Arbeit

Die Zukunft der Arbeit ist hybrid

Herausforderungen für Führung, Teams und Diversity

Die Covid-19-Pandemie hat viele von uns von heute auf morgen ins Homeoffice geschickt. Heute, nach fast zwei Jahren der Pandemie, sind wir mittendrin in einer Veränderung, die mindestens genauso weitreichend ist wie zu Beginn der Pandemie. Anfangs haben fast alle ausschließlich von zu Hause gearbeitet, was ein Gefühl von Zusammengehörigkeit erzeugt hat, da alle im selben Boot saßen.

Arbeit wurde in diesem Zuge auch privater. Kolleg:innen bekamen Einblicke in das heimische Arbeitszimmer, Haustiere oder Familienmitglieder, die ins Bild laufen, erheitern Videokonferenzen und oft ist der Anzug einem bequemen Hoodie gewichen.

Jetzt entsteht eine hybride Welt mit einer flexiblen Mischung aus Arbeiten im Büro, zu Hause oder einem dritten Ort. Das Neue daran ist, dass nun unterschiedliche Bedingungen und Herausforderungen für verschiedene Mitarbeitende auftreten, die die neue Flexibilität in unterschiedlicher Weise leben.

 

Es gibt nicht das EINE hybride Arbeiten

Betrachten wir zunächst einmal, wie die neue Welt aussieht. Hierbei sei vorneweg gesagt, dass es keine One-Fits-All Lösung gibt. Jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen an eine hybride Welt und auch jede Unternehmenskultur ist anders. Erste Befragungen zeigen, dass die meisten Mitarbeiter:innen einen Mix aus Arbeiten von zu Hause und Arbeiten im Büro bevorzugen – beispielsweise 3 Tage ins Büro zu kommen und 2 Tage von einem anderen Ort zu arbeiten. So können die Vorteile beider Welten verbunden werden; soziale Kontakte und erleichterte Zusammenarbeit im Büro einerseits und die größere Flexibilität und Freiheit im Homeoffice andererseits. Manche Kolleg:innen bleiben aber auch Vollzeit im Homeoffice, während andere wieder jeden Tag im Büro arbeiten. Es gibt nicht das EINE Modell, das passende Modell hängt von den Bedürfnissen der Einzelnen, den Zielen des Teams und der Unternehmenskultur ab.

 

Flexibilität als wichtigstes Merkmal des hybriden Arbeitens

Die hybride Welt vereint die Vorteile der virtuellen und der physischen Welt. Hybride Modelle geben Mitarbeiter:innen die Möglichkeit innerhalb eines Rahmens die beste Arbeitsweise zu finden. Das ist Motivationsfaktor und steigert die Zufriedenheit.
Befragungen zeigen, dass als Top-Gründe für das Arbeiten im Büro die soziale Interaktion und Zusammenarbeit mit Kollegen genannt wird. Top-Gründe für das Arbeiten von zu Hause sind Verzicht auf Pendlerverkehr, bessere Kontrolle der Arbeitszeit und bessere Work-Life-Balance. Und hier liegt schon die erste interessante Erkenntnis aktueller Umfragen: Auch wenn rund 59 % angaben, wegen besserer Work-Life-Balance gerne (teilweise) von zu Hause zu arbeiten, gaben andererseits 12 % an, wegen besserer Work-Life-Balance lieber vom Büro aus zu arbeiten, um eine deutlichere Trennung zwischen Job und Privatem zu gewährleisten. Dasselbe zeigt sich bei konzentrierter Arbeit. Auch hierzu kommen manche lieber ins Büro, anderen gelingt das besser von zu Hause. Organisationen und Führungskräfte müssen diese Unterschiede respektieren, sodass alle die Möglichkeit bekommen, produktiv und effektiv zu arbeiten. Denn wo sich fast alle Befragten einig sind, ist, dass sie in Zukunft gerne flexibel sowohl von zu Hause als auch vom Büro arbeiten wollen.

Gleichzeitig wurden 1000 Führungskräfte befragt, wie viel Kontrolle sie ihren Mitarbeitenden gewähren wollen, wie, wann und wo sie arbeiten. 48 % gaben dabei an, ihren Mitarbeitenden die volle Kontrolle zu geben. Nur 3 % gaben an, ihren Mitarbeitenden gar keine Kontrolle geben zu wollen.

