Unternehmenskultur

Unternehmenskultur auf dem Prüfstand

Was wir heute tun können, um eine agile Organisationskultur zu schaffen

Während der Pandemie erleben viele Firmen die Kultur in ihrer Organisation als Kraftquelle, die durch finanziellen Druck und physischen Abstand trägt. Eine wertvolle Erkenntnis. Hier können wir ansetzen, denn Organisationskultur, das sind wir. Um eine Unternehmenskultur zukunftsfähig und zum Nährboden für Agilität zu machen, reichen drei einfache Elemente.

Viele sind zurzeit im Homeoffice oder arbeiten verstärkt remote. Andere sind mit Themen wie Kurzarbeit konfrontiert oder arbeiten intensiv daran sich den aktuellen Herausforderungen der Pandemie zu stellen. Die physische Distanz ermöglicht uns dabei auch eine gedankliche Distanz, die uns hilft, Dinge klarer zu sehen und benennen zu können.

Wir erleben Firmen, die sich sehr schnell an die Gegebenheiten der Pandemie anpassen, ihr Geschäftsmodell umstellen, dort Mehrwert liefern, wo er gerade besonders gebraucht wird. Wir erleben wie Firmen, die eher als träge wahrgenommen werden, innerhalb weniger Wochen Remote Arbeit ermöglichen und neue digitale Kommunikationswege schaffen. Teams, die in der Krise neue Wege der Zusammenarbeit ausprobieren und dabei – trotz physischer Distanz – stärker zusammenwachsen.

In der Krise entdecken wir Stärken und decken Potenziale auf

Warum dies einigen so hervorragend gelingt, liegt daran, dass bestimmte Prinzipien und Haltungen in ihrer Kultur verankert sind oder gerade dabei sind, sich zu entwickeln. Dabei spielen wir alle eine entscheidende Rolle. Fahren wir morgens im Homeoffice unseren Laptop hoch, haben wir ein Gefühl im Bauch. Sorge und das Gefühl allein zu sein? Ein Gefühl der Lähmung, trotz guter Ideen, nichts umsetzen oder erreichen zu können? Oder Freude darauf und Neugier wie wir am heutigen Tag mit unserem Team interagieren, und welche Ideen wir ausbrüten und umsetzen können? Eingebunden sein in das Gesamtgeschehen in der Firma. Offen sprechen zu können und Unterstützung erfahren. Gehört zu werden und etwas tun, gemeinsam etwas erreichen zu können. Hier wollen wir stärker werden.

Wir merken gerade was möglich ist, wenn wir auf eine Unternehmenskultur hinarbeiten, die den Menschen unterstützt und Agilität ermöglicht.

Unternehmenskultur spielt in Veränderungsprozessen eine entscheidende Rolle

Die Empirie bestätigt das. Unternehmenskultur spielt eine ebenso große Rolle als Stellhebel in Veränderungsprozessen. Auch, wenn es um ein höheres Maß an Agilität geht. Wenn es darum geht, wie wir auf Herausforderungen am Markt reagieren, wie wir auf Kundenbedürfnisse eingehen, wie wir Ideen entwickeln, wie wir Dinge erledigen, wie schnell, flexibel und risikobereit wir sind, dann geht es um unsere Organisationskultur.

Ziemlich konstant – seit über zehn Jahren nun – geben Umfragen eine Antwort darauf, woran agile Transformationen scheitern: die Unternehmenskultur. Das gleiche gilt beim Einführen agiler Arbeitsweisen. Auch hier wird die Kultur als größtes Hindernis genannt. An Aktualität hat das Thema Kultur in Organisationen auch während der Pandemie nichts verloren. Im August dieses Jahres veröffentlichte McKinsey ein neues Survey, nach dem die Herausforderung eines kulturellen Wandels mehr als zweimal so häufig genannt wird als der Durchschnitt der übrigen fünf Topherausforderungen.

Nun wird das Thema Unternehmenskultur in der Organisation oft als etwas nicht so wirklich Greifbares abgetan, oder aber als Ausrede oder Entschuldigung genutzt („Das ist eben unsere Kultur hier.“, „Wir können unsere Kultur nun mal nicht von heute auf morgen ändern.“). Dabei ist Kultur nichts anderes als manifestierte kollektive Lernerfahrungen.

Der Fokus liegt auf uns. Denn wir sind Organisationskultur

So lange wir offen sind, Neues zu lernen und neue Erfahrungen ermöglichen und zulassen, entwickelt sich auch Kultur weiter. Und gerade jetzt in der Krise lernen wir.

Oft haben wir dennoch auch jetzt den Eindruck, dass Kultur statisch ist. Aber dem ist nicht so. Veränderung ist oft nur dann sichtbar, wenn wir ganz genau hinsehen. Oder wenn wir mit etwas Abstand darauf blicken. Zum Beispiel aus dem Homeoffice.

