Im Team durch die Nacht
Unsere moderne Gesellschaft ist auf vier Millionen Menschen angewiesen, die in Nachtschichten arbeiten, damit unser Lebensstandard gesichert ist. Ob 600.000 Kranken- und Altenpfleger:innen in Deutschland, die jede Nacht Menschen betreuen, oder 200.000 Bäcker:innen, die mitten in der Nacht den Teig verarbeiten, oder 8.000 Busfahrer:innen, die dafür sorgen, dass wir gut nach Hause kommen: Sie alle leisten einen großen Beitrag!
Dennoch wird diese Personengruppe häufig nicht wahrgenommen. Auch die wissenschaftliche Forschung zu Nachtarbeit ist lückenhaft: Beispielsweise gibt es kaum Erkenntnisse darüber, welches Schichtmodell am gesündesten oder wenigstens am wenigsten schädlich ist. Bisher ist noch nicht einmal erfasst, wie viele Menschen eigentlich pro Nacht in Deutschland arbeiten.
Aber warum lassen wir diesen Berufstätigen so wenig Aufmerksamkeit zukommen, obwohl sie so wertvolle Arbeit leisten? Ganz einfach: All dies passiert, während wir schlafen. Wir bekommen also gar nicht wirklich mit, was in dieser Zeit um uns herum passiert. Dass Nachtarbeitende jedoch vor allem im Blue-Collar-Bereich – also in Berufen, in denen Menschen nicht am Schreibtisch sitzen – essenziell sind, zeigt mir mein Arbeitsalltag ganz deutlich: In den Unternehmen, die wir weltweit bei der Schichtplanung unterstützen, machen die Nachtarbeitenden einen Anteil von 25 Prozent aus.
Um mehr über diese Menschen zu erfahren und ihnen ein Gesicht zu geben, haben wir die Awareness-Kampagne #währendduschläfst ins Leben gerufen und eine Umfrage unter 600 Personen in Deutschland durchgeführt, die regelmäßig in der Nacht (im Zeitraum von 21 bis 7 Uhr) arbeiten. Diese bestätigt die Vermutung, dass die Leistung von Nachtschichtarbeitenden nicht wahrgenommen wird: 76 Prozent der Befragten geben an, dass Nachtarbeitende nicht genug Wertschätzung erhalten.
Das Team macht die Musik
Ein weiteres Ergebnis: Die Teamkonstellation hat einen riesigen Einfluss auf den Erfolg einer Nachtschicht und macht für 90 Prozent einen echten Unterschied. Das ist sicherlich nicht verwunderlich, gerade auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Denn während viele Menschen in den vergangenen Jahren ins Homeoffice wechseln konnten, haben Nachtarbeitende im Blue-Collar-Bereich den Laden am Laufen gehalten und waren durch krankheitsbedingte Ausfälle mehr denn je auf ihre Kolleginnen und Kollegen angewiesen.
Nachtzuschlag hui, Gesundheit pfui
Gesundheitliche Bedenken haben Nachtarbeitende aber auch unabhängig von der Pandemie: 64 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Nachtarbeit krank macht. 62 Prozent leiden zudem häufig unter Schlafmangel, 46 Prozent fühlen sich sogar allgemein gesundheitlich belastet. Ergebnisse, die jedes Unternehmen zum Nachdenken anregen sollten. Dem gegenüber steht der mit Abstand größte Vorteil für viele Menschen in der Nachtschicht: der Nachtzuschlag. Dieser ist immerhin für 72 Prozent der Befragten der Hauptanreiz.
Diese Entwicklung sieht der Arbeitszeit- und Workforce-Management-Experte Guido Zander kritisch. Er führt regelmäßig Interviews mit Mitarbeitenden, die teilweise seit über 20 Jahren in Dauernachtschicht arbeiten, und meint: „Zuschläge sind – in der Regel – eine monetäre Kompensation für eine unbeliebte Tätigkeit bzw. Arbeitszeit. Was ursprünglich aber einmal als Kompensation oder Anreiz gedacht war, damit Mitarbeitende überhaupt zu diesen Zeiten arbeiten, ist mittlerweile zu einem fatalen Fehlanreizsystem zu ungesunder Arbeit geworden. Wir erleben regelmäßig, dass aus Unternehmenssicht eine Reduktion von Nachtarbeit möglich wäre, die Mitarbeitenden aber nicht weniger verdienen möchten und diese daher ablehnen.”