 

Den Herausforderungen des hybriden Arbeitens begegnen

Mit der Flexibilität kommt aber auch der Bedarf an festen Rahmenbedingungen, um weiterhin produktiv zusammenzuarbeiten.

Das Team braucht eine Strategie zur Umsetzung des hybriden Zusammenarbeitens. Es müssen die elementaren Fragen geklärt werden wie: Was brauchen die Mitarbeitenden? Wer wird remote arbeiten? Wer wird weiterhin ins Büro kommen und wie oft? Wie werden Kolleg:innen aus dem Homeoffice gleichermaßen einbezogen, wie Kolleg:innen im Büro, sodass kein Ungleichheitsgefühl entsteht? Und wie wird das Wir-Gefühl im Team gestärkt, wenn nicht alle gemeinsam im Büro sind?

Von diesen Fragen können Rahmenbedingungen, Handlungsempfehlungen für Führungskräfte und ein Fahrplan für das Team in einer hybriden Welt abgeleitet werden.

 

Hybrides Arbeiten und Netzwerke

Netzwerke sind wichtig für Innovation. In einer hybriden Welt verändert sich jedoch die Art, wie wir unsere Netzwerke aufbauen und pflegen. Microsoft hat zu diesem Thema eine Studie mit 30.000 Proband:innen aus 31 Ländern gemacht. Es wurden unter anderem Netzwerke in MS Teams, Outlook und LinkedIn über die verschiedenen Phasen der Pandemie hinweg analysiert. Die Untersuchungen zeigen, dass in Phasen von härteren Lockdowns die Interaktionen mit dem erweiterten Netzwerk zurückgehen, die Zusammenarbeit mit dem engen Umfeld hingegen stärker wird. So entstehen Silos und Innovation wird gehemmt. In Phasen mit weniger Restriktionen, wurde auch der Kontakt zum erweiterten Netzwerk wieder stärker.

Diese Erkenntnisse basieren aus Daten aus dem Lockdown. Die Zukunft wird hybrid sein. Und auch hier werden wir vor der Herausforderung stehen, Netzwerke zu bilden. Führungskräfte müssen deshalb einen Weg finden, teamübergreifenden Austausch und Zusammenarbeit zu fördern, auch wenn ein Teil des Teams nicht im Büro ist. Der Ausbau von Netzwerken erfordert dabei in beiden Welten Ressourcen. In der digitalen Welt noch etwas mehr als in der Physischen. Netzwerken muss proaktiver gestaltet werden und passiert weniger zufällig. Führungskräfte können dabei das Bilden von Netzwerken fördern, indem sie eine Kultur etablieren, in welcher kollegiale Unterstützung wichtig ist, zum Beispiel durch teamübergreifendes (hybrides) Brainstorming.

 

Transparenz schafft Vertrauen

Hybrides Arbeiten trägt dazu bei, Autonomie der Einzelnen zu fördern. Dabei braucht es Transparenz. Es ist wichtig zu wissen, wann jemand erreichbar ist und wann nicht. Es darf im Team nicht das Gefühl entstehen, Andere würden die Flexibilität der hybriden Welt ausnutzen. Es spricht nichts dagegen, die Mittagspause mit einem langen Spaziergang mit dem Hund auszudehnen oder die Kinder nachmittags zum Sport zu bringen. Wichtig ist, dass das Team über die Verfügbarkeiten, Pflichten und Anforderungen der Teamkolleg:innen im Bilde ist. Es ist sinnvoll, im Team ein gemeinsames Agreement zu finden, wie flexibel und hybrid zusammengearbeitet wird. Gibt es zum Beispiel meetingfreie Tage oder einen fixen regelmäßigen Teamtag, an welchem sich das Team in Präsenz trifft? Das schafft Klarheit und mindert Unsicherheit. Um außerdem die nötige Vertrauenskultur herzustellen, muss das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Inklusion gezielt gefördert werden.

