Durchschaut! – Auf dem Weg zur gläsernen Führungskraft
„Prediction is difficult, especially if it is about the future.“ Diese Erkenntnis von Niels Bohr macht vor Führung nicht halt, wenngleich einzelne Parameter, unter denen Führung in der Zukunft gestaltet werden muss, bereits heute bekannt sind: Cloud- und Crowdworking werden zunehmen, traditionelle Strukturen verschwinden und Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen; die digitale Revolution wird weiter voranschreiten. Diese Veränderungen in der Arbeitswelt treffen auf ein immer deutlicher zu hörendes „die da oben wissen nicht, wie es geht“.
Dennoch kann heute nur erahnt werden, welche Konsequenzen sich hieraus für Führung ergeben. Wer kann heute schon sagen, was die Vermischung von Berufs- und Privatleben, die Speicherung von Daten über Jahrzehnte hinweg sowie eine ständige Messbarkeit, Verfügbarkeit und der Vergleich aller Leistungsparameter der eigenen Person und des eigenen Teams für die Führungskraft und das Führungsverhalten bedeuten?
Fest steht eins: Führungskräfte müssen sich damit auseinandersetzen, dass die eigene Person, das Verhalten und getroffene Entscheidungen aufgrund der Digitalisierung jederzeit transparent sind. Die Veränderungen in der Arbeitswelt ermöglichen ständige Erreichbarkeit, Messbarkeit sowie Effizienz- und Führungskontrolle. Dazu gehört auch, dass Aufsichtsgremien über Erfolg und Misserfolg in Echtzeit befinden können. Das Zeitalter von Transparenz und Effizienz steht bevor. Nach dem gläsernen Politiker und dem gläsernen Bürger wird unabhängig von autoritärem oder demokratischem Führungsstil ein neuer Typus geboren: die gläserne Führungskraft.
Diese gläserne Führungskraft muss die eigene Person, Werte, Verhaltensmuster, Gefühle und Entscheidungen immer nachvollziehbar darlegen können. Und das nicht nur für den jetzigen Moment, sondern insbesondere auch für jeden Zeitpunkt der eigenen Vergangenheit. Natürlich gibt es die positiven Effekte der Digitalisierung bei der Entdeckung von Fehlverhalten oder falschen Entscheidungen, der Einbindung und Partizipation der Belegschaft. Aber die Digitalisierung bildet ebenso die Plattform für Verleumdungen, falsche Anschuldigungen, Lügen oder ungerechtfertigte Skandalisierung. Zugleich wird es Populisten leicht gemacht, stark vereinfachte Sachverhalte zu verbreiten.
Doch damit nicht genug. Die gläserne Führungskraft ist gezwungen, mögliche Reaktionen der Mitarbeiter ständig zu prognostizieren, gegebenenfalls einzugreifen und das eigene Verhalten wiederum zu adaptieren, um sich nicht dem Risiko eines nicht effizienten und transparenten Verhaltens auszusetzen. Letztlich ein permanenter Prozess, bei dem die Führungskraft die Sorge umtreibt, dass der Geführte nicht mehr geführt wird. Das Vertrauensverhältnis zwischen der Führungskraft und den Mitarbeitern erodiert, weil sich die Leader-Follower-Beziehung in einen ständigen Überwachungsprozess verwandelt.
Die gläserne Führung macht auch vor Strukturen nicht halt. Die zentrale Frage wird lauten: Unter welchen Voraussetzungen sind Menschen gewillt, permanent ihre persönliche Integrität, ihre Entscheidungen und den eigenen Führungsstil hinterfragen zu lassen? Organisationen müssen sich damit auseinandersetzen, dass es zu einer unerwünschten Selbstselektion kommt, bei denen nicht die geeignetsten, sondern die am besten an die digitale Welt angepassten Personen Führung übernehmen. Das Vertrauen in Führungskräfte würde weiter zurückgehen.
Letztlich ist es erforderlich, mit diesem neuen Phänomen souverän umzugehen und eine offene Auseinandersetzung über gläserne Führung in Unternehmen und Organisationen zu fördern. Dabei können Best-Practices zum Umgang mit gläserner Führung ermutigen. Entscheidend wird sein, dass auf gläserne Führung angepasste Werkzeuge und Organisationsstrukturen entwickelt werden.
Dabei muss die Integrität von allen Beteiligten geschützt werden. Neue Anreiz-Systeme, gutes Mentoring und praktikable Führungstools, starker Wissenstransfer und neue Karrierewege eröffnen Möglichkeiten, gute Führung zu stärken – dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor.
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