#CampQ19
Querdenker

Wir brauchen mehr Querdenker, die denken und machen. „Machen“ ist dabei die coolste Geschichte.

Was hat euch zum Camp Q geführt?

Franziska: Katja und ich haben uns beim Executive Training „Women and Cultural Change“ der Bertelsmann Stiftung kennen gelernt. Camp Q ist die ideale Gelegenheit, dass daraus entstandene Alumni Netzwerk zu pflegen, sich wiederzusehen, Mut-machende Gespräche zu führen und Inspiration & Energie für den Alltag zu bekommen.

Katja: Camp Q und das Alumni-Netzwerk sind eine großartige Plattform, um Themen zu bewegen. Franziska und ich sind gerade dabei eine Initiative zu starten, in der es um „Haltung, Mut und Werte“ geht. Diese Diskussion ist aus unserer Sicht essentiell, um als Gesellschaft die aktuellen Herausforderungen zu meistern.

Wie siehst Du als Beraterin die Unterschiede in der Digitalisierung zwischen Deutschland und China?

Katja: Ich habe durch meine Zeit in China festgestellt, dass Deutschland in der Digitalisierung gefühlt 20 Jahre hinterherhinkt und dass dringender Nachholbedarf auf allen Ebenen besteht. Ich möchte gerne mehr dazu beitragen, in Deutschland etwas zu bewegen.

Somit wollt ihr Deutschland ein wenig vor der Dynamik in China beschützen?

Katja: Deutschland ist eines der freiesten Länder auf der ganzen Welt, aber es ist schade, dass wir das Potenzial, dass es bei uns gibt, nicht wirklich nutzen. Im Gegenteil, es ist bei uns so eine Art Schockstarre entstanden, die zu einer Verkrustung, Panik und Angst führt. Mit dieser Haltung ist man ein sicheres Opfer für Einwirkungen von außen.

Also kämpfst Du gegen die digitale Angst, die es hierzulande ja sehr stark gibt.

Katja: In der digitalen Welt gibt es eine starke Gefahr, in totalitäre Welten abzugleiten. In China ist eine Überwachungsgesellschaft bereits teilweise Realität. Ich möchte keineswegs, dass in Deutschland eine digitale Welt wie in China entsteht, die in diese Richtung geht. Bürgerrechte sollten wir als schützenswertes Gut verteidigen und unseren Bürgern vermitteln, welche Freiheiten und Möglichkeiten sie hierzulande haben. Viele sind sich gar nicht bewusst, was wir alles positiv durch die Digitalisierung verändern können.

Wir haben auf dem Camp Q ganz viel über Haltung sowie über New Work gehört. Was heißt das für Eure Arbeit?

Franziska: Haltung & den Menschen in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns zu stellen – das ist mein Lieblingsthema! Ein Unternehmen wird nicht nur über die Kommunikation im klassischen Sinne wahrgenommen, sondern über die Art und Weise, wie wir Dinge angehen und leben. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, auch die eigenen Mitarbeiter. Das ist unsere tiefste Überzeugung. Natürlich erfordert das eine klare Haltung und konsequentes Handeln.

Es gibt eine ganz spannende Entwicklung im Marketing hin zur Automatisierung, während gleichzeitig von Markenbotschaftern in Unternehmen gesprochen wird, wo man eben auf Menschen mit ihrer Persönlichkeit setzt. Worauf muss ein Unternehmen letztendlich achten, wenn es KI oder Marketing Automation einsetzt?

Katja: Letztlich natürlich auf die Glaubwürdigkeit. Das muss der Unternehmensstrategie entsprechen. Wir haben festgestellt, dass durch die zunehmende Digitalisierung im Grunde sehr viele Unternehmen aus verschiedenen Branchen vor denselben Herausforderungen stehen. Die Medienwelt ist im Prinzip von denselben digitalen Playern bedroht wie die Bankenwelt. Ich glaube, dass die zunehmende Automatisierung eine Gefahr darstellt, wenn sie nicht getragen wird von klaren Werten. Über diese Wertvorstellungen ist viel zu lange nicht gesprochen worden. Die wurden über Jahrzehnte vorausgesetzt und müssen jetzt dringend an die neuen Herausforderungen angepasst und klar definiert werden.

Gibt es nicht auch einen gesellschaftlichen Druck durch die Millenials, die schon im Arbeitsmarkt sind oder da gerade hinkommen und die eben nicht mehr alles mitmachen und die eine Werteverpflichtung ihrer Unternehmen haben wollen?