 

Vertrauen als Basis von Führung in einer hybriden Welt

Vertrauen im Team und Vertrauen der Führungskraft sind beides gleichermaßen wichtig. Ein Einzelgespräch mit der Führungskraft über die Beweggründe und Entscheidungsgrundlagen für die Wahl von Ort und Zeit von Arbeit stärkt das Vertrauen. Auch virtuell sollten Führungskraft und Teammitglieder in regelmäßigen Austausch über aktuelle Bedürfnisse und Herausforderungen sein. Das schafft ein gemeinsames Verständnis, wie flexible Zusammenarbeit gestaltet werden kann.

Was zählt ist nun außerdem weniger die geleisteten Arbeitsstunden als vielmehr das Arbeitsergebnis. Wenn dabei die Kontrolle der Arbeitsqualität im Team bleibt, erhöht das die Transparenz. Aufgaben bleiben so nicht auf der Strecke und das Team arbeitet auch hybrid produktiv zusammen.

 

Digitale Erschöpfung vermeiden

Wo früher Meetings vermehrt Face-to-Face in Meetingräumen stattgefunden haben, verbringen wir in einer hybriden Welt die meiste Zeit vor unseren Bildschirmen und hüpfen von einem Online-Meeting in das nächste. Das kann zu digitaler Erschöpfung führen, welche sich in einem Gefühl des Gehetztseins zeigt. Auch das Verschwimmen von Privat und Beruf durch das Arbeiten von zu Hause, kann zu weniger Entspannung führen. Durch das vermehrte Nutzen von Chats entsteht bei vielen außerdem das Gefühl, ad hoc antworten zu müssen.

Um digitale Erschöpfung zu vermeiden, braucht es eine Balance aus synchroner und asynchroner Zusammenarbeit und eine Kultur, in der Pausen respektiert und ermutigt werden. Eine kleine Hilfestellung kann es hierbei sein, Meetings „um 5 nach“ zu beginnen, um den Teilnehmenden eine kurze Verschnaufpause in aufeinanderfolgenden Meetings zu gönnen. Und warum nicht auch in Online-Meetings ein bisschen Witz beispielsweise in Form von GIFs oder Urlaubsfotos zu zulassen?

Führungskräfte sollten Vorbild sein und Flexibilität vorleben und dabei die nötige Zeit für Erholung nicht vernachlässigen. Es darf nicht das Gefühl entstehen, man müsse 24/7 für das Team oder die Führungskraft erreichbar sein.

 

Hybrides Arbeiten und Diversity

Die Anforderungen der einzelnen Teammitglieder an das hybride Arbeiten sind sehr individuell. Untersuchungen zeigen Unterschiede in verschiedenen Personengruppen bezüglich der Anforderungen an das hybride Arbeiten. Daraus ergeben sich wiederum ganz individuelle Herausforderungen und Konsequenzen für unterschiedliche Personengruppen.

 

Berufseinsteiger:innen in Zeiten der Pandemie

Wie ich oben schon beschrieben habe, ist Netzwerken in einer hybriden Welt schwieriger als vor COVID, als alle noch im Büro präsent waren. Gerade aber am Anfang der Karriere ist Netzwerken besonders wichtig. Das stellt Berufseinsteiger:innen vor eine besondere Herausforderung, sich ein Netzwerk aufzubauen und in ihren Unternehmen sichtbar zu werden.

Einige von ihnen kennen außerdem eine Arbeitswelt vor Corona gar nicht. Ihre Erwartungen an das Berufsleben sind demnach sehr stark von der virtuellen Welt geprägt.

 

Neue Chancen und Herausforderungen für Frauen

Befragungen zeigen auch, dass in einer hybriden Welt vermehrt Frauen von zu Hause arbeiten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Das liegt vor allem daran, dass auch in einer hybriden Welt, Frauen mehr Zeit für die Kindererziehung aufwenden als Männer.

Die Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens können einerseits ein Gamechanger für viele arbeitende Mütter sein, um Karriere und Familie besser vereinbaren zu können.

