Generationen-Miteinander | 5 – Was Jüngere an Älteren stört – „Wir stecken von den Älteren ständig Schläge ein.“

In Unternehmen arbeiten mittlerweile bis zu vier Generationen zusammen – Generationen mit unterschiedlichen Wünschen und Erwartungen, mit verschiedenen Führungsverständnissen und Arbeitseinstellungen. Welche Konflikte entstehen daraus? Und wie gelingt ein gutes Miteinander? Ein Workshop der Bertelsmann Stiftung hat das Thema aufgegriffen. Unsere innovative Idee: Die Teilnehmenden des Workshops brachten jeweils eine zweite Person einer anderen Generation mit. Das Ziel: endlich miteinander statt übereinander zu reden. Worüber wir genau gesprochen haben, erfahren Sie in unserer Blog-Serie. Wir freuen uns, wenn Sie mitdiskutieren und Ihre Erfahrungen mit uns und anderen teilen.

Weiter geht’s mit dem Thema: „Was Jüngere an Älteren stört – „Wir stecken von den Älteren ständig Schläge ein.““

Jüngere Mitarbeiter gelten heutzutage als sehr selbstbewusst. Sie wissen um ihre Qualifikation und fordern guten Lohn. Doch im Arbeitsalltag fühlen sie sich oftmals überhaupt nicht ernst genommen.

„Wir unterscheiden gar nicht zwischen Babyboomer und Generation X“,

sagt die 26-jährige Personalfachfrau in der Reflexionsrunde über das Miteinander von jüngeren und älteren Generationen im Unternehmen. Sie erklärt:

„Für uns sind beides nur die Älteren – und von denen stecken wir ordentlich Schläge ein.“

Die jüngste Generation im Unternehmen als Prügelknaben? Das kann man kaum glauben, oder?

„Vor allem der Satz ‚Das haben wir schon immer so gemacht‘ bringt uns auf die Palme“,

erklärt die junge Führungskraft und fährt fort:

„Alle unter 30 erleben fast täglich, dass sie einen Vorschlag für eine Verbesserung oder Veränderung machen, und schon hören sie den leidigen Kommentar – und fühlen sich abgeschmettert.“

Die Reaktion? Eine gewisse Resignation. Denn gegen die Mauer der Abwehr kommen die Jüngeren einfach nicht an. Sie ärgern sich – und hoffen still auf baldige Verjüngung der nächsten Hierarchie-Stufe.


Warum die Vorschläge der Jungen die Älteren manchmal kränken

Interessant ist: Die Älteren widersprechen nicht einmal, als die Jungen ihrem Frust Luft machen. Denn wenn sie ehrlich sind: Fast jeder über 40 hat diesen Satz schon einmal zu einer jüngeren Person gesagt. Warum eigentlich? Sind die Vorschläge der Jungen wirklich immer unausgereift? Unrealistisch? Machen zu viel Arbeit? Können das Bewährte nicht toppen?

„Es ist gar nicht so einfach, die Dinge in Frage zu stellen, die man über viele Jahre in einer bestimmten Art und Weise gemacht hat“,

wendet eine Führungskräfte-Entwicklerin ein. Sie selbst ist Mitte 50 – und ist auf Seminardesign für diese Zielgruppe spezialisiert. Erst kürzlich entwickelte sie ein neues Konzept für ein großes Seminar. Dieses zeigte sie eher spaßeshalber einer jüngeren Kollegin. Doch siehe da:

„Die Kollegin sah mein Konzept – und entwarf mal eben im Kopf ein Seminardesign, das besser funktionierte als meins“.

erzählt die 55-Jährige und fährt fort:

„Da habe ich gemerkt, dass zwei Sachen in mir ablaufen, wenn so etwas passiert. Einerseits habe ich mich geniert. Ich hatte das Gefühl, meine Erfahrung und damit auch ich werden entwertet. Und ich fragte mich sofort: Wie kann es sein, dass die das so gut kann?! Und ich musste mir richtig ein Herz fassen, ihr zu sagen: Mensch, ich finde deine Idee richtig gut.“

Nach der Angst kommt die Inspiration.