Franziska: Die Werte-Diskussion ist in allen Altersgruppen der Gesellschaft relevant. Sie findet nur unterschiedliche Ausdrucksformen. Ich bin generell kein Freund von „Schubladen-Denken“. Die Erfahrung zeigt, dass das Alter kein dominantes Merkmal mehr in irgendeiner Zielgruppenbetrachtung ist. Es geht vielmehr um Mindsets, Bedürfnisse und Haltung.
Wir wünschen uns alle einen neuen Kodex bzw. ein Wertegefüge, in der Art, wie wir als Gesellschaft miteinander und als Einzelner mit Technologie umgehen. Ich habe den Eindruck, dass künstliche Intelligenzen und Algorithmen uns helfen können. Speziell dann, wenn sie uns die Routinen abnehmen und uns dafür Zeit gibt, die wirklich wichtigen Probleme dieser Welt zu lösen. Die Themen, bei denen die Kreativität und der Erfindergeist der Menschen gefragt ist. Zum Beispiel sollten wir überlegen, was es für Alternativen zum Verbrennungsmotor, zu Batterien, zu Kernkraftwerken und Braunkohle gibt. Es ist meine große Hoffnung, dass wir uns als Menschen da hinbewegen. Die Chancen sehen.

Heißt das, wir brauchen in den Organisationen mehr Rebellen, damit Veränderungen angestoßen werden?

Franziska: Ich glaube, die Rebellen braucht es immer wieder. Nicht nur in Organisationen. Das sind die, die Dinge und Zusammenhänge sehen und sich das Leben unbequemer machen, Dinge immer wieder ansprechen, dann das Durchhaltevermögen und die starken Netzwerke haben, mit denen sie zusammen was bewegen.

Weil Einzelne eigentlich sehr wenig verändern können und dafür natürlich Verbündete brauchen.

Franziska: Genau, es wird immer ein paar geben, die sich zusammentun. Das charmante ist, dass Katja und ich uns bei der Bertelsmann Stiftung kennengelernt haben und mit den verschiedensten Sichtweisen sagen: „Wie können wir denn einen Beitrag leisten?“
Wir haben den großen Wunsch, in unserer Gesellschaft Dinge zum Positiven zu verändern. Katja sagte so schön: „Das Größte, was wir haben ist die Freiheit. Wir nutzen sie aber gar nicht richtig.“ Ich sage: Mir geht es total gegen den Strich, dass „Digital“ immer so etwas Negatives ist. Die ganze Welt ist schon digital. Und es bietet uns so viele Möglichkeiten. Wir müssen sie nur sinnvoll nutzen.

Wie wäre denn das ideale Unternehmen organisiert aus eurer Sicht? Also wie sieht die Welt von morgen aus, in der wir richtig gut miteinander zusammenarbeiten?

Franziska: Ich weiß nicht, ob es dann nur noch reine Unternehmen sind. Man sieht es ja schon, Katja ist als Freelancerin unterwegs und baut etwas Eigenes auf. Wir haben viele Selbstständige, kleine und mittelständische Unternehmen und wir haben die Konzerne.

Das heißt, man braucht gar nicht mehr ein Unternehmen als Ort der Organisation von Arbeit?

Franziska: Ich glaube an das Konzept der Vielfalt. Es wird ganz bestimmt unterschiedliche Arbeits- und Organisationsformen geben müssen. Wir werden für bestimmte Tätigkeiten Angestellte haben, die sich feste Strukturen wünschen. Wir können nicht einfach aus einem Menschen, der 20 Jahre im Sinne von Henry Ford sozialisiert und trainiert wurde, auf einmal jemanden machen, der was ganz anderes tut. Das ist wie Zootiere rauslassen und sagen: Jetzt erbeutet euch in der freien Wildbahn ein Stück Fleisch. Das wird nicht klappen.

Und parallel werden sich andere Formate etablieren. Ich mag bspw. die Idee der offenen Ökosysteme, dass man Facilitators hat, die bestimmte Dinge darstellen und möglich machen und wiederum als Kurator und Sammelpunkt für intelligente Schwärme gelten.

Katja: Als Resultat des Camp Q kann man eigentlich zwei Positionen sehen: Die einen treibt die Angst um, aus so einer Organisation rauszufallen und dann plötzlich eine Freiheit zu haben, die sie gar nicht wollen. Die anderen steigen selbst aus den Organisationen aus, weil sie merken, sie finden da keine Resonanz mehr.

