Frau

Frauen sind es eher gewohnt mit Brüchen umzugehen

Im aktuellen Jubiläumsjahr „10 Jahre Executive Trainings: Women and Cultural Change“ haben wir verschiedenen Menschen 10 Fragen gestellt. Unter anderem interessiert uns, ob Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, wenn es um entscheidende Karriereentwicklungen geht. Nach neuesten Untersuchungen liegt der Anteil von Frauen im Vorstand deutscher Unternehmen nach wie vor bei unter 10 Prozent. Wir möchten einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit leisten.


10 Fragen an Frau Professorin Jutta Rump

Frau Professorin Rump, welche Frau hat Sie besonders geprägt?

Meine Großmutter, die Unternehmerin war. Sie hat mir beigebracht, wie wichtig es ist, die eigenen Stärken zu kennen und auszubauen und den beruflichen Lebensweg danach auszurichten. Die zweite Botschaft war: Sei unabhängig – im Geist und finanziell.

Haben Sie jemals Ihre berufliche Rolle in Frage gestellt?

Nein. Da ich versucht habe, meinen beruflichen Lebensweg nach meinen Stärken und Talenten auszurichten, hat sich diese Frage nie gestellt. Darüber hinaus hatte ich das Glück, dass ich immer Möglichkeiten hatte, diese Ausrichtung und diese „Philosophie“ zu leben.

Was glauben Sie, weshalb es noch immer mehr Männer als Frauen in deutschen Vorständen gibt?

Wenn es um Vielfalt geht, sind in den meisten Unternehmen – ob bewusst oder unbewusst – noch immer sogenannte Stereotypenfallen spürbar. Dies gilt insbesondere für die Gender-Thematik. Zwar wird gerade von männlichen Führungskräften in Befragungen immer wieder betont, dass sie eine Steigerung des Anteils von Frauen in Fach- und Führungspositionen begrüßen würden. Dennoch ist das Agieren in Betrieben weiterhin stark von dem über Jahrzehnte tradierten und erst allmählich aufbrechenden gesellschaftlichen Rollenbild geprägt.

Finden Sie, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, wenn es um anspruchsvolle Karrieresprünge geht?

Theoretisch haben wir einige Fortschritte gemacht. Praktisch haben wir eher eine Talking-Action Gap, also eine Kluft zwischen Reden und Handeln. So sind beispielsweise Besetzungsentscheidungen nicht selten immer noch von Stereotypen geprägt. In diesem Zusammenhang wird seit den 1990er Jahren von dem „think manager – think male“ Phänomen gesprochen, wonach fehlende Informationen bezüglich der Eignung für ein bestimmtes Tätigkeitsprofil durch Merkmale eines bestimmten Prototyps ersetzt werden. Wenn also die gleiche oder eine ähnliche Tätigkeit über lange Zeit hinweg stets von einem Mann besetzt war, liegt es nahe, dass die Entscheidung zwischen einem Bewerber und einer Bewerberin für den Mann fällt, da er dem bewährten Prototyp entspricht. Es herrscht also ein Homogenitäts- und Ähnlichkeitsprinzip vor.

Brauchen wir mehr Frauen in Führungspositionen?

Was heißt „mehr“ und was ist die Orientierungsgröße? 50 % oder die Quotenzahl von 30 %? Was wir brauchen ist eine Mischung von Männern und Frauen, denn nur so gibt es mehr Perspektiven und mehr Potenziale. Was man allerdings in der Diskussion um „Frauen in Führung“ konstatieren muss: Erst ab 30 % Frauen in Führungspositionen haben wir eine nachhaltige Wirkung. Stereotypen werden eher aufgebrochen, zudem zieht erst dann Frau Frau nach.

Glauben Sie, dass es möglich ist, der Familie und der Karriere gleichzeitig gerecht zu werden?

Ja, unter der Bedingung das der Arbeitgeber eine lebensphasenorientierte Personalpolitik praktiziert, die strategisch, nachhaltig und glaubwürdig ausgerichtet ist. Um Karriere und Familie zu vereinbaren, braucht es auch mobile Arbeitsortsmodelle und flexible Arbeitszeiten. Zudem gehören neben den betrieblichen Faktoren und Bedingungen klare Regeln in der Familie. Ich nehme mich als Beispiel: Ich praktiziere seit mehr als 20 Jahren mobile Arbeit. Wenn ich Homeoffice mache, zeigt sich immer wieder folgendes Ritual zwischen meinem Mann und mir. „Jutta, was machst Du heute?“ „Ich arbeite von zu Hause.“ Kurzes Zögern meines Mannes. „Du bist heute also zu Hause. Der Kühlschrank könnte mal wieder aufgefüllt werden, und das Unkraut wächst auch …“ „ICH ARBEITE!!!!“ „Ja, ich weiß, aber Du bist doch viel flexibler mit Deiner Zeit. Du hast bestimmt ein Zeitfenster.“ In diesem Moment ist mein Blutdruck auf 180 …

Denken Sie, es ist für Männer einfacher Familie und Beruf zu vereinbaren?

Nein, ich denke, dass es aufgrund von Vorurteilen seitens des Arbeitgebers und der Kollegen sowie der Gesellschaft schwerer ist. Hier zeigt sich eine umgekehrte Stereotypenfalle.

Haben Sie jemals aus familiären Gründen auf einen Karriereschritt verzichtet?

Nein.

Ist Ihrer Ansicht nach die Digitalisierung eine Chance für Frauen?

Branchen, Berufe und Tätigkeiten mit einem überdurchschnittlich hohen Frauenanteil werden wahrscheinlich positive Beschäftigungseffekte haben. Darüber hinaus sind Frauen aufgrund der bisherigen Berufsbiografien eher gewöhnt, mit Brüchen umzugehen. Eine wichtige Voraussetzung in der digitalen Transformation. Wenn Ausbildungsberufe auf ihre Digitalisierungstauglichkeit und Zukunftsfähigkeit überprüft werden, besteht die Chance, die geschlechterspezifische Wahl des Berufs aufzubrechen. Zudem besteht durch Veränderungen bei gesetzlicher und sozialpartnerschaftlicher Regelung die Möglichkeit zu mehr Flexibilisierung und Individualisierung.

Finden Sie, dass Unternehmen Frauen besser fördern sollten?

Ich würde den Fokus vor allem auf die Sensibilisierung im Hinblick auf Stereotypen und die Eliminierung von Stereotypenfallen legen. Betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten zum Aufbrechen von Stereotypen sind zum einen in der Gestaltung der Kompetenzbeurteilung und in Bezug auf eine Neuausrichtung des Karrierebegriffes hin zu Werdegängen zu finden. Zum anderen bedarf es der Verankerung der Gender Balance Thematik im Top-Management. Nicht zuletzt braucht es ein neues Führungsverständnis sowohl im Hinblick auf die Zusammensetzung der Führungsmannschaft als auch auf eine Abkehr von der Verfügbarkeits- und Anwesenheitskultur.



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