Warum Führung heute Sinn machen muss
Der nachstehende Blogbeitrag erscheint im Rahmen unserer Blogserie zum Camp Q 2019:
„Was ist das denn für eine Frage? – Als ob Führung früher keinen Sinn machen musste?!“ oder „Was hat das mit heute zu tun – war das gestern etwa anders?“ – so oder ähnlich könnten Ihre Gedanken beim Lesen der Headline gewesen sein.
Zunächst mal glaube ich nicht, dass Führung generell Sinn machen muss. In der Menschheitsgeschichte gibt es so viele Gegenbeispiele, dass die schiere Quantität dieser Beispiele eine Diskussion überflüssig erscheinen lässt. Führung ergibt sich eben oft vor allem aus den Umständen. Ein einfaches Beispiel: Militärische Führung, Disziplin und Gehorsam, hat in der Regel wenig Sinnvolles an sich. Man tut, was befohlen wurde. Das muss in bestimmten Grenzsituationen vielleicht auch so sein. Keine Zeit nachzudenken, immenser Druck, sofortiges Handeln erforderlich.
Dementsprechend glaube ich auch nicht, dass gestern die gleichen Rahmenbedingungen herrschten wie heute und somit Führung heute tatsächlich andere Bedingungen erfüllen muss als gestern.
Demografie und Digitalisierung beeinflussen Führung
Heute findet Führung in der Wirtschaft bei uns vor zwei maßgeblichen Megatrends statt: dem demografischen Wandel und der Digitalisierung. Beide Trends zusammen führen zu einer langsamen, aber inzwischen sehr deutlich spürbaren Verschiebung auf dem Arbeitsmarkt. Aus Arbeitgebermärkten werden in vielen Branchen und Disziplinen Arbeitnehmermärkte. Gutes Personal wird Mangelware. Ganz besonders spüren wir das in Themenfeldern wie IT und digitalen Berufsbildern, aber auch im Pflegebereich oder in der Logistik.
Was hat das mit Führung zu tun? – Viel. Denn gutes Personal zu gewinnen ist schwierig, gutes Personal zu halten noch schwieriger. Gut Qualifizierte können sich zunehmend entscheiden, für welches Unternehmen und für welche Führungskraft sie arbeiten wollen. Wie heißt es so schön: gekommen wegen des Unternehmens, gegangen wegen der Führungskraft.
In der heutigen Zeit spielt es für das Thema Retention eine maßgebliche Rolle, ob Führung Sinn vermittelt. Die Zeiten von Befehl und Gehorsam sind angesichts der sich über die Generationen verändernden Wertemaßstäbe vorbei. Zumindest so lange Demografie und Digitalisierung dazu führen, dass Unternehmen auf deutlich weniger Bewerber zugreifen können und über die Unternehmen und Arbeitsbedingungen aufgrund der Digitalisierung eine viel höhere Transparenz gegeben ist.
Entscheidend: die Frage nach dem „Warum?“
Warum sollte ich für Unternehmen A arbeiten, wenn ich auch für Unternehmen B oder C arbeiten könnte? – Die Frage nach dem Sinn, dem „Warum?“ wird frei nach Simon Sinek auch zunehmend zur entscheidenden Frage für die Themen Recruiting und Retention.
Als Führungskraft ist es heute also eine der Hauptaufgaben, vielleicht sogar die Hauptaufgabe, das „Warum?“, also die Frage nach dem Sinn, zu beantworten. Nur so kann es gelingen, in einer heterogenen – diversen – Mitarbeiterstruktur zunächst ein einheitliches Verständnis und darauf aufbauend eine einheitliche Überzeugung für die Richtigkeit bestimmter Vorgehensweisen zu generieren. Wer aus Überzeugung handelt, entwickelt nun mal eine ganz andere Kraft, als ein reiner Befehlsempfänger. Das hat viel mit Führen auf Augenhöhe zu tun und ist herausfordernder als ein rein hierarchischer Führungsstil.
Gleichzeitig bedeutet dieses Führen aus dem Sinn heraus, dass vielfach mehr Diskussion entsteht. Dies ist auf den ersten Blick zeitraubend und damit indirekt kostspielig. Die mittel- bis langfristigen Vorteile liegen aber auf der Hand: Wer verstanden hat, warum etwas getan werden sollte, wird sich proaktiv und intrinsisch für die Erreichung bestimmter Ziele einsetzen und braucht nicht ständig extrinsische Motivatoren in Form von Geld, hierarchischer Entwicklung oder gestriger Statussymbole.
Führung: was im Kleinen gilt, hat im Großen besondere Relevanz
Diese Vorteile gelten natürlich nicht nur für die direkte Führung, sondern auch für das Führen ganzer Organisationen. Wenn die Frage nach dem Sinn klar beantwortet werden kann, entsteht sowohl mehr Identifikation mit der Organisation als auch Kohäsion von Teams innerhalb der Organisation.
Als Chef einer Organisation kann man das Erreichen bestimmter Umsatzziele vorgeben. Alternativ kann man zeigen, wie die eigene Organisation die Welt besser macht und dann mittelfristig ganz andere Umsätze erreichen kann. Es gibt ein paar Unternehmen, die das perfektioniert und eindrucksvoll vorgemacht haben. Viele der heutigen Internetgiganten gehören dazu.
Übrigens und abschließend: Zum „Führen mit Sinn“ gehört für mich dazu, die Frage nach dem „Warum?“ immer mal wieder ganz ernsthaft und grundlegend zu stellen. Vor allem sich selbst. Das gilt sowohl für „einfache“ Führungskräfte wie auch insbesondere für Firmenlenker. Der Weg von kritischer Identifikation zu blindem Eifer ist bekanntermaßen recht schmal…
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