Ich erwarte von meinen Mitarbeitern Empathie und eben auch den Mut, Kontroversen auszuhalten
QUER GEFRAGT – 10 Fragen an den CEO der UFA GmbH Nico Hofmann.
Mehr Haltung, bitte! Unter dem Titel seines neuen Buches fordert Nico Hofmann eine stärkere Selbstreflexion von Entscheidungsträgern und formuliert Gedanken zu einer innovativen Führungskultur. Welche Auswirkungen hat New Work auf die Filmbranche? Wie wichtig sind Querdenker? Diese und weitere Fragen haben wir Professor Nico Hofmann, seit dem 01. September 2017 alleiniger CEO der UFA GmbH, gefragt:
Herr Hofmann, wie wirkt sich „New Work“ auf das „Daily Business“ von Ihnen aus und welche Herausforderungen bedeutet das für die Unternehmenskultur der UFA?
Zentraler Begriff unserer Unternehmenskultur ist Angstfreiheit – im gegenseitigen Dialog, bei jedweder Entscheidungsfindung und vor allen Dingen auch bei der künstlerischen Beurteilung unserer Programme. „New Work“ bedeutet für mich aber auch, mit allen Mitarbeitern auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren und den offenen Diskurs, auch die Kontroverse untereinander auszuhalten. Ich bemühe mich hierbei besonders um die sogenannte „Next Generation“ in unserem Haus – die 25 bis 35-Jährigen sind das Potenzial für die Zukunft der UFA. Angstfreiheit und offene Kommunikation im Unternehmen zu leben, ist oftmals schwieriger als sich mancher vorstellt – Toleranz und geduldiges Zuhören sind hier im täglichen Umgang gefragt.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach „Digital Leadership“ aus? Brauchen wir im Zeitalter von New Work mehr oder weniger Führung?
Offen gestanden beides. Klare Führungsverantwortung im obersten Managementbereich muss täglich für alle Mitarbeiter spürbar, erfahrbar und überprüfbar sein. Gleichzeitig geht es mehr denn je um die möglichst größte Eigenverantwortlichkeit meiner Mitarbeiter – beides steht in keinerlei Widerspruch; ganz im Gegenteil: Führungskräfte können in ständigen Prozessen vorleben, dass Kommunikation mit Mitarbeitern nicht nur auf gleicher Augenhöhe gewollt ist, sondern dass aktive Eigenverantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters spürbar gefördert und sogar incentiviert wird. „Digitales Zeitalter“ bedeutet bei der UFA zweierlei: Zum einen sprechen wir über neue Vertriebssysteme, Plattformen und Programme, zum anderen sprechen wir über eine digitalisierte Arbeitswelt, die im täglichen Umfeld zu deutlich mehr Kommunikation, aber auch Transparenz führen kann, wenn man Digitalisierung methodisch richtig begreift.
Was ist für Sie der größte Antrieb bei der Arbeit und was müssten Mitarbeitende mitbringen, um sie als Chef zu überzeugen?
In unserem Beruf geht es tagtäglich ausschließlich um die Leidenschaft für Programm und Inhalt. Diese Leidenschaft setzt hohes künstlerisches Know-how, Intelligenz und eine enorme Beurteilungsfähigkeit voraus. Film- und Fernsehprogramme haben mehr denn je die Chance, Zeitgeist zu verstehen und neu zu definieren – hierin sehen wir eine kulturelle, ja sogar gesellschaftspolitische Aufgabe. Wir wollen mit unseren Programmen Menschen bewegen und wir wollen – beispielsweise wie bei „Unsere Mütter, unsere Väter“ geschehen – politische Debatten anstoßen, die auch das Thema der deutschen Identität neu definieren. Ich erwarte von meinen Mitarbeitern Empathie und eben auch den Mut, Kontroversen auszuhalten und sie sogar führen zu wollen. Bedeutung, Macht und Einfluss von Fernsehen wird meines Erachtens stark unterschätzt – Fernsehen, egal auf welcher Plattform, ist und bleibt ein gesellschaftspolitisch extrem wichtiger Faktor – auch damit müssen Mitarbeiter umzugehen wissen.
Welche Bedeutung haben für Sie Haltung und Werte für den Unternehmenserfolg?
Je älter ich werde, desto stärker beurteile ich meinen eigenen Lebenslauf und die Vita meiner Mitarbeiter nach Integrität und Haltung. In unserem Geschäft können sie ohne Haltung das produzentische Handwerk gar nicht ausüben: Jede Drehbucharbeit, jede Stoffentwicklung, jedweder Umgang mit Figuren im Film setzt Haltung und moralische Beurteilung voraus. Wenn sie Programme wie beispielsweise „Dresden“, „Die Flucht“ oder „Unsere Mütter, unsere Väter“ als Reflexion auf die deutsche Vergangenheit entwerfen, bedarf es auch einer grundsätzlichen politischen Haltung, wie sie mit dieser Vergangenheit in Deutschland umgehen. Selbst Unterhaltungsshows wie „Deutschland sucht den Superstar“ setzen moralische Haltung im Umgang mit den Kandidaten und damit einer jüngeren Generation voraus. Egal wohin man bei der UFA schaut, alle unsere Programme haben gesellschaftspolitische Relevanz und wir erwarten von unseren Mitarbeitern ein klares moralisches Bewusstsein über ihr künstlerisches Tun. Film- und Mediengeschäft ohne klare Haltung, ohne eigenverantwortlich klar definiertes Engagement sind für mich undenkbar.