Die Potenziale, die in der Krise sichtbar werden und sich mobilisieren gilt es bewusst zu nutzen, um die Organisation in Richtung Zukunft zu entwickeln und eine agilitätsfördernde Unternehmenskultur zu schaffen. Dies gelingt leichter, wenn es einen Rahmen gibt, an dem wir uns orientieren können. Ein Modell, das uns gezielt in die Reflexion führt und eine Sprache für die gemeinsame Diskussion gibt. Ein solches Modell ist das TEC Modell (Puckett, 2020), welches den Code agiler Organisationskultur beschreibt.

Die Elemente einer agilitätsfördernden Kultur

Die drei Elemente des TEC-Modells sind: Transparency (Transparenz), Empowerment und Collaboration (Kollaboration).

Graphik: TEC-Modell

TRANSPARENZ ersetzt Befehlsempfang durch Mitdenken und Querdenken

Das erste Element des TEC Modell ist Transparenz. Es bildet die Grundvoraussetzung dafür, dass alle Mitarbeitenden mitdenken können und ihr Wissen, ihren Scharfsinn, ihr Gespür für den Markt und ihre Kreativität zielführend einbringen können. Augenhöhe und Vertrauen werden gefördert.
Die drei Aspekte von Transparenz:

  • Transparenz mit Informationen und Daten („Information“)
    Zugang zu Informationen und Daten ermöglicht strategisches Denken auf allen Ebenen. Informiertes Entscheiden ist allen möglich. Sie fördert Vertrauen und Diskussionen auf Augenhöhe durch gleichen Wissensstand.
  • Transparenz von Plänen und Absichten („Absicht“)
    Sind Pläne und Entscheidungen transparent, verschwenden Menschen keine Energie mehr damit, zu spekulieren. Wenn bekannt ist, was die Absichten hinter Plänen sind und welcher Sinnzweck und welche Mission hinter der Strategie steht, können Menschen kreativ werden. Wenn transparent ist, wo die Organisation hinwill und was ihre Motive sind, dann können Mitarbeitende Ideen und Alternativen entwickeln, um das Ziel zu unterstützen. Auch können Prioritäten entsprechend angepasst werden.
  • Transparenz von Ergebnissen und Wirkung der eigenen Arbeit („Effekt“)
    Motivation kommt auf, wenn Menschen sehen, dass Ihre Arbeit Wirkung hat, dass sie gesehen und geschätzt wird und sie durch ihr Schaffen einen Unterschied machen können. Feedback und ein mess- oder erfahrbar machen der Ergebnisse und Resultate der eigenen Arbeit ist essenziell. Es ermöglicht außerdem, die eigene Arbeit so zu optimieren und Situationen anzupassen, dass maximaler Mehrwert generiert wird.

EMPOWERMENT ersetzt Ausführen durch Gestalten und Wirken

Empowerment bedeutet, Menschen die Kontrolle über ihre Arbeit zurückzugeben. Als Meister der eigenen Arbeit können Teams sich so aufstellen, dass sie die Tätigkeiten bestmöglich ausführen können. Menschen werden zu Gestaltern, Teams funktionieren autonom und verbessern sich kontinuierlich selbst. Initiativen werden erdacht, ergriffen und selbstständig umgesetzt.
Das Element Empowerment besteht aus drei Aspekten:

  • Freiheit zum Adaptieren und Kreieren („Freiheit“)Anpassung ist in der modernen Organisation kritisch. Schnelle und flexible Anpassung an sich verändernde Marktumstände und Kundenbedürfnisse. Diese muss direkt an den Schnittstellen passieren, um sofortigen Effekt zu haben. Hierfür brauchen Teams den nötigen Handlungsspielraum. Um innovativ zu sein und kreative Lösungen zu finden, braucht es außerdem Freiraum zum (Quer-)Denken und Ausprobieren.
  • Empowerment zum (Selbst-)Führen („Befähigung“)
    Entscheidungen werden dort getroffen, wo Mitarbeitende mit ihrer Notwendigkeit konfrontiert sind – an der Schnittstelle nach außen. Die moderne Organisation lässt Teams nicht nur selbst entscheiden, wie und wann Arbeit erledigt wird, sondern auch selbst Prioritäten setzen und Ziele entwickeln. Anpassungen und Ideen werden so schnell und direkt eigenmächtig umgesetzt. Menschen ist es möglich, alle ihre Talente einzubringen, Arbeit zu gestalten.
  • Ownership mit der Tendenz zum Handeln („Ownership“)
    Unternehmerisches Denken und Handeln wird durch End-to-End Verantwortung für Vorhaben gestärkt und durch die Möglichkeit eigener Ideen und Initiativen inspiriert.