Ich erlebe momentan in vielen großen Konzernen, wie auch in kleinen Unternehmen, dass die Arbeitsorganisation mit Mitarbeitern neu verhandelt wird, die Forderungen stellen, unabhängig vom Alter. Einfach auch deshalb, weil die bisherigen Organisationsformen an ihre Grenzen geraten. Habt ihr das auch so erlebt?

Franziska: Was ich mehr und mehr feststelle ist, dass Silos aufgebrochen werden, aber die Tendenz ganz schnell ist, neue Silos aufzubauen. Einfach weil wir Menschen Struktur mögen und jeder gerne ein Zugehörigkeitsgefühl entwickelt. Selbst in agilen Strukturen sagt man, ein Team ist nicht größer als acht, das ist wie eine kleine Familie. Ich bin eine große Verfechterin vom starken Networking und einer gewissen Flexibilität. Dazu müssen Menschen herausfinden, was sie können, und bereit sein, sich auch zu öffnen. Das braucht eine starke innere Stärke.

Wie sollte denn ein Unternehmen damit umgehen, dass Mitarbeiter vielleicht gar nicht so viel Lust auf Networking haben oder auch die Zeit dafür nicht finden, weil sie nur bis 17 Uhr arbeiten wollen? Sollten Unterhemen intern Veranstaltungen organisieren, damit Leute von außen reinkommen?

Franziska: Ich finde den Gedanken interessant. Das sollten wir ausprobieren. Wie gesagt, für mich ist Vielfalt das Konzept der Zukunft. Wir müssen viel vielfältiger denken und handeln und aus dem Kontext heraus die passenden Lösungen finden. Für den einen ist eine Radikalveränderung gesund und tut gut, andere wollen es vorsichtiger angehen. Es gibt nicht nur ein Tool bzw. eine Methode, die alle Probleme löst.

Es kommt ja sicherlich noch etwas anderes hinzu, dass wir in unserer Ausbildung irgendwas gelernt haben, was 10 Jahre später aber total veraltet ist oder wo die Konkurrenz durch die Algorithmen gegeben ist. Man kann heute nicht mehr damit rechnen, in 10 Jahren noch seinen bisherigen Beruf nachzugehen. Aber das spannende ist doch eigentlich, dass wir Lernkulturen in Unternehmen brauchen, oder?

Franziska: Natürlich, Lebenslanges Lernen ist super wichtig. Jeder Einzelne sollte viel mehr Zeit in seine Kompetenzen bspw. im Umgang mit Medien investieren. Und auch als gesellschaftliches Thema, was Schulung und Bildung angeht. Zudem sollten wir uns auf eine We-Kultur einlassen. Wir sind noch zu sehr auf unser Ego und weniger auf Flexibilität und Kollaboration ausgerichtet. Noten gibt es für den Einzelnen und nicht für eine Teamleistung. Wir haben dafür noch gar kein Gefüge, was passend ist.

Das setzt natürlich auch darauf, dass Menschen ihre Komfortzone verlassen und Grenzen überschreiten, in denen sie sich sehr wohl fühlen können.

Franziska: Ja, da ist so ein bisschen die Frage: Wie bringt man Menschen dazu, dass sie was Neues ausprobieren?

Also wie schaffe ich es, eine Kultur der Ermutigung auszubauen, oder?

Franziska: In dem ich einfach niemanden abstrafe und schräg anschaue, wenn eine Sache mal nicht so läuft, wie ich mir das im Kopf gedacht habe, in dem ich sage: Wenn etwas schiefgeht oder du Hilfe brauchst, dann bin ich da. Komm auf mich zu.

Das heißt wir brauchen mehr Querdenker?

Franziska: Ja, unbedingt. Querdenker, die denken und machen. Nur querdenken und eine Absichtserklärung abgeben, reicht nicht. Katja und ich sind ganz heiß drauf, dass wir unsere Pläne umsetzen, denn „machen“ ist einfach die coolste Geschichte. Denn dann kann man auch etwas bewegen.

 

Das Interview führte Klaus Eck während der Veranstaltung „Camp Q – Die Leadership Konferenz für Querdenker“.



