Zuversicht

Zuversicht in ungewissen Zeiten verstehen und verstärken – 10 Anregungen für Chef:innen

Wie werden unsere Geschäftszahlen? Wann kommt der Impfstoff? Wie betrifft uns der Brexit? Wie halte ich meine Mitarbeiter:innen bei Laune, wenn die Kunden:innen ihnen die Türe vor der Nase zuschlagen? Wann endet das alles? Wie kriege ich ein Stück mehr Optimismus und Zuversicht in unsere Mitarbeiter:innen – meine Führungskräfte – und in mich selbst hinein?

Solche und ähnliche Fragen beschäftigen viele Chef:innen, Verantwortliche aus Organisationsentwicklung und HR in diesen Tagen. Wochen. Monaten. Das bekomme ich aus etlichen Coachings, Seminaren, Workshops mit. Deshalb hier einige Tipps für mehr Zuversicht, Hoffnung, Optimismus: Wie finde ich als Führende in diesen Zeiten Zuversicht? Was bringt Zuversicht für mich, für andere? Wo ist Zuversicht zu viel, wie kann ich sie dosieren? Die Positive Psychologie und die Positive Leadership bieten da viele hilfreiche, wissenschaftlich abgesicherte und dennoch sehr alltagstaugliche Anregungen. Hier zehn davon.

Aber erstmal ein paar Fragen an Sie:

  • Was ist für Sie eigentlich Zuversicht?
  • Wie können Sie Hoffnung wecken, wo machen Sie in der Arbeit oder im Privatleben Lust auf die Zukunft?
  • Wer oder was macht Sie mutiger und optimistischer in Zeiten von Sorgen, Verzagtheit, Ungewissheit?
  • Und wo, bei wem, in welcher Situation ist nach Ihrer Erfahrung Optimismus auch mal zu viel, zu früh, falsch?

 

1. Was ist eigentlich Zuversicht?

Fallen drei Frösche in einen Bottich Sahne. Der erste ist Pessimist, sagt sich: „Da komme ich nie raus“ – und stirbt. Der zweite ist Optimist, sagt sich: „Da holt mich schon wer raus“ – und stirbt. Der dritte Frosch ist zuversichtlich. Er denkt sich: „Wenn ich ganz doll strample, komme ich vielleicht an den Rand und ich komme irgendwie raus.“ Er strampelt mit seinen Froschbeinchen, aus der Sahne wird Butter – und er krabbelt aus dem Bottich. Heißt: Zuversicht ist eine

  • positive Vision von der Zukunft
  • die mit konkreten Handlungsweisen verbunden ist
  • um deren Wirksamkeit ich aus eigener Erfahrung weiß.

So ungefähr würden Wissenschaftler:innen die Zuversicht erklären. Präziser erklärt das der New Yorker Psychologe Dan Tomasulo in seinem wunderbaren Buch “Learned Hopefulness“. Gibt’s bislang nur auf englisch, aber in meinem Podcast „Positiv Führen“ (https://positiv-fuehren.com/podcast/mein-podcast-positiv-fuehren-folge-8-zuversicht-staerken-dan-tomasulo/) habe ich mit ihm gesprochen, vielleicht wollen Sie ja reinhören.

2. Warum brauchen Führende jetzt besonders viel Zuversicht?

„Soll ich mein Kind mit Schnupfen in die Schule schicken?“ – „Soll ich mich gegen Grippe impfen lassen“ – und so weiter: Ich höre von vielen Führungskräften, dass sie in diesen Wochen von ihren Mitarbeiter:innen um Rat gefragt werden in Angelegenheiten, um die sie vorher nie um Rat gefragt worden wären. Geht Ihnen das auch so? Wundert oder nervt Sie das? Kann ich gut verstehen, aber: In Krisenzeiten, in Zeiten von Umbruch, Ungemach und Ungewissheit schauen wir noch mal besonders auf unsere Lehrer:innen, Politiker:innen, Vorgesetzten, auf der Suche nach Halt orientieren wir uns an Autoritäten, das war schon immer so. Daher ist Ihre Zuversicht in diesen Zeiten besonders wichtig und wirksam.

3. Zuversicht ist eine Entscheidung

Man ist zuversichtlich oder nicht – das glauben viele Menschen, fälschlicherweise. Denn wir sind zwar unterschiedlich stark zu Optimismus disponiert, die genetische Firmware ist da quasi bei jedem anders. Aber wir können Zuversicht schaffen, mehren, vertiefen.

4. Zuversicht ist gesund

Studien wie diese hier deuten stark darauf hin, dass zuversichtlichere Menschen im Durchschnitt zufriedener, gesünder, geistig leistungsfähiger sind, dass sie seltener Schlafprobleme, chronische Schmerzen und sogar Krebserkrankungen haben. Dass zuversichtliche Menschen auch durchschnittlich länger leben, ist auch eine gute Nachricht – aber nur für Zuversichtliche. Die Pessimisten würden wahrscheinlich sagen: „Geschieht Euch Recht!“

5. Zuversicht macht schlau

Negative Emotionen wie Ärger, Frust, Neid sind zwar unvermeidlich im Leben – aber sie verengen unser Denken. Positive Emotionen hingegen wie Dankbarkeit, Freude, Interesse oder eben Zuversicht weiten unsere gedanklichen Spiel- und Handlungsräume aus, erhöhen unsere Kreativität, das hat die US-Forscherin Barbara Fredrickson nachweisen können.

6. Zuversicht kann man messen

Esoterisch, nicht greifbar, wolkig? Von wegen, Optimismus und Zuversicht lassen sich messen, zum Teil mit sehr einfachen und dennoch wissenschaftlich validierten Instrumenten. Die Effekte von mehr Zuversicht – siehe oben.

7. Slackline macht Zuversicht

In unserem Garten hängt eine Slackline, und ich bin so ziemlich der ungeschickteste und gleichgewichtsschwächste Mensch, den man sich vorstellen kann. Aber seit ein paar Monaten versuche ich, möglichst jeden Tag ein paar Mal auf die Slackline zu steigen – und die Schrittzahl vom Vortag zu erreichen oder zu übertreffen. Meistens klappt das – und gibt mir ein Gefühl von Vorwärtskommen, von Fortschritt – gerade weil viele meiner Projekte aktuell sehr langfristig sind und sich der endgültige Erfolg erst nach langer Zeit einstellen wird. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman hat einmal gesagt:

„Ein Rezept für ein unglückliches Erwachsenenalter besteht darin, Ziele festzusetzen, die besonders schwer zu erreichen sind.“ (Daniel Kahneman)

So genannte Mikroziele wie etwa das Überschreiten meiner Slackline, die vielen Challenges, die Menschen in Lockdown-Zeiten begonnen haben, die 100 Laufkilometer, die sich ein Coachee neulich für das Quartal vorgenommen hat, das neue Gitarrenstück oder oder oder: Sie sind Gegenmodelle zu dem, was Kahneman sagt. Überall werden ja jetzt Quantensprünge, Disruption etc. verlangt – und das kann überfordern, Einzelne, Teams, Organisationen. Deshalb sind Mikroziele so wichtig. Sie können sehr hilfreich sein, um uns in Zeiten von Ungewissheit und Frustration eine kleine Dosis Zuversicht zu verschaffen – und unserem Gehirn einen Schuss Dopamin und andere Glücksbotenstoffe.

  • Welches Mikroziel könnte für Sie attraktiv und erreichbar sein, noch heute?
  • Was ist ein erster Schritt, den Sie jetzt gleich dafür machen können?
  • Wie feiern Sie