Generationen-Miteinander | 3 – Lebensstil versus Altersgruppe – was hat mehr Aussagekraft? „Und wie lebst du so?“

In Unternehmen arbeiten mittlerweile bis zu vier Generationen zusammen – Generationen mit unterschiedlichen Wünschen und Erwartungen, mit verschiedenen Führungsverständnissen und Arbeitseinstellungen. Welche Konflikte entstehen daraus? Und wie gelingt ein gutes Miteinander? Ein Workshop der Bertelsmann Stiftung hat das Thema aufgegriffen. Unsere innovative Idee: Die Teilnehmenden des Workshops brachten jeweils eine zweite Person einer anderen Generation mit. Das Ziel: endlich miteinander statt übereinander zu reden. Worüber wir genau gesprochen haben, erfahren Sie in unserer Blog-Serie. Wir freuen uns, wenn Sie mitdiskutieren und Ihre Erfahrungen mit uns und anderen teilen.

Weiter geht’s mit dem Thema: „Lebensstil versus Altersgruppe – was hat mehr Aussagekraft? „Und wie lebst du so?““

Es gibt 50-jährige so genannte Neo-Hippies, die ihren Urlaub auf Goa verbringen und ihr Wochenende beim Musikfestival. Und es gibt 25-jährige Performer, bei denen Leistung im Job an allererster Stelle der Werteskala steht. Unsere Altersbilder stimmen nicht mehr – der Lebensstil verbindet Menschen heutzutage über alle Altersgruppen hinweg stärker als das Lebensalter. Was bedeutet das für die Arbeitswelt?

Was haben Dirk Roßmann und Udo Lindenberg gemeinsam? Beide wurden 1946 geboren und gehören damit der Generation Babyboomer an. Beide entdeckten ihre Talente sehr früh und mussten im Nachkriegsdeutschland dennoch ganz schön ackern, um ihren Weg zu gehen. Beide sind erfolgreich, verdienen gut, bauen ihr Business ständig aus und bleiben dabei ihrer Anfangsidee treu. Doch vom Lebensstil her könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Während Udo immer noch als Rocker im Hotel wohnt und sich nicht um Besitz schert, hat Dirk Roßmann in den letzten 60 Jahren sein Familienunternehmen auf über 2.100 Filialen der Drogeriemarktkette ausgebaut.

Nicht nur Prominente lassen sich heute nicht mehr in feste Raster ihres Alters quetschen. Wir alle entscheiden individueller, welchen Lebensstil wir pflegen – und zwar zunehmend unabhängig vom Alter. Das fand auch das Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main heraus: Lebensstile sind heute viel prägender für die Werte und das Handeln der Menschen als die Lebensjahre.

Noch vor 50 Jahren konnte man einen gewissen Lebensstil ziemlich treffsicher an einer bestimmten Altersgruppe festmachen. Die Hippies waren um die 20, hatten wenig Geld und liebten die Freiheit. Familienmenschen waren zwischen 25 und 45, hatten im Idealfall Ehepartner, Haus, mindestens ein Auto und zwei Kinder. Senioren ab 65 hatten viel Zeit und viele Hobbys. Heute sind Interessen und Neigungen altersunabhängig. Der 50-jährige Reisefreak, Surfer oder Computer-Nerd teilt mitunter mehr mit einem 25-jährigen Gleichgesinnten als mit einem Kleingärtner, Beamten oder Klassikfan in der eigenen Altersgruppe. Was heißt das für das Miteinander der Generationen? Die Altersgrenzen verschwinden – und wir sollten uns darauf einstellen, uns neu und unabhängig vom Geburtsjahr zu begegnen.

Welchen Lebensstil pflegen Sie?

Wie ist es bei Ihnen? Legen Sie Wert auf ein gutes Gehalt? Und dass dieses regelmäßig steigt? Dafür setzen Sie sich ehrgeizige Ziele? Konzerte und Kultur, stilvolles Wohnen und Reisen – das alles ist für Sie wichtig? Dann pflegen Sie einen Lebensstil, den Zukunftsforscher als „Multi-Performer“ beschreiben. Früher war das vor allem der Mittfünfziger. Heute findet man ihn unter Endzwanzigern genauso wie bei doppelt so alten Menschen.

Oder sind Sie eher ein Neo-Hippie, also jemand, der sich bewusst darüber ist, dass wir nur einmal leben – und für den im Alltag Freude, Gemeinschaft und Genuss nicht zu kurz kommen dürfen? Im Job legen Sie viel Wert auf das gute Miteinander im Team. In Ihrer Freizeit pflegen Sie Netzwerke und Freundschaften, lieben Konzerte und Events aller Art. Viele Neo-Hippies sind zwischen 20 und 30 – aber es gibt auch viele, die eine Generation früher geboren wurden.

Treffen sich zwei Neo-Hippies …

Soziodemografische Variablen wie Alter, Familienstand oder Einkommen haben ihre Aussagekraft verloren. Viel besser sei es zu erfragen, wie Menschen ihr Leben leben und was ihnen dabei wichtig ist, sagen die Trendforscher vom Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main. Es ist eine bestimmte Gestimmtheit, ein Kanon von Werten und Fähigkeiten, die in einem Lebensstil Ausdruck finden – und die verbindet.