Kommentare

  1. / von Frank Druhm

    Vorab: Alt wie ich bin, zähle ich mich zu den moderaten Querdenkern. Und selbst das war selten eine Wohfühlposition.
    Der Spannungsbogen dieses interessanten und aufschlussreichen Interviews sucht im Abschluss, als es mit den Stichworten Comfort-Zone und Grenzüberschreitung um die Frage geht „Wer macht mit?“, nach einer Antwort. Die allerdings fehlt, bleibt nur ein Wunsch oder ein Appell. Kann es daran liegen, dass Querdenker auch immer „Dagegendenker“ sind. Viele Einzelne , vor allem viele Querdenker sind nicht von vornherein ein Team, bilden nicht nicht eine Form von Organisation, was über den Aspekt einer losen Gemeinschaft hinausgeht. Soziale Konsequenzen sind nie eindimensional! Gemeinsames Arbeiten ist etwas anderes als immer verständnisvoll und nett zueinander zu sein, kann zwar durchaus Respekt, Freundlichkeit, Sympathie einschließen. Aber die Lebensform Arbeit, ein Existenzial der Sorge (Heidegger), verlangt eine gewisse Stabilität, persönlich, sozial, zeitlich und also in der gemeinsamen Sache der Arbeit. Da kann es nicht nur um „Bauchentscheidungen“ gehen. Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit, verstanden als zwei der sozialen(!) Faktoren, müssen das Arrangement, die Organisation von Arbeit tragen. Und Personen werden dieses Arrangement in einer Suche nach einer Position zwischen Nähe oder Distanz immer wieder suchen, ausprobieren und dann konkret arrangieren. Die unterschiedlichen Haltungen jedes*r Einzelnen*er müssen sich um positiver sozialer Entfaltung oder Einschränkung willen bewähren dürfen. Das geht nicht immer gut, was beonders in kleinen Teams zu Spannungen führt, weil kein Rückzug in ein anders Projekt möglich ist. Dieses sehr kurz skizzierte Forderungsprofil eines totalen Engagements führt auch zu extrem hoher persönlicher, zeitlicher und sozialer Beanspruchung, Agilität und Zeitmanagement werden über die Lebensform Arbeit hinaus zu Merkmalen der sog. Work-Life-Balance, dringen ins Private. (vgl. Coser, 2005, Gierige Institutionen) Eine Lösung mag der 5-Stunden-Tag sein, den eine Bielefelder Firma praktiziert. Allerdings, Verabtwortliche(r) als Manager und Führer zu sein, ist vermutlich auch dort kein Job für fünf Stunden täglich. Die o.a. Fragen und kritischen Anmerkungen stellen sich ohnehin in Bereichen getakteter Produktion gar nicht oder nur vermittelt denen, die das Privileg besitzen, in Bereichen mit Vetrauensarbeitszeit und Vertrauensarbeitsort zu arbeiten. Fazit: Querdenken sollte also – das war die Intention der Anmerkungen – immer die Querbeziehung innerhalb von Möglichkeiten denken, die in der Spannung vom Erfolg beabsichtigter Konsequenzen und dem Scheitern unbeabsichtigter, unbekannter Folgen stehen.
    Für mich schließen sich Fragen nach dem WIE der Vemittlung von Quergedanken an. Und das lässt sich m.E. einüben.

  2. / von Anja Schlenk

    Vielen Dank für den Kommentar und die Impulse! Vielleicht liefert der Blogbeitrag von Anja Förster ein paar Ideen zum WIE: https://blog.creating-corporate-cultures.org/2019/01/18/rebels-at-work-tipps-fuer-organisationsrebellen/

  3. / von Katja Anclam & Franziska Weißbach

    Vielen Dank für Ihre Anmerkungen zu unserem Interview.
    Vielleicht ist es sinnvoll, unser Verständnis des Begriffs „Querdenkens“ deutlicher darzustellen. „Querdenken“ heisst für uns, relevante Themen wahrzunehmen, anzusprechen und darüber einen offenen Dialog mit den relevanten Playern zu initiieren. Einen Dialog, in dem Menschen die Situation, Möglichkeiten und unterschiedlichen Meinungen reflektieren, ein Bewusstsein füreinander entwickeln, eine klare Haltung formulieren und nächste Schritte vereinbaren. Also Dinge weiter denken und Impulse geben. Das ist dann die Grundlage für eine nachhaltige Veränderungen von Situationen, die uns Menschen nicht gut tun.
    Und gleichzeitig sollte Querdenken im beruflichen Kontext eine ganz klare Richtung haben, nämlich nach vorne im Sinne des Unternehmens. Denn nur wenn es gelingt unsere Unternehmen rechtzeitig für die bestehenden und zukünftigen Anforderungen auszurichten, können sie auch die Sicherheit bieten, die Sie zu recht einfordern.

    Wegschauen hilft nicht. Genauso wenig hilft es, die gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen zu ignorieren. Wir gemeinsam haben die Power, die Welt zu gestalten.

Kommentar verfassen