Menschlichkeit und Identifikation ins Unternehmen bringen

Auf dem Camp Q – Der Leadership Konferenz für Querdenker haben sich die Teilnehmer der Veranstaltung am 4. Mai 2018 intensiv über die neue Arbeitswelt ausgetauscht. Dabei ging es auch um die wichtigsten Voraussetzungen für das andere Arbeiten. Zum New Work und Digital Leadership gehören die richtigen Plattformen für den Austausch untereinander dazu, meint Dr. Tobias Preising, Partner bei Ernst & Young (EY), eines der größten weltweit agierenden Beratungsunternehmen. Dr. Tobias Preising ist ebenfalls Alumnus der Executive Trainings von Creating Corporate Cultures. Er weiß, wie wichtig gerade auch der informelle Austausch auf einer internen digitalen Plattform ist. Seiner Ansicht nach funktioniert das New Work in einem Enterprise 2.0 nur, wenn es dafür gute Rahmenbedingungen und Vorbilder gibt. Wer diese als Beratung nicht anbietet, verliert heutzutage sehr schnell beim Recruiting neuer Consultants.

 

Gibt es schon so etwas wie New Work bei euch?

Auf jeden Fall. Wir sind ein traditionelles, klassisches Unternehmen in der Beraterbranche. Seit Jahren verabschieden wir uns beispielsweise immer mehr von festen Büros und setzen stattdessen auf Open Space, flexible Arbeitszeitmodelle, von Teilzeitmodellen bis hin zu Homeoffice und flexiblen Regelungen. Dabei versuchen wir alles umzusetzen, von dem wir denken, dass es unseren Mitarbeitern die Arbeit erleichtert.

Was heißt Digital Leadership für dich in diesem Kontext?

Ich würde das in Leadership und Digital trennen. Leadership heißt für mich, Menschlichkeit und Identifikationsfläche ins Unternehmen zu bringen und dabei zu versuchen, die Hierarchien klein zu kriegen, Mitarbeiter zu motivieren und mitzuziehen. Auf diese Weise soll deutlich werden, ich bin ein Teil von euch und das nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in der Öffentlichkeit. Das wird sehr gut durch digitale Plattformen unterstützt. Deswegen heißt Digital Leadership für mich, dass ich für all das, was Leadership ausmacht, digitale Medien nutze.

Sind die Hierarchien weniger geworden, dadurch, dass ihr New Work macht?

Das kann man so und so sehen. New Work ist immer auch ein Change-Prozess. Das geht nicht ohne Reibungen, aber die positiven Effekte überwiegen bei uns absolut. Wenn ich bei Bewerbungsgesprächen nachfrage, warum die Bewerber bei uns sitzen, kommt immer: Zum Image von EY gehört eine große Flexibilität. EY geht sehr gut auf Mitarbeiterwünsche ein und ermöglicht es, auf moderne Art und Weise zu arbeiten. Aber auch unser eigenes Team gibt uns viel positive Rückmeldung, weil wir quasi grenzenlos Homeoffice und flexibles Arbeiten ermöglichen. So etwas wird von allen superpositiv aufgenommen.

Ihr habt sicherlich ein internes Netzwerk zur Kommunikation?

Wir wollen wegkommen von dem, was man früher im Unternehmen immer per E-Mail gemacht hat. Bei uns ist die Antwort darauf Skype sowie das Microsoft-Tool Yammer, welches wir im Prinzip als unser internes Twitter nutzen. Intern funktioniert bei uns inzwischen sehr viel über diese prägnanten Kurznachrichten.

Wie habt ihr es geschafft, dass das möglichst viele Mitarbeiter nutzen und nicht wieder zu E-Mail zurückkehren?

Das funktioniert nur über eigene Botschafter richtig gut. Deshalb leben wir es als Partner vor. Für ein internes Netzwerk muss man immer die Werbetrommel rühren und zeigen, dass es Sinn und auch Spaß macht. Freude und Spontanität sollen darüber ins Arbeitsleben gebracht werden. Um so etwas zum Laufen zu bringen, muss man relativ viel Zeit investieren, ein Selbstläufer ist so ein Enterprise 2.0 eigentlich nie.

Wie sieht es bei euch aus, wenn jemand in der digitalen Welt Fehler macht? Wie geht ihr damit um?

Wir haben dafür Guidelines, in denen steht, auf was man achten sollte, wenn man sich in der Öffentlichkeit für EY äußert. Meine persönliche Meinung hierzu lautet, dass man nichts in einem Medium veröffentlichen sollte, das gegen unsere Werte verstößt. Aber was mich als Botschafter, als Persönlichkeit ausmacht, ist doch auch, dass ich mal was sage, was nicht bis ins letzte Wort durchdacht ist. Schau dir Interviews an mit Fußballern. Wer will heutzutage ein Interview mit Fußballern hören? Die sind oft viel zu glattgezogen! Viel interessanter ist es doch, wenn jemand mal etwas sagt, das provokant wirkt, selbst auf die Gefahr hin, dass man hinterher denkt, Mensch, mit meiner Meinung lag ich wohl doch daneben.

Wie viele persönliche Informationen werden bei euch über Yammer abgebildet? Passiert das überhaupt, dass man die ganze Persönlichkeit eines Kollegen dort kennenlernt, sich auch privat dort organisiert oder wird Yammer überwiegend beruflich genutzt?

Das hat beruflich sicher angefangen, aber man kann heutzutage Beruflich und Privates nicht mehr voneinander trennen. Es macht auch keinen Sinn mehr, diese Lebenssphäre voneinander zu trennen. Ein Unternehmen will darüber hinaus ein Gemeinschaftsgefühl kreieren. Das klappt nicht, wenn jemand seine Persönlichkeit außen vorhält, deswegen kommt das Persönliche mehr und mehr vor.

Wie motiviert EY Mitarbeiter, die das alles noch nicht kennen und vielleicht nicht den Mut dazu haben?

Wir leben es vor. Ich versuche unsere Mitarbeiter daran zu gewöhnen. Idealerweise unterstützen sich unsere Mitarbeiter gegenseitig und helfen einander, sich auf neuen Plattformen zurechtzufinden und dort ihre Meinung zu publizieren. Eine gewisse Übung gehört einfach dazu. Hierbei ist das Vieraugenprinzip immer sehr hilfreich.

Du hast vorhin auch gesagt, dass es Markenbotschafter oder Botschafter gibt, die Vorbilder sind und dafür sorgen, dass andere dazu motiviert werden, Yammer stärker zu nutzen. Wie stark müssen die Botschafter dazu ihre Persönlichkeit zeigen?

Markenbotschafter sind bei uns diejenigen, die ganz oben stehen in der Organisation. Da tritt der reine Arbeitsaspekt oft in den Hintergrund. Viel entscheidender ist es, dass solche Menschen im Unternehmen über solche Plattformen auch als Persönlichkeit, als ganzer Mensch, wahrgenommen werden. Für den Erfolg eines internen Networks ist es wichtig, dass sehr viel davon einen persönlichen Touch hat.

Geht es auch darum seine Kompetenz zu zeigen? Zu zeigen, dass man Wissensträger ist? Und letztendlich auch darum Tipps zu geben oder Antworten zu liefern zu dem, wo andere Probleme haben?

Ja, Tipps und Antworten gibt es in verschiedenen Yammer Gruppen, in denen Kollegen sich über alle möglichen Themen austauschen können. Beispielsweise: Wie verhält man sich in bestimmten Situationen? Wie habe ich bestimmte Probleme gelöst? Die Themen können fachlich sein, z.B. zu Innovations- oder Technologiethemen, aber auch sehr persönlich. Bei  diesen eher persönlichen Dingen auf Yammer geht es hingegen mehr darum zu zeigen, ich gehöre zu EY, ich bin jemand von euch und ich bin für euch erreichbar.

Also spielt sowohl Teambuilding, als auch Wissensvermittlung eine Rolle. Sollen die Mitarbeiter zudem insgesamt sichtbarer werden in der digitalen Öffentlichkeit?

Die digitale Öffentlichkeit ist für uns von enormer Bedeutung. Deshalb haben bei uns besonders die Meinungsäußerungen oder Publikationen auf LinkedIn zugenommen. Vor einigen Jahren spielte das bei Führungskräften noch keine Rolle. Mittlerweile gibt es keinen von unseren Führungskräften, die für bestimmte Dinge stehen, die sich nicht regelmäßig auf LinkedIn zu Themen äußern. Das sind nicht immer Fachartikel, sondern manchmal einfach Meinungsäußerungen zu ihren Kernthemen. Sie greifen dazu andere Beiträge auf oder geben „Inspiring thoughts“ – einfach um sich mitzuteilen zum Beispiel zu einer Veranstaltung wie dem Camp Q.

 



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