Multi-Performer begegnen sich zufällig bei einer Ausstellungseröffnung und sitzen zu Hause auf dem gleichen Design-Sofa. Neo-Hippies treffen sich unabhängig vom Alter auf einem Event, schwärmen vom gleichen Restaurant oder mögen die gleichen Urlaubsorte. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich innerhalb eines Lebensstils versteht, dass man ähnliche Erfahrungen mit der Umwelt macht, ähnliche Dinge wichtig und richtig findet, ist groß. Genau hier liegt eine große Chance für ein neues Miteinander der Generationen: Wenn wir in der Begegnung mit anderen eher auf den Lebensstil als auf das Alter fokussieren, werden wir mehr Verbindendes als Trennendes erkennen – eine gute Basis für ein wertschätzendes Miteinander über alle Altersgrenzen hinweg. Probieren Sie es aus!

Zitate

„Ich würde sagen, die grundsätzliche Haltung ist unabhängig von der Generation. Man kann schauen: Wie offen bin ich für Veränderungen? Wie offen bin ich für Neues? Wie offen bin ich für persönliche Weiterentwicklung? Und immer wird man genauso Ältere wie Jüngere finden, die da eine ähnliche Haltung haben. Allerdings ist es wohl eine Kunst, die Lust auf Neues oder Veränderung zu entfachen. Manchmal holen Unternehmen vielleicht einfach die Jüngeren besser ab als die Älteren.“

„Ich nehme mit: Pauschal gehören wir aufgrund unseres Alters gar keiner Generation an. Man hat von allen typischen Zuweisungen an die Generationen ein bisschen was. Es lohnt sich deshalb zu schauen: Warum verhält sich jemand so oder so? Was ist ihm wichtig? Was treibt ihn an? Ich denke, damit kommen wir viel weiter als mit den Altersstereotypen.“

Zum Weiterlesen

Lebensstile Zukunftsinstitut
https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/dossier-lebensstile/


#Unternehmenskulturpraktisch

Quergedacht:

  • Wenn Sie an Ihr Team denken – welche Lebensstile herrschen dort vor? Welche Hobbys und Interessen verbinden Ihre Mitarbeiter vielleicht auch über die Generationen hinweg? Diese „Querverbindungen“ über die Altersgruppen hinweg können eine gute Basis für ein Gefühl von Gemeinsamkeit schaffen, das unnötiges Konkurrenzdenken oder Vorurteile abbaut.
  • Schaffen Sie Momente, in denen Ihr Team sich eher privat begegnet – und etwas über den Lebensstil des anderen erfährt. Das kann ein Teamfrühstück sein, auf dem Sie selbst etwas von sich erzählen. Es kann auch ein gemeinsames Event sein.

„Weitere Informationen zur Blog-Serie „Generationen-Miteinander“ finden Sie hier https://creating-corporate-cultures.org/de/themen/fuehrung-und-vielfalt/generationenmanagement/“.

 

Mitarbeit/Coautor: Carola Kleinschmidt, Journalistin und Trainerin mit Schwerpunkt Älterwerden im Beruf.

Hier können Sie diesen Beitrag als PDF herunterladen.


Schreiben Sie uns (E-Mail: Katrin.Helena.Ernst@bertelsmann-stiftung.de) von Ihren Erfahrungen! Wir sammeln Anregungen zu dem Thema und greifen sie (natürlich anonymisiert) in weiteren Blogbeiträgen auf.



Kommentare

  1. / von Martin Spilker

    Vielleicht wird es noch komplexer, wenn man bedenkt, dass man auch innerhalb einer Woche oder eines Tages sein Profil wechselt: mal Multi-Performer, mal Neo-Hippie? Auf jeden Fall eine gewaltige Herausforderung für Führung und HR, auf eine derartige Heterogenität zu reagieren. Mit den Standard-Programmen kommt HR hier nicht weiter – es braucht eine individualisierte Personalentwicklung. Und am Ende auch vielleicht auch eine Herausforderung für den Kollegenkreis bei der Abstimmung untereinander?

  2. / von Christine Radomsky

    Ja, das kalendarische Alter taugt längst nicht mehr als Unterscheidungsmerkmal von Menschen am Arbeitsplatz. Inzwischen ist aus mehreren Studien bekannt, dass individuelle Unterschiede zwischen Menschen bedeutend größer sind als die zwischen Altersohorten. Warum ist es dennoch immer noch Mainstream, Menschen in Kästchen zu sortieren? Ich sage nur „Generationenmanagement“… Stimme Martin Spilkers Kommentar zu: „Es braucht eine individualisierte Personalentwicklung“. Und wenn wir schon Menschen gruppieren wollen, überzeugen mich bisher am meisten die sieben „Wertewelten“, die eine repräsentative Studie zur Arbeit in Deutschland ausgemacht hat (nextpractice GmbH im Auftrag des BAMS). Werte, Bedürfnisse und Vorlieben am Arbeitsplatz gehen weit über Lifestyle hinaus. Danke für den anregenden Blogpost.

    1. / von Helena Ernst
      zu

      Wir danken für den wunderbaren Hinweis auf die „Wertewelten“! Es unterstützt unser Credo der kontinuierlichen Reflektion – auch über unsere Werte. Wir sprechen in der Tat auch lieber vom Generationen-Miteinander als vom managen. Und die Sache mit den Kästchen liegt in uns Menschen – wir müssen uns nur dessen immer wieder bewusst sein. Dann geht auch mal ein offener Blick auf Unbekanntes!

Kommentar verfassen