Die eigene Filterblase verlassen – New Work ist auch in der Verwaltung wichtig

Selbst die Orte der Bürokratie wandeln sich durch die neuen Entwicklungen in der Arbeitswelt. Transparenz ist von großer Bedeutung. Darauf wies Bettina Martin, Staatssekretärin für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund, in unserem Interview auf dem Camp Q in Berlin hin. Sie ist die Botschafterin des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der Bundeshauptstadt und baut eine Brücke zwischen Bundes- und Landespolitik. Ihr sind die Themen Leadership und New Work sehr wichtig. Die Digitalisierung birgt zwar einige Risiken, die jeder ernst nehmen sollte, aber eben auch enorme Chancen, die wir nutzen sollten.

Was reizt Dich am Camp Q und was verbindest Du mit New Work und Leadership?

Ich habe ein doppeltes Interesse als Teilnehmerin des Camp Q: Als Führungskraft leite ich eine Organisation und möchte, dass meine Mitarbeiter gute Ergebnisse erzielen. Da ist es für mich im Verwaltungsbereich zum einen natürlich interessant zu erfahren, wie Führungskräfte in anderen Unternehmen ihre Teams führen. Zum anderen habe ich aber auch ein politisches Interesse an den Fragen, die im Camp Q diskutiert wurden: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf unsere Arbeitswelt aus und welche Anforderungen sind damit verbunden? Wie verändert sich der Arbeitsmarkt in Zukunft? Wo haben Menschen in einer Zeit der digitalen Revolution noch Platz? Welche Rolle wird die Künstliche Intelligenz in Zukunft spielen?

Also das heißt es geht sehr stark um die Zukunft der Arbeit für Dich?

Für mich ist die Frage der Zukunft der Arbeit zentral. Auf dem Camp Q treffe ich auf Menschen, die sich intensiv mit New Work und Leadership auseinandersetzen. Mir ist es wichtig, nicht nur in meiner eigenen Filterblase unterwegs zu sein, sondern meinen politischen Zirkel auch mal zu verlassen, um von außen mehr über Trends in der Arbeitswelt zu erfahren und gleichzeitig für meine Führungsarbeit etwas Konkretes mitzunehmen.

Wie stark setzt Ihr bereits auf New Work?

Die aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt kommen natürlich auch im politischen Arbeitsalltag an. Bevor ich Staatssekretärin geworden bin, habe ich als Stabsleiterin in einem Bundesministerium gearbeitet. Dort haben wir politische Konzepte immer gemeinsam im Team entwickelt. Kollaboratives Arbeiten und Shared Leadership war dabei für uns im Stab eher der Arbeitsalltag als etwas Besonderes. Politik hat sehr viel mit guter Kommunikation zu tun. Da ist die verbreitete Vorstellung, dass in der Verwaltung von oben Weisungen gegeben werden und auf diese Weise die öffentliche Kommunikation zu den Gesetzesentwürfen entsteht, völlig falsch. So hierarchisch funktioniert das auch in einer Behörde schon längst nicht mehr.

Demnach gibt es in den Behörden auch nicht mehr so viele Silos wie früher und die Bürokratie ist nicht mehr so stark, wie Laien das vermuten?

Naja, die Verwaltungen und Behörden sind durchaus noch Orte der Bürokratie. Aber das muss nicht unbedingt negativ sein. Als ich 2013 das erste Mal als Führungskraft in einer Bundesbehörde gearbeitet habe, fand ich dort formalisierte Verfahren vor, die anfangs befremdlich für mich waren. Ich musste diese Vorgänge erst verstehen lernen. Danach habe ich diese klaren Prozesse sehr schätzen gelernt. Denn die Entscheidungslinien sind dadurch transparent und eindeutig.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in einem Bundesministerium plötzlich wie in einem Start-up Tischtennis spielen und mit rosa Socken rumlaufen. Das passt nicht zu uns. Stattdessen sollten wir uns auf die Prozesse und Hierarchien konzentrieren, die sich lange entwickelt haben, und diese immer wieder hinterfragen und anpassen. Manchmal ist es sinnvoll, in die vorhandenen Strukturen Störer zu setzen. Damit meine ich, in die zumeist vertikale Entscheidungsstruktur eine horizontale Struktur einzubauen, wie zum Beispiel eine Projektgruppe, die sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus unterschiedlichen Abteilungen zusammensetzt.  Entscheidend hierbei ist es jedoch, dabei die Mitarbeiter auch mitzunehmen.

Wie wichtig ist es für Deine Behörde, sich der Transparenz zu stellen und noch mehr nachvollziehbar zu machen, wie Ihr arbeitet?

