Frau

Ich habe mich gefragt, was in 20 Jahren wichtiger für mein Leben sein würde: Meine Familie oder der Job

Im aktuellen Jubiläumsjahr „10 Jahre Executive Trainings: Women and Cultural Change“ haben wir verschiedenen Menschen 10 Fragen gestellt. Unter anderem interessiert uns, ob Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, wenn es um entscheidende Karriereentwicklungen geht. Nach neuesten Untersuchungen liegt der Anteil von Frauen im Vorstand deutscher Unternehmen nach wie vor bei unter 10 Prozent. Wir möchten einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit leisten.


10 Fragen an Amelie Fried

Frau Fried, welche Frau hat Sie besonders geprägt?

Meine Mutter. Sie hat sich mit 52 ihren Traum erfüllt, das Abendgymnasium zu besuchen und das Abitur nachzumachen. Danach hat sie sich kontinuierlich weitergebildet, hat verschiedene berufliche und ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt und geht noch heute – mit 89 Jahren! – zur Universität, um Vorlesungen zu hören. Ihre Neugier und ihr nicht nachlassendes Interesse an der Welt empfinde ich als vorbildhaft für mich.

Haben Sie jemals Ihre berufliche Rolle in Frage gestellt?

Ich habe mich immer als berufstätige Frau und Mutter gesehen, daran gab es für mich nie einen Zweifel, auch wenn ich oft über den anstrengenden Spagat geflucht habe, den das bedeutet. Zum Glück habe ich einen höchst kooperativen Mann geheiratet, für den es selbstverständlich war, dass meine beruflichen Ambitionen genauso wichtig sind wie seine.

Was glauben Sie, weshalb es noch immer mehr Männer als Frauen in deutschen Vorständen gibt?

Weil die Strukturen männlich geprägt sind, weil Männer die Macht nicht freiwillig abgeben und weil es nicht viele Frauen gibt, die Lust darauf haben, sich diesem Kampf auszusetzen – schon gar nicht, wenn sie Kinder haben oder sich welche wünschen.

Finden Sie, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, wenn es um anspruchsvolle Karrieresprünge geht?

Nein, sie haben strukturell schlechtere Chancen. Leider ergreifen auch manche Frauen die Chancen nicht, die sich ihnen bieten. Aber dafür gibt es natürlich Gründe, wie z. B. die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie hierzulande.

Brauchen wir mehr Frauen in Führungspositionen?

Unbedingt, denn erst dann kann sich auch strukturell etwas ändern. Frauen haben oft eine andere Perspektive und andere Erfahrungen. Wenn diese stärker in die Unternehmensführung einfließen, wird das entsprechende Auswirkungen haben.

Glauben Sie, dass es möglich ist, der Familie und der Karriere gleichzeitig gerecht zu werden?

Es ist sehr schwer und erfordert ein Umdenken aller Beteiligten. Kinder dürfen nicht weiter als Problem der Frauen betrachtet werden, sondern müssen endlich als gemeinsame, gesellschaftliche Aufgabe von Männern und Frauen gesehen werden. Es muss dafür Arbeitszeitmodelle geben, die den Anforderungen der verschiedenen Lebensphasen gerecht werden, die gesamte Arbeitswelt muss flexibler und familienfreundlicher werden.

Denken Sie, es ist für Männer einfacher Familie und Beruf zu vereinbaren?

Bislang ja. Männer delegieren vielfach das Thema Familie an ihre Frauen, viele Frauen sind noch immer bereit, beruflich zurückzustecken. Das hat mit dem Gender Pay Gap zu tun, das männliche Karrieren fördert, aber auch mit dem Selbstverständnis vieler Männer und Frauen sowie dem gesellschaftlichen Klima. Männer werden nie danach gefragt, wie sie Beruf und Familie vereinbaren – Frauen müssen sich ständig rechtfertigen und gegen das Rabenmutter-Image ankämpfen.

Haben Sie jemals aus familiären Gründen auf einen Karriereschritt verzichtet?

Ja. 1993 erhielt ich das Angebot von SPIEGEL-TV, dort eine eigene Sendung redaktionell zu verantworten und zu moderieren. Wir hatten gerade unser Haus in Oberbayern bezogen, unser Sohn war zwei und ich wünschte mir ein weiteres Kind. Wir hätten nach Hamburg umziehen, oder ich hätte pendeln müssen. Ich habe mich gefragt, was in 20 Jahren wichtiger für mein Leben sein würde: Meine Kinder oder eine Sendung bei SPIEGEL-TV moderiert zu haben. Ich habe abgesagt. Das habe ich sehr bedauert, aber nie bereut. Es sind andere Chancen gekommen, die besser mit der Familie zu vereinbaren waren.

Ist Ihrer Ansicht nach die Digitalisierung eine Chance für Frauen?

Die Digitalisierung ist eine Chance für Männer und Frauen! Alle sollten die Chance haben, sich mehr um ihre Familien zu kümmern, häufiger Home Office zu machen oder von anderen Segnungen der Digitalisierung zu profitieren.

Finden Sie, dass Unternehmen Frauen besser fördern sollten?

Nicht im Sinne von herablassender Minderheiten-Förderungen, sondern darin, dass Frauen endlich als gleichwertig und gleichberechtigt betrachtet werden und ihnen die gleichen Chancen eingeräumt werden wie Männern. Dazu gehört, dass Strukturen geschaffen werden, die die Verbindung von Führungs- und Familienverantwortung ermöglicht – für Frauen und Männer.



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