KOLLABORATION ersetzt Silos durch Vernetzung und Schlagkraft und ermöglicht Wachstum

Durch Transparenz und Empowerment werden Kräfte der Organisation freigesetzt. Durch Kollaboration werden sie gebündelt. Die Erfahrungen, das Wissen und die Ideen einzelner kommen allen zu Gute und wachsen durch den Austausch.
Das Element Kollaboration umfasst drei Aspekte:

  • Zusammenarbeit über Austausch und Teilen („Mit-Teilen“)
    Die vernetzte Lösung fordert vernetzte Köpfe. Die innovative Lösung fordert, altes Wissen neu zu kombinieren. Die Lösung komplexer Probleme fordert den Einbezug unterschiedlicher Perspektiven. Hierfür braucht es Austausch.
  • Zusammenarbeit über Beiträge und Flexibilität („Beitragen“)
    In der modernen Organisation fokussieren sich die Menschen nicht darauf, eine bestimmte Jobrolle auszufüllen, für die sie bis auf den letzten Punkt definieren, welche Aufgabe dazu gehört und welche nicht und wen sie mit ihrer Arbeit unterstützen und wen nicht. Diese Energie wird in die Frage umgeleitet, wie man seine Talente und Fähigkeiten so einsetzen kann, dass man damit den größtmöglichen Mehrwert stiftet. Mit dem, was man am besten kann und dort, wo es gerade am meisten gebraucht wird. Hieran wird man gemessen.
  • Zusammenarbeit über gemeinsames Lernen und Wachsen („Lernen“)
    Nur wo Mitarbeitende gemeinsam lernen, lernt die Organisation. Im Fokus steht ein gemeinsames Vorankommen und Wachsen. Dafür wird offen auch über Fehler gesprochen, Feedback geteilt und gemeinsam werden neue Wege ausprobiert.

Agilität können wir. Wir müssen es nur dürfen

Im TEC-Modell geht es im Grunde um Handlungsfähigkeit auf allen Ebenen der Organisation:

  1. Haben wir alle Informationen, die wir brauchen, um strategische und taktische Entscheidungen zu treffen? Haben wir freie Sicht auf den Kunden und/ oder die Wirkung unserer Arbeit, sodass wir uns daran ausrichten können?
  2. Dürfen wir die entsprechenden Entscheidungen selbst treffen und haben wir den notwendigen Freiraum, um unser Bestes geben zu können?
  3. Haben wir Unterstützung und Möglichkeiten, über Zusammenarbeit noch mehr zu erreichen und gemeinsam zu wachsen?

Intuitiv, oder? Fremd ist uns TEC sicher nicht, wenn wir mal an gelungene eigene, vielleicht private Vorhaben denken. Deshalb müssen wir auch nicht unser „Mindset“ ändern. Wir müssen auch nicht umlernen. Wir „können“ Agilität seit Kindesbeinen. Anders hätten wir kaum Laufen gelernt. Wir müssen es also nur tun.

Und dafür müssen wir die Organisation verändern. So, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die uns inspirieren. Nicht einschränken.

 


Quellen:

Jurisic, N., Lurie, M. Risch, P. & Salo, O. (2020). Doing vs being: Practical lessons on building an agile culture. McKinsey.com. August 4, 2020.
Puckett, S. (2020). Der Code agiler Organisationen – Das Playbook für den Wandel zur agilen Organisationskultur. BusinessVillage Verlag.



Kommentare

  1. / von Bernard Marmann

    Ausgezeichnet, sehr gutes Modell. Klarheit und Struktur die es ermöglicht Agilität greifbarer darzustellen ohne in ein Korsett zu verfallen. Gefällt mir.

    1. / von Dr. Stefanie Puckett
      zu

      Vielen Dank für den Kommentar, freut mich sehr, dass das Modell hilfreich ist!

  2. / von Dr. Joachim Bußmann

    Sehr geehrte Frau Puckett,
    Sie schreiben: Unternehmenskultur sind wir:“ Das sehe ich auch so, nur auf allen Hierarchieebenen, vom Top-Management bis zur Basis und umgekehrt.
    Der Mensch muss auf allen Ebenen im Unternehmen mitgenommen werden.
    Der Aufbau einer Unternehmenskultur ist eine komplexe und schwierige Führungsaufgabe. Ihr TEC-Modell zeigt viele wichtige Ansatzpunkte auf.
    Können, wollen und dürfen heißt die große Aufgabe! Das Schreiben ist das Eine,
    das Machen ist das Schwierigere.
    Beste Grüße
    Dr. Joachim Bußmann

    1. / von Dr. Stefanie Puckett
      zu

      Lieber Herr Dr. Bußmann,
      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ja, das ist richtig – schreiben ist (einigermaßen) leicht, machen schwer. Erlebe ich auch… Freut mich aber, dass Sie im Modell wichtige Ansatzpunkte finden. Und danke für den wichtigen Hinweis: es gehören alle Ebenen dazu. Manches im TEC-Modell braucht auch einfach die Initiative von oben, für Rahmenbedingungen, die von oben gestützt sein müssen.
      Beste Grüße
      Stefanie Puckett

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