„Wir tauschten uns dann intensiver zu unseren beiden Ansätzen aus. Und danach war klar: Ihr Weg war einfach besser. Das anzuerkennen und zu entscheiden, ich übernehme ihre Anregung und stelle mein Seminarkonzept um, das war für mich innerlich wirklich ein Akt“,

erzählt die Personalfachfrau. Aber danach war sie froh, dass sie sich auf den Dialog eingelassen hatte, statt ihn abzuschmettern.

„Seminardesign ist ja die eine Sache, aber im Seminar selbst schöpfe ich natürlich viel Kraft, Sicherheit und Souveränität aus meiner Erfahrung. Das konnte ich auch nach dem ersten Schreck wieder ganz klar sehen und spüren.“

Letztlich führte die Kombination aus der Inspiration durch die jüngere Kollegin zusammen mit der jahrelangen Erfahrung als Seminarleiterin zum Erfolg, den das Seminar dann hatte. Aber die 55-Jährige gibt zu:

„Man muss als Ältere durch diese Schleife aus Angst vor Entwertung durch. Das muss man verkraften.“

Und ein anderer Senior-Manager aus der Runde regt an:

„Wir Älteren sollten die Anregungen der Jüngeren aufgreifen und in den Austausch gehen – statt sie aus Bequemlichkeit oder auch Ängstlichkeit heraus abzuschmettern. Und dann kann man sich ja überlegen: Wie können meine Ansichten und Erfahrungen zusammen mit den neuen Ideen die Sache optimieren? Das wäre ein positiver Ansatzpunkt – bei dem beide zum Zuge kommen.“

Und vielleicht wäre dies auch der Weg, der wirklich aus der Generationenfalle herausführt.

Zitat

„Vielleicht sollte man das mit dem Alter viel weiter nach hinten stellen. Stattdessen wäre es besser, sich die Person anzuschauen – und ihr gegenüber klare Ziele und Erwartungen zu formulieren. Egal, wer vor einem steht.“


#Unternehmenskulturpraktisch

Quergedacht:

Lassen Sie sich von Jüngeren inspirieren!

  • Wenn Sie das nächste Mal eine Situation erleben, in der eine jüngere Person oder ein Kollege mit weniger Berufserfahrung eine Idee äußert, machen Sie es anders als gewohnt. Sagen Sie nicht als Erstes: „Das wird aus meiner Erfahrung so nicht funktionieren!“ Versuchen Sie stattdessen einfach wirklich zu verstehen, welche gute Absicht die Person mit dem Vorschlag verfolgt – und ob es im Kern nicht doch eine gute Anregung ist. Bringen Sie nun diese gute Absicht oder Idee und Ihre Art, die Aufgabe anzupacken, zusammen.
  • Vielleicht haben Sie im Team auch schon einmal erlebt, dass Jüngere Gehör fanden und gute Anregungen umgesetzt wurden. Was waren die Voraussetzungen dafür? Gab es einen Fürsprecher? Hat Ihr Chef das Gespräch moderiert? Hat jemand die unerfahrenere Person explizit um ihre Ansicht gebeten? Holen Sie sich die günstigen Voraussetzungen für das gute Miteinander ins Gedächtnis und pflegen Sie sie stärker im Alltag.

„Weitere Informationen zur Blog-Serie „Generationen-Miteinander“ finden Sie hier https://creating-corporate-cultures.org/de/themen/fuehrung-und-vielfalt/generationenmanagement/“.

 

Mitarbeit/Coautor: Carola Kleinschmidt, Journalistin und Trainerin mit Schwerpunkt Älterwerden im Beruf.

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Schreiben Sie uns (E-Mail: Katrin.Helena.Ernst@bertelsmann-stiftung.de) von Ihren Erfahrungen! Wir sammeln Anregungen zu dem Thema und greifen sie (natürlich anonymisiert) in weiteren Blogbeiträgen auf.



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