Powerbank

„Powerbank“ für Dienstanfänger

Hochmotivierte treffen Wirklichkeit

Junge Pfarrerinnen und Pfarrer werden nach ungefähr neun Jahren Ausbildung mit vielen Ideen und voller Enthusiasmus in ihre erste Pfarrstelle gesendet. Endlich sind sie angekommen an dem Ort, an dem sie ausprobieren können, was sie gelernt haben. Mit großem Engagement und fröhlicher Kraft machen sie sich daran, Kirche auf einen guten Weg in die Zukunft zu führen. Sie sind überzeugt von ihrem Produkt und ihrer Firma.

Dann aber sieht die vorgefundene Wirklichkeit anders aus als gedacht:
– weil man bisher im städtischen Umfeld gelebt hat und sich nun im Dorf wiederfindet.
– weil man bisher vorwiegend mit Gleichaltrigen den christlichen Glauben gelebt und Kirchenentwicklung bedacht hat, nun aber auf Kirchgemeinden mit einem wesentlich höheren Altersdurchschnitt trifft.
– weil sich Christsein für viele Gemeindeglieder in einen anstrengenden Alltag einbindet und wenig Kraft für neue Projekte bleibt.
– weil …

Auch die Perspektive auf den Dienstgeber verändert sich:
Die Dienstvorgesetzten (Superintendentinnen und Superintendenten) sind fern, denn sie leben in anderen Orten. Nicht immer sind Kolleginnen und Kollegen unmittelbar greifbar und auch Mitarbeitende leben und arbeiten dezentral.
Die Vorgaben der Kirchen für die Dienstgestaltung geben nur einen weiten Rahmen vor und erfordern eigene Entscheidungen, was Priorität haben soll und was nicht. Und davon muss man dann auch noch die Kirchenvorstände überzeugen.

Wohin in solchen Situationen mit den enttäuschten Idealen? Wohin mit den Erwartungen, für die es zu wenig Resonanz gibt? Wie mit einer Organisation verbunden bleiben, die im konkreten anders ist als gedacht? Was, wenn der Akku sich vorschnell leert?

 

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Pfarrerinnen und Pfarrer beginnen ihren Dienst mit einer dreijährigen Probezeit. Vom Beamtenrecht herkommend war dies in der Vergangenheit die Möglichkeit der Institution „Kirche“ die Eignung und Belastbarkeit der Kandidaten für ein Lebensdienstverhältnis zu prüfen. Heute ist es eine Zeit beidseitigen Prüfens, bevor man sich aneinander bindet. Kirche steht nun vor der Herausforderung durch die Enttäuschungen der ersten Dienstjahre hindurch eine tragfähig, sinnhaltige Verbindung mit den jungen Pfarrerinnen und Pfarrern herzustellen.

Dafür gibt es die „Powerbank“ – ein System sogenannter Aufbaukurse, in denen die Pfarrerinnen und Pfarrer in den ersten drei Dienstjahren von supervisorisch qualifizierten Studienleitern kontinuierlich begleitet werden und miteinander ins Gespräch gebracht werden.

Die erste Powerbank wird nach einem halben Jahr Dienstzeit in dem gemeinsamen Ausbildungsseminar angeboten. Dieser Kurs dauert eine Woche. Es werden gemeinsam erste Erfahrungen im Pfarrdienst reflektiert und geistliches Leben praktiziert.

Die zweite Powerbank findet im zweiten Dienstjahr statt. Dort wird verstärkt an Themen der Seelsorge gearbeitet, sowohl im Blick auf die Gemeindemitglieder als auch auf die Pfarrpersonen selbst. Möglichkeiten der Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion sind gezielt angeboten. Dieser Kurs dauert zwei Wochen. Ebenfalls im zweiten Jahr findet ein Gemeindebesuch durch den verantwortlichen Studienleiter, die Studienleiterin am Ort des Pfarrdienstes statt in einer Haltung der Supervision, Kollegialen Beratung und seelsorgerlichen Begleitung.