Wie verändert sich die Kommunikation in der Digitalisierung nach extern und wie innerhalb eines Unternehmens?
Extern erleben wir seit Jahren ein verändertes Konsumentenverhalten auf allen Plattformen – von YouTube über Netflix und Amazon bis hin zum frei empfangbaren Fernsehen und den Mediatheken der Sender. Das Nutzungsverhalten und auch das Alter der Zuschauer unterscheidet sich in all diesen verschiedenen Nutzungsbereichen ganz erheblich. Wir unterscheiden in der UFA mehr denn je, ob wir Programme für digitale Plattformen oder für frei empfangbares, lineares TV entwickeln. Generell ist zu sagen: Die Programme werden immer zielgenauer, immer diversifizierter produziert – hinzukommt, dass wir immer mehr über unsere Zuschauer wissen und mittlerweile auch die genauen Unterschiede kennen mit der die verschiedenen Programme in verschiedenen Nutzungsbereichen konsumiert werden.
Für die innere Kommunikationsstruktur der UFA gilt: Die Digitalisierung ist hier ein Segen, nicht nur weil wir technologisch alle produktionstechnischen Abläufe erheblich effizienter gemacht haben, sondern auch weil wir die Digitalisierung zur ständigen Kommunikation untereinander nutzen und ausbauen. In all diesen Bereichen wollen wir die Benchmark neu setzen, – gerade technologisch hat die UFA im Zusammenspiel mit RTL und dem ZDF die neueste Technik bei der Produktion von Fernsehprogrammen eingesetzt, um dem Zuschauer auch technisch das bestmögliche Produkt zu liefern.
Welche technologischen Entwicklungen – auch abseits der Filmbranche – sind für Sie im Moment am spannendsten?
Der nächste große Schritt wird die Welt der virtuellen Realität werden – Seherfahrungen werden sich quasi dreidimensional erweitern, das Fernseherlebnis wird noch einmal deutlich gesteigert. Die UFA hat hier federführend für die ganze Branche mit ihrem digitalen Studio UFA X im Rahmen der Ausstellung zu „100 Jahre UFA – Geschichte einer Marke“ erste begehbare virtuelle Räume geschaffen. Die Erkenntnisse hieraus werden wir in den nächsten Jahren auch im Bereich der Fernsehproduktion zur Anwendung bringen.
Wenn der Mensch mehr in den Mittelpunkt gestellt werden muss, wie kann das in einer oft als unbarmherzig dargestellten Filmbranche umgesetzt werden?
Die Filmbranche ist nicht unbarmherziger als viele andere Berufsbereiche – Ehrgeiz und Leistungsdruck gibt es überall. Es hat sich bei uns im Haus aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir kreativ nur dann gut sind, wenn wir eben diese Kreativität und die Menschen, die künstlerisch hinter diesen Programmen stehen, wieder in den Mittelpunkt rücken und uns insgesamt als Team verstehen. Für die UFA bedeutet dies, dass Mannschaftsgeist zwischen allen Abteilungen, der konsequente Abbau von Abgrenzung und „Silodenken“ in den Vordergrund rücken. Kreatives Arbeiten in der UFA hat viel mit Fußballspielen zu tun: Das Unternehmen ist so stark wie die ganze Mannschaft und jeder Spieler nur so gut wie sein Mitspieler. Dies setzt auch voraus, alle Abteilungen mit auf die Reise zu nehmen – also auch zwischen Mitarbeitern der Holding und den produzentischen Teams keine Abgrenzung entstehen zu lassen.
Was bedeutet „Querdenken“ für Sie und wie quer denkt Nico Hofmann selbst? Was würde Ihr Umfeld sagen?
Querdenken ist in unserer Branche eine Selbstverständlichkeit – es ist geradezu die Voraussetzung, wenn man ständig nach neuen Inhalten sucht. Querdenken bedeutet für mich, die ständige Infragestellung von Prozessen und eben auch inhaltlicher Arbeit. Mein größtes Glück ist die Professur an der Filmakademie Ludwigsburg. Seit über 20 Jahren kann ich hier im ständigen Austausch mit jüngeren Generationen nicht nur meinen eigenen Umgang mit Jüngeren überprüfen, sondern es entsteht auch eine ständige geschmacklich-inhaltliche Kontroverse um Film und Inhalt. Diese permanente Runderneuerung, dieser permanente Austausch mit anderen Generationen war und bleibt für meine eigene Entwicklung der alles entscheidende Faktor meines Berufslebens und mit eben dieser Energie versuche ich auch die Gespräche innerhalb der UFA zu führen.
Was ist aktuell Ihre größte berufliche und/oder persönliche Herausforderung?
Programminhaltlich ist die größte Herausforderung, gemeinsam mit meinen Kollegen das große Serienprojekt des Oscar-Preisträgers Michael Haneke zwischen Amerika und Europa produzentisch auf die Beine zu stellen. Innerhalb der UFA sehe ich mich in der Mitte meiner Wegstrecke beim Aufbau neuer Kommunikationsstrukturen, einem Abbau von Hierarchien und einer insgesamt deutlich verjüngten Mannschaft, die mehr Frauen in der Führungsverantwortung sieht und Diversity deutlich stärker lebt als wir dies in der Vergangenheit getan haben.
Eine Entscheidung, die Sie nie bereuen werden…
Den Wechsel vom Regieberuf zum Produzenten, der mich schlussendlich auch zu Bertelsmann geführt hat.
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