Querdenker oder Quertreiber?
Warum Eigeninitiative ein Plus an Verständnis braucht
Bereits in den 1990er-Jahren wurde er beschworen: Der Unternehmer im Unternehmen, also der Mitarbeiter, der aktiv mitdenkt, proaktiv handelt und frischen Wind in die Organisation bringt. Klingt gut, aber warum hat sich dieser Leitgedanke in der Praxis bis heute so wenig durchgesetzt?
Eine mögliche Erklärung dafür liefert eine Studie der Florida State University ¹. In einer Studienreihe mit mehr als 500 Teilnehmern wurden der Grad der Eigeninitiative, die Performance im Job, das Klima im Unternehmen und der soziale Scharfsinn der Beschäftigten im Zusammenhang analysiert. Dabei wurde „sozialer Scharfsinn“ definiert als „die Fähigkeit, Emotionen und Absichten von Kollegen wahrzunehmen, und diesen bei der eigenen Kommunikation Rechnung zu tragen“. Das überraschende Ergebnis: Ein die Eigeninitiative förderndes Klima im Unternehmen führt nur dann zu einer besseren Performance, wenn die Mitarbeiter auch über einen ausgeprägten sozialen Scharfsinn verfügen! Fehlt diese Sozialkompetenz, kann sich Eigeninitiative sogar eher negativ auf die Jobperformance auswirken.
Der Grund dafür aus Sicht der Forscher: Proaktives Verhalten einzelner Mitarbeiter wird von Kollegen und Chefs oft als störend oder unpassend empfunden und kann so Widerstände auslösen. Das ist dann der Fall, wenn die Eigeninitiative in einem ungünstigen Moment gezeigt oder unsensibel vorgebracht wird. Daraus leiten die Forscher folgenden Rat ab: Unternehmen sollten die Förderung der Eigeninitiative mit Trainingsmaßnahmen kombinieren, in denen das soziale Geschick der Mitarbeiter geschult wird.
Ideen müssen verständlich gemacht werden
Diese Studie macht deutlich, was viele Führungskräfte, Mitarbeiter und Verkäufer immer wieder erleben: Es nützt nichts, recht zu haben. Wir müssen Mittel und Wege finden, die Dinge, die wir für richtig halten, so zu kommunizieren, dass wir auch andere davon überzeugen. Das bedeutet vor allem, dass wir die individuelle Wirklichkeit unseres Gesprächspartners berücksichtigen und unsere Kommunikationsstrategie darauf abstimmen.
Im Management und insbesondere bei der direkten Mitarbeiterführung spielen deshalb Motivation, Engagement und Leistungsbereitschaft der einzelnen Teammitglieder eine zentrale Rolle. Grundsätzlich kann man andere Menschen nur dann motivieren (oder Demotivation vermeiden), wenn man sie nicht nur rational, sondern vor allem nachempfindend versteht. Aus diesen Gründen gilt Empathie heute als wesentlicher Bestandteil von Führungskompetenz. Viele Unternehmen haben diese Herausforderung aber noch gar nicht auf dem Schirm. Obwohl fast zwei Drittel der Unternehmen den Fachkräfte-Engpass als zunehmendes Problem in den nächsten Jahren sehen, versuchen sie vor allem, ihr Personalmarketing zu verbessern – um mit viel Aufwand neue Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen, die dann durch schlechte Führung und Probleme im Team wieder rausgeekelt werden.
Gefahr erkannt — und nun?
Aber was können Unternehmen tun beziehungsweise wo sollten sie konkret ansetzen? Um diese Frage ging es im „Bundesworkshop Gute Führung“, der im September 2015 parallel an fünf Standorten in Deutschland mit mehr als 400 Teilnehmern stattfand.“
„Die Ergebnisse zeigen zwar ein differenziertes Bild, das aber trotz vieler Facetten eine klare Richtung zur Verbesserung der Führung und Zusammenarbeit aufzeigt: „Empathie“ zieht sich als Schlüsselkompetenz für erfolgreiche Führung wie ein roter Faden durch die Liste! Statt also alle Mitarbeiter gleich zu behandeln, müssen Führungskräfte lernen, ihre Mitarbeiter motivorientiert zu führen. So können unnötige Reibereien und Konflikte vermieden und auch bei bereits hoher Arbeitsbelastung die Motivation und Leistung gesteigert werden.“
Von Einstein stammt der Ausspruch: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten“ – genau das tun aber viele Führungskräfte. Statt stärker zu individualisieren und zu differenzieren, wird starrsinnig auf gewohnte Methoden, Verfahren und ein „Das muss doch klappen!“ gesetzt – tut es aber nicht. Für eine „Gute Führung“ brauchen Führungskräfte die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale anderer Menschen zu erkennen, zu verstehen und darauf einzugehen – also Empathie!
Es reicht nicht mehr, sich an einem Führungsstil zu orientieren, der dann für alle Mitarbeiter „passen soll“. Je eher Vorgesetzte diese neuen Handlungsmuster erkennen und annehmen, desto leichter wird es Ihnen gelingen, ein Team aus aktiv mitdenkenden und proaktiv handelnden Mitarbeitern zu formen und zu führen.
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Quelle
¹ „O. Verf.: Eigeninitiative braucht sozialen Scharfsinn. In: managerSeminare /H. 203, Februar 2015.“
Kommentare
Korrekt! Nur das Zusammenspiel vieler Faktoren kann eine Änderung zum Gutes des gesamten Organismus führen.
Danke für das Feedback! Nach mehr als 20 Jahren Unternehmensberatung habe ich immer mehr das Gefühl, dass sich die alten Ansätze der Organisations-Optimierung mit damit verbundenen Ab-Teilungsdenken rächen … ein Kickertisch macht eben noch keine New-Work-Organisation 😉
Lieber Ralf, Deine Ausführungen haben mir sehr gut gefallen. Überzeugend gut präsentiert. Danke.
Vielen Dank, lieber Manfred!
Lieber Ralf, das sehe ich auch so und würde mich freuen wenn es überall so gelebt wird. Ich kenne sowohl die einen wie auch die anderen Führungskräfte.
Lieber Jens,
Danke für das Feedback – wir arbeiten daran 😉