Es gibt aber Bedenken über die Konsequenzen, was passiert, wenn vor allem Frauen von zu Hause arbeiten und Männer eher im Büro sind. Wenn vor allem Männer wieder ins Büro kommen, ist es auch wahrscheinlicher, dass diese auch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Wer mit seinen Vorgesetzten im selben Büro ist, ist sichtbarer. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Wer sichtbarer ist, kommt auch bei der Besetzung von wichtigen Projekten oder Beförderungen eher ins Gedächtnis. Auch informelles Networking im Flur oder der Cafeteria sind nachweislich Treiber der beruflichen Karriere. In hybriden Modellen ist es demnach online schwieriger sichtbar zu werden und Gehör zu finden. Wir brauchen eine gleichberechtigte Teilhabe aller Teammitglieder – unabhängig des Arbeitsortes. Das setzt natürlich auch eine gleichberechtigte Organisation der Kindererziehung in Familien voraus.

 

Management und Unternehmenskultur entscheiden über Gerechtigkeit bei hybrider Arbeit

Ich bin dennoch der Meinung, dass die hybride Arbeitswelt viele Vorteile für alle bietet. Kehren vor allem extrovertierte Menschen wieder ins Büro zurück, ist es wichtig, auch eher introvertierte Personen, Frauen oder Menschen mit Beeinträchtigung, die aus verschiedenen Gründen lieber von zu Hause arbeiten, gleichermaßen teilhaben können und gesehen werden. Hier kann die hybride Welt eine Herausforderung für Diversity und Inklusion darstellen. Inwiefern Personen, die in einer hybriden Welt vermehrt von zu Hause arbeiten, in ihrer beruflichen Karriere benachteiligt werden, hängt dabei vor allem vom Management ab.

Dieses Problem tritt vor allem auf, wenn die Unternehmenskultur noch nicht an die neuen Bedingungen einer hybriden Welt angepasst ist. Unternehmen müssen ihre Meetingräume technisch so ausstatten, dass alle gleichermaßen an hybriden Meetings teilnehmen können – mit physischer oder virtueller Präsenz. Beispielsweise können Sie in Meetings auch zuerst die Kolleg:innen zu Wort kommen lassen, die virtuell teilnehmen. So haben alle die Chance, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen.

Führungskräfte sollten darauf achten, dass sie sich für alle Mitarbeitenden gleichermaßen regelmäßig Zeit nehmen. Ein hilfreiches Tool hierfür kann eine sogenannte Teamlandkarte sein, die aufzeigt, wie häufig mit den einzelnen Teammitgliedern kommuniziert wird und wie diese untereinander kommunizieren. Bei Beförderungen sollten Führungskräfte außerdem darauf achten, zunächst alle in den Auswahl-Prozess einzuschließen und nicht wie oft praktiziert, vor allem die, die am sichtbarsten sind.

 

Fazit

Die Zukunft der Arbeit ist hybrid. Gerade sind wir zwar vielerorts noch eingeschränkt von den pandemie-bedingten Maßnahmen, in Zukunft werden wir aber die Möglichkeit haben, auszuprobieren, wie man selbst am kreativsten und produktivsten ist und wie das Team am besten zusammen funktioniert. Dabei muss jede:r ein für sich und das Team am besten passende Modell finden. Zusammenfassend sind folgende Punkte wichtig, damit die hybride Arbeit funktioniert:

  • Mindset und Handeln der Führungskräfte und die Unternehmenskultur müssen zu den Anforderungen der hybriden Welt passen
  • Regelmäßige und offene Kommunikation im Team und zur Führungskraft schaffen Vertrauen und reduzieren Unsicherheit
  • Transparenz über die Anforderungen und Hintergründe der einzelnen Teammitglieder ermöglicht mehr Flexibilität und Autonomie der Einzelnen
  • Gleiche Möglichkeiten zur Partizipation und Sichtbarwerden für Kolleg:innen aus dem Homeoffice und aus dem Büro vermeiden Benachteiligung einzelner Personengruppen

Quellen:

WSI Report 65, April 2021 (boeckler.de)
Die Zukunft der Arbeitswelt ist hybrid – und so wird sie aussehen – Ideas (de-DE) (wework.com)
The Next Great Disruption Is Hybrid Work—Are We Ready? (microsoft.com)
To Thrive in Hybrid Work, Support Flexibility in Work Styles (microsoft.com)
Will Hybrid Work Environments Have A Gender Problem? (forbes.com)

 



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