Im dritten Dienstjahr werden gemeinsam drei Orte besucht, die für den weiteren Pfarrdienst wichtig sind: Zunächst der gemeinsame Ausbildungsort, in dem theologische und aktuelle kirchliche Themen reflektiert werden. Es wird an zwei Tagen das „Haus der Stille“ besucht – ein kirchlicher Ort der Kontemplation und Einkehr. Dieser Besuch zielt auf ein Kennenlernen dieses Angebotes und ist damit auch ein Angebot für die weitere Dienstzeit. Abgeschlossen wird diese eine Woche im dritten Jahr durch drei Tage am Pastoralkolleg zu dem Schwerpunktthema „Stressreduktion“. Dieser Ort, das Pastoralkolleg, ist zugleich eine Brücke hin zum ständigen Pfarrdienst und dem dann angebotenen Ort der Weiterbildung am Pastoralkolleg.

Durch diese Powerbanks, die Pfarrerinnen und Pfarrer in den ersten Dienstjahren verpflichtend und damit in ihrer Dienstzeit absolvieren, kommen sie wieder zusammen in vertrauten Ausbildungsgruppen. Sie werden durch erfahrene, supervisorisch geschulte Pfarrerinnen bzw. Pfarrer in der Funktion von Studienleitern begleitet. Die Powerbanks bieten die Möglichkeit, die aktuelle Situation im geschützten Raum zu reflektieren, sich mit ihren eigenen Idealen und Erwartungen konstruktiv auseinanderzusetzen und sich auf der Basis der Erfahrungen neu zu verorten hinsichtlich auch ihrer Erwartungen an die Sinnhaftigkeit ihres Dienstes.

 

Gut ausgebildete Leitungspersönlichkeiten

Mit den Powerbanks wird auch eine Spur gelegt in die weitere Zukunft. Pfarrerinnen und Pfarrer tragen in der Kirche Leitungsverantwortung. Von ihnen wird ein hohes Maß an Selbststrukturierung und Selbstorganisation erwartet bei gleichzeitig hoher Verbindlichkeit gegenüber der ganzen Institution. Dafür sind ihnen begleitend Instrumente zur Verfügung gestellt wie regelmäßige Weiterbildung, Supervision, Seelsorge. Die Chancen und Möglichkeiten dieser Instrumente lernen Berufsanfänger in den ersten drei Dienstjahren kennen und werden ihnen dann zur Verfügung gestellt aufgrund selbstorganisierter Nutzung.

Durch die Aufbaukurse in den ersten drei Dienstjahren gelingt es der Kirche, junge Pfarrerinnen und Pfarrer über erste Krisen und Enttäuschungen hinweg mit der Organisation Kirche verbunden zu halten und sie zugleich für ihre Aufgabe zu stärken. Gleichzeitig besteht durch dieses Angebot die Möglichkeit, Orientierungen und Entwicklungen Leitungspersonen anzuvertrauen, die diese wiederum in ihrem Kontext selbstverantwortlich anwenden können.



Kommentare

  1. / von Martin Spilker

    Danke für den interessanten, aber auch in mancher Hinsicht nachdenklich stimmenden Blog, liebe Frau Klatte. In dem Zusammenhang fällt mir auch das Phänomen der Über-Identifikation ein – trifft m. E. immer wieder auf stark moralisch sehr akzentuierte Organisationen zu – von Kirchen über Ministerien bis zu Stiftungen. Kann das auch der Auslöser für Frustrationen oder sogar falsch verstandene Loyalität sein? wie kann man dem begegnen? LG

    1. / von Margrit Klatte
      zu

      Lieber Herr Spilker, ich freue mich an Ihrer nachdenklichen, anteilnehmenden Reflexion. Hohe Identifikation ist Chance und Gefahr zugleich; Lustgewinn und Gefährdung liegen nah beieinander. Seelsorgerlich und supervisorisch begleitet stehen Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrem gesamten Dienstleben vor der Herausforderung ihr Verhältnis zu ihrem Glauben, ihrem Dienst und der dienstgebenden Kirche zu reflektieren und entsprechend biographischer oder gesellschaftlicher Veränderungen immer neu zu justieren. Im anspruchsvollen Dienst dafür ausreichend Freiräume, die oft zunächst „Leerräume“ sein müssen, einzuplanen. Es gibt die Möglichkeit für Auszeiten in geistlichen Gemeinschaften, Einladungen zu Bilanz- und Orientierungstagen, der geschwisterliche Austausch in Konventen und die Möglichkeit individueller geistlicher Begleitung. Diese so kirchenspezifischen Angebote reagieren insbesondere auf die von Ihnen aufgezeigte Problematik. LG

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