Absolut wichtig, denn politische Entscheidungen betreffen jede und jeden im täglichen Leben. Politik darf nichts Abgehobenes sein, sondern soll das Leben der Bürger verbessern. Deshalb ist es sinnvoll, jede Entscheidung zu erläutern und die Prozesse, die dazu geführt haben, transparent zu machen. Das ist Pflicht für jede Verwaltung.

Das heißt, die Mitarbeiter müssen sich stärker der Öffentlichkeit stellen und brauchen wahrscheinlich auch andere Fähigkeiten als in der Vergangenheit?

Was in der Arbeitswelt der Wirtschaft passiert, spiegelt sich auch in der Verwaltung. Wir sind mittendrin im Zeitalter von New Work und Digitaler Transformation. Das haben wir auch in den Vorträgen des Camp Q gehört: All das ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern längst Gegenwart. Die Digitalisierung birgt große Chancen auch für die Verwaltung: Ein Stichwort ist Open Government. In Mecklenburg-Vorpommern sind wir gerade dabei, eine Bürger-Plattform einzurichten, über die die Leute viele Behördengänge digital abwickeln können und mit ein paar Klicks an für sie wichtige Informationen kommen, Die Aufgabe von Politik und Verwaltung besteht auch darin, die Entwicklung in der Arbeitswelt nicht nur nachzuvollziehen, sondern sie ein Stück weit vorzudenken und die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. In welcher Gesellschaft wollen wir künftig leben? Wie müssen wir das Arbeitsrecht anpassen? Welche Qualifikationen werden zukünftig gebraucht? Bei all diesen Fragen müssen wir die Menschen beteiligen und sie mitnehmen.

Bist du selbst aktiv in Social Media?

Ja. Seitdem ich Staatssekretärin bin, nutze ich Twitter beruflich, um darüber zu zeigen, welche Aufgaben ich als Bevollmächtigte meines Bundeslandes in Berlin habe, welche Themen für Mecklenburg-Vorpommern wichtig sind und was ich so den Tag über mache. Wer Lust hat, kann mir gerne unter @BettinaMartin4 folgen.

Das gibt Einblicke in Deinen Alltag und man sieht einfach wie eine Staatssekretärin heute aktiv ist und was dazugehört zum Job. Somit ist Personal Branding auch ein Thema für eine Behörde. Für Dich persönlich heißt es aber auch, dass Du Persönlichkeit zeigst und auch Deine Aufgaben transparenter machst?

Ja, das ist mein Anspruch. Auf dem Camp Q hat Tim Höttges, der CEO der Deutschen Telekom, dazu etwas sehr wichtiges gesagt: Gute Führung heißt nicht, als unantastbare Person einsame Entscheidungen zu fällen. Diese Zeit ist echt vorbei. Einsame Entscheidungen sind in der Regel keine guten Entscheidungen. Als Führungskraft muss ich erklären können, warum ich etwas in einer bestimmten Weise entscheide. Es gehört zu guter Führung dazu, dass man sein Team selbständig arbeiten und eigene Ergebnisse produzieren lässt. Was die Führungskraft tun muss: Eine klare Erwartungshaltung vorgeben und am Ende die Beiträge zusammenführen. Gutes Führen ist meines Erachtens genau das Gegenteil von Kontrollfreak sein.

Dinge, die man im Team entwickelt hat, sind fast immer die besten. Auf ein hohes Ross muss sich heute niemand mehr setzen. Es ist eine altertümliche Vorstellung, dass Chefs alles besser können müssen als ihre Mitarbeiter. Ich bin heilfroh, dass ich so gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe, die hochqualifiziert sind und auch Dinge können, die ich nicht kann. Meine Aufgabe ist es, klar vermitteln zu können, was das gemeinsame Ziel ist. Und dafür muss es auch klare Entscheidungsstrukturen geben – denn am Ende eines Prozesses muss ich dann für oder gegen ein Arbeitsergebnis entscheiden und dafür dann auch gerade stehen.

Wo willst Du denn in 10 Jahren mal mit Deiner Organisation stehen, was ist Deine größte Hoffnung Dein größter Wunsch in dieser Richtung?

Mir ist es ein großes Anliegen, den Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Politik zu verbessern. Ich erhoffe mir, dass es uns gelingt, die Distanz zu verringern. Ich fände es toll, wenn die oft gute Arbeit in der Verwaltung und in den Behörden besser wahrgenommen wird. Dazu möchte ich als Führungskraft mit meiner Arbeit einen kleinen Beitrag leisten.

 



Kommentare

  1. / von Frank

    Interview: „Seitdem ich Staatssekretärin bin, nutze ich Twitter beruflich, …“
    Twitter-Bio: „… (hier privat unterwegs)“
    Irgendwie passt das nicht für mich.

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