Außerdem wünschen sich Nachtarbeitende mehr bezahlten Urlaub: 74 Prozent sind der Meinung, dass sie aufgrund der schwierigeren Arbeitsbedingungen mehr freie Tage zur Verfügung haben sollten. Denn auch das Privatleben leidet: Für rund 42 Prozent der Befragten ist die Organisation des Arbeits- und Privatlebens – beispielsweise in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf – schwer.
Unternehmen und Mitarbeiter:innen müssen gemeinsam planen
Zumindest an der Verbesserung der Work-Life-Balance wird jedoch in vielen Branchen bereits gearbeitet. Immer mehr Unternehmen setzen auf digitale Lösungen, die eine bessere und vor allem mitarbeiter:innenorientierte Personaleinsatzplanung ermöglichen.
Das heißt, Mitarbeitende haben bereits während der Erstellung der Schichtpläne einen entscheidenden Einfluss auf deren Gestaltung, indem sie ihre Wünsche und Verfügbarkeiten angeben oder die Schichten mit den Kolleginnen und Kollegen selbstorganisiert tauschen können.
All dies lässt sich nicht mit einer Planung in einer Excel-Tabelle umsetzen, so wie es bei einigen Betrieben noch immer der Fall ist. Vielmehr müssen Unternehmen auf digitale Workforce Management Tools setzen, die automatisiert funktionieren und auch durch Künstliche Intelligenz (KI) gestützt werden können. Die automatisierte Erstellung der Personaleinsatzplanung ermöglicht es, in kürzester Zeit alle Schichten zu besetzen und dabei die Wünsche der Angestellten sowie gesetzliche Vorgaben mit einzubeziehen. Mithilfe von KI können zusätzlich interne und externe Daten (z. B. die Entwicklung der Corona-Inzidenzen) berücksichtigt werden, um Prognosen zu erstellen und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.
Der Komfort für die Mitarbeiter:innen sowie die Planung des Privatlebens können sich zudem verbessern, wenn sie über eine App jederzeit auf den aktuellen Einsatzplan zugreifen und diesen verwalten können. Diese sogenannte „Human Centricity” – also der Fokus auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden – zahlt dabei nicht nur auf die Work-Life-Balance, sondern ebenso auf die Gesundheitsprävention ein.
Schichtplanung: So individuell wie der Mensch selbst
Denn am Ende sollte uns allen klar sein: Wir Menschen sind alle verschieden und haben andere Präferenzen und Belastungsgrenzen. Auch diese gilt es in eine mitarbeiter:innenorientierte Personaleinsatzplanung einzubeziehen – nicht nur, was die präferierten Schichten, sondern auch die Arbeitsmenge angeht. Vielleicht gibt es Menschen, die im Rahmen ihrer Nachtschicht gern zehn Stunden am Stück arbeiten, um mehr Tage in der Woche frei zu haben. Andere hingegen wünschen sich vielleicht eine sechsstündige Nachtschicht, da sie darüber hinaus eine zu hohe Belastung spüren.
Daraus ergibt sich auch die Frage, ob auf alle Mitarbeiter:innen im Unternehmen dasselbe Schichtsystem angewendet werden sollte. Mit einer intelligenten Einsatzplanung kann jede:r Einzelne angeben, wie er oder sie sich wohlfühlt – und diese Präferenzen auch entsprechend anpassen, wenn es einmal nicht mehr so ist. Die Einsatzplanung muss flexibel genug sein, um auf diese Veränderungen einzugehen und Mitarbeitenden eine moderne Arbeitszeiteinteilung inklusive Work-Life-Balance zu ermöglichen.
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