald wird das nicht mehr geduldet und akzeptiert werden können. Bereits Ende 2018 werden wir die ersten großen Einflüsse in den Unternehmen durch KI erleben, Künstliche Intelligenz ist nämlich bereits da. Es sind mächtige Kräfte am Werk, die Komplexität der Welt wird transparent und sichtbar und die Menschen werden verunsichert. Was machen wir dann? Wenn wir keinen radikalen Neustart erleben wollen, sind wir jetzt zum Handeln gezwungen. Aber was sollen wir tun? Wo fangen wir an?

Unsere Geschichte ist eine Quelle. Sie ist hilfreich, ist aber dafür da, damit wir daraus etwas lernen können, um es auf das “Jetzt”, das 21. Jahrhundert, zu projizieren, und nicht, und so ist es in unserem Bildungsmodell noch, um alles auswendig zu lernen. Wir brauchen Brücken und Ideen, wie wir unser Leben “besser gestalten können” (wie auch immer das subjektiv zu definieren sein mag). Wir brauchen eine praktische und anwendbare Philosophie. Wir können von den großen Vordenkern der Geschichte lernen und wir können versuchen, komplexe Themen heute simplifiziert und anwendbar zu machen. Wir müssen eine Neugier und ein Interesse für die Technologie und Wissenschaft von morgen entwickeln.

Das Kleine beeinflusst das ganz Große und umgekehrt

Wir brauchen neue Modelle und Systeme. Die Skills von morgen heißen “Anpassungsfähigkeit” und “kritisches/analytisches Denken”. Wir müssen lernen, alles zu hinterfragen, unser Antrieb muss die Suche nach plausiblen Erklärungen sein. Kreativität und (Neu-) Gestaltung gemeinsam mit anderen Menschen sind unsere Medizin. Vielleicht gibt es noch in 20 Jahren eine Beschäftigungsgarantie in einem neuen System, aber sicherlich keine “Job-Garantie”, keine fixen Rollen in einem hierarchischen Modell, wie wir es seit 250 Jahren kennen: Dieses Modell ist tot.  Unsere Wirtschaft wandelt sich zu einer Art “Tauschgesellschaft”, ähnlich dem guten alten Hanse-Prinzip, während Technokraten mit KI und Quantum-Computing zu Trilliardären werden. Die “Projekt-Gesellschaft” hat nur einen Chef: Das Projekt. Kein “oben” und “unten”, und es gibt nur einen “Job” und der heißt “die Aufgabe”. Das Kleine beeinflusst das ganz Große und umgekehrt – eine globale Interdependenz in unserer Weltgesellschaft ohne Grenzen. Eine Plausibilitätsgesellschaft unter Druck der Validierung. Dafür sind wir heute nicht ausgebildet – Opportunitäten und Herausforderungen liegen im ewigen Lernen.

In 10 Jahren werden wir keine Software-Ingenieure brauchen, sondern Philosophen als Wegbegleiter in einer neuen und praktischen (anwendbaren) Philosophie. Die Herausforderung ist, dass die Philosophen heute zu wenig Berührungspunkte mit der Wirtschaft und der Politik und damit verbundenen Mechanismen haben. Wenn der “Bullshit” nicht mehr geduldet werden kann, sehen wir bereits heute, dass Philosophen von den CEOs im Silicon Valley angeheuert werden, um alles zu hinterfragen, und dies ist nur der Anfang.

Die Verantwortung der Querdenker

Schauen wir uns die aktuelle politische Lage an, wird eines schnell klar, es ist NICHT die Rolle der Politik zu gestalten. Sie kann nur bewahren und verwalten. Die “Führungsebene” der Politik ist immer ein Ergebnis aus dem vorhandenen System, und das System lässt eben keine (Neu-) Gestaltung zu. Wir können niemandem die Schuld geben, die Verantwortung liegt bei Querdenkern, Leadern und Gestaltern des Wandels.

Neue Wegbegleiter und Gestalter werden heute überall gesucht: Jemand, der einen an die Hand nimmt und durch eine Welt führt, bestehend aus mehr Chaos und gleichzeitig mehr Stabilität, durch eine Welt, in der wir lernen müssen, das Unerwartete zu erwarten, durch eine Welt der permanenten Revolution und des permanenten Wandels.

Die Verantwortung ist groß, die Aufgaben sind viele und vielfältig, mit unserer Zeit sollten wir gerade deswegen bewusster umgehen. Womit fangen wir an?

  • Entwickle eine neue und eigene Weltanschauung basierend auf Plausibilität und Validierung.
  • Werde zu einem Kurator des Mitgefühls, denn nur gemeinsam im Vertrauen können wir etwas Neues kreieren. Nur wer sich traut, sich zu öffnen und auch zu fühlen, kann das kapitalistische Model, unsere Wirtschaftsreligion, durch Mitgefühl beflügeln.
  • „Try stuff!“ Probiere und erforsche; wir müssen jeden Tag genug Zeit für Neugier lassen.
  • Blockiere Zeit für die wöchentliche (tägliche) Denkstunde. Trainiere dein Gehirn und nicht nur deinen Körper. Tiefe Kniebeugen für die Rübe sind in 2018 angesagt.

Ob schwarze oder rote Zahlen, eine Investition in ewiges Lernen zahlt sich immer aus. Wir fangen bei uns selbst an, dann nehmen wir links und rechts jemanden an die Hand und werden zum Gestalter des Wandels.

 

 

 



Kommentare

  1. / von Josef W. Seifert

    Ich bin „Meeting-Worker“, Facilitator oder schlicht Moderator. Um nur (m)einen Arbeitsschwerpunkt aufzugreifen … Dass 90% aller Meetings aus Bullshit bestehen erscheint mir hochgegriffen, aber ein hoher Prozentsatz ist es bestimmt: Ich meine, dass wir auch und vor allem in Meetings, auf deren Gelingen es immer mehr (?) ankommt, Kommunikationstechniken benötigen, die uns helfen Komplexität zu reduzieren, um denk- und handlungsfähig(er) zu werden. Und dabei kann uns Digitalisierung extrem stark unterstützen. Doch sind wir gedanklich dort schon angekommen? Ich hab da so meine Zweifel: Ich bin in der Sekunde auf der Suche nach einem Investor, für die Weiterentwicklung der bereits zur Marktreife entwickelten Meeting-Software SixSteps®. Das gestaltet sich schwierig, weil die Einsicht, dass IT uns extrem unterstützen kann und „eines schönen Tages“ auch wird, längst noch nicht angekommen ist, weder in den Herzen, noch in den in den Köpfen.

  2. / von Martin Spilker

    Mit einer Suche nach einem Investor können wir leider als gemeinnützige Einrichtung nicht dienen. Aber danke für den Hinweis. Es wird spannend, zu beobachten sein, wie sich die Meeting-Kultur durch den technologischen Wandel noch verändern wird. Einerseits gibt es sicherlich die Schwarmintelligenz – aber es gibt natürlich auch die Schwarmblödheit! Und es wird entscheidend sein . wie viel und welche Personen sich beteiligen. Kürzlich einen Partizipationsprozess erlebt, an dem sich nur 10% der Belegschaft aber mit etlichen Kommentaren zu den Kommentaren beteiligt haben. Da ist dann wahrscheinlich Step 1: Überlegen, ob Partizipation wirklich Sinn macht. Viel Erfolg

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