Keine Angst: Die Mut-Dividende zahlt sich aus!
Der nachstehende Blogbeitrag erscheint im Rahmen unserer Blogserie zum Camp Q 2019:
Es scheint, als fehlten Unternehmen die richtigen Riecher für das, was Top-Arbeitskräfte am Arbeitsumfeld reizt. Mitarbeiter rekrutieren, motivieren und langfristig zu halten, erweist sich für Arbeitgeber als immer größere Herausforderung. Neue Lösungen in der Kommunikation wie Usability Tests oder Speed Dating, raus aus der reinen Unternehmer-Denke hinein in die Köpfe der zukünftigen Mitarbeiter – das ist zu einem echten High Stake für Führungskräfte geworden. Das erfordert Kreativität, die passenden Impulse – und auch eine gehörige Portion Mut.
An dieser Stelle wird dann gerne der österreichische Bundeskanzler (1983-1986) Fred Sinowatz zitiert. Bis heute wird sein bekanntester Sager meist von einem Lächeln begleitet, verbunden mit einer Art Stoßseufzer, dass halt doch was Wahres dran sei: „Es ist alles sehr kompliziert!“ Mit diesem Satz ging er in die Geschichte ein – als eines der frühen Opfer einer unlauteren Verkürzung. Denn in der Langversion klingt seine Aussage deutlich weniger schlicht – und absolut zeitgemäß: „Ich weiß, das alles ist sehr kompliziert, so wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns entfalten wollen. Haben wir daher den Mut, mehr als bisher auf diese Kompliziertheit hinzuweisen; zuzugeben, dass es perfekte Lösungen für alles und für jeden in einer pluralistischen Demokratie gar nicht geben kann.“
Sinowatz forderte Mut ein: Mut, sich auch mal un- oder halb wissend zu zeigen; Mut, auch nicht perfekte Lösungen als ersten Schritt gelten zu lassen. Bei genauerer Betrachtung trifft er damit ziemlich ins Schwarze – wenn man darüber nachdenkt, was heute die eigentliche Aufgabe von Führungskräften ist.
Was muss Führung heute können?
Führungskräfte stehen heutzutage tatsächlich vor einer komplexen Situation: neue Konkurrenten bzw. technische Entwicklungen fordern bislang erfolgreiche Geschäftsmodelle heraus; anspruchsvolle Kunden erwarten individualisierte, maßgeschneiderte Angebote auf Knopfdruck; junge Mitarbeiter kann man nur bedingt mit finanziellen Goodies abspeisen; ältere Mitarbeiter haben Angst vor Veränderung und nehmen ihr Wissen und ihre Erfahrung in den (oft vorzeitigen) Ruhestand mit. Wie können Chefs die richtigen Mitarbeiter finden und halten? Was tun mit (langjährigen) Kollegen, die sich auf das neue Umfeld zum Teil nur schwer einstellen können? Und kann man mit einer so diversen Mannschaft alle auf ein Ziel einschwören und zu Leistung motivieren?
Eine/r muss den Haufen zusammenhalten – das wird immer notwendiger und ist keine triviale Aufgabe. „Cohesive Leadership“ nennt das Trendforscher und Arbeitswelt-Experte Franz Kühmayr, der im Schaffen und Stärken von Zusammenhalt die dringlichste Aufgabe von Führungskräften sieht – auch als Gegenbewegung zur immer stärker werdenden Fragmentierung und Individualisierung unserer Gesellschaft. Doch wie können inhomogene Belegschaften eine Gemeinschaft werden? Kühmayr plädiert hier für die Anwendung des PEP-Prinzips: Purpose, Education, Participation – Sinn, Bildung, Teilhabe.
Es geht also nicht mehr ausschließlich um Gewinnmaximierung und Eigeninteressen. Sondern eben auch darum, dass möglichst viele von den Aktivitäten eines Unternehmens profitieren und es möglichst vielen besser geht. Wer als Führungskraft dies forciert, wird schnell in die Ecke „weltfremd“ oder „Gutmensch“ gedrängt – da braucht es Mut, um sich dagegen zu stemmen.
Bildung schafft Zusammenhalt – nur dann erhöhen sich die Chancen für den einzelnen, nur dann wird Umgang mit Komplexität zu bewältigen sein. Ein lernendes Unternehmen, in dem Weiterbildung integraler Bestandteil der Unternehmenskultur ist, wird insgesamt agiler und innovativer. Sich hinzustellen und auch von sich selbst zu sagen, dass man noch lange nicht „ausgelernt“ hat, erfordert Mut – Mut, Schwächen und Defizite einzugestehen.
Ohne Teilhabe wird Zusammenhalt nicht gelingen. Und zwar echte inhaltliche Teilhabe, die über die finanzielle Beteiligung am Unternehmenserfolg hinausgeht. Eine Führungskraft muss schon einiges an Selbstbewusstsein und Mut mitbringen, strategisch und gestalterisch Macht abzugeben und die Mitarbeiter wirklich mitreden zu lassen.
Kann man Mut lernen?
Harry Gatterer, Trendforscher am Zukunftsinstitut, rät, Mut weniger groß und dramatisch zu sehen. Mut ist eine zutiefst persönliche Angelegenheit – für den einen erfordert es schon ziemlich viel Mut, vor der Familie ein Ständchen zu bringen, der andere wird erst bei der Besteigung einer Kletterwand in Sachen Mut herausgefordert. „Im Kern bedeutet Mut die Überwindung einer bislang für sich selbst gesetzten Grenze. Das Überschreiten von Grenzen, seien sie noch so klein, bedingt diese mutige Form eines mentalen Möglichkeitsraums: Selbst, wenn alle es anders machen – was wäre, wenn ich dennoch recht habe mit meiner Vorstellung?“
Führungskräfte können und sollen dazu ermutigen, diesen Möglichkeitsraum auszuprobieren, sich mal aus der Deckung zu wagen und auch etwas noch nicht ganz Ausgereiftes zu präsentieren. Wer das probiert und zulässt, wird feststellen: Mut ist ansteckend! Wenn sich das Mut-Virus einmal ausgebreitet hat, dann werden die Auswirkungen in vielerlei Hinsicht spürbar: in einer positiven Fehlerkultur, in einem Überwinden des Silodenkens, in größerer Eigen- und Mitverantwortung der Kollegen. Die Mut-Dividende zahlt sich also aus – dafür kann man schon ein wenig Angst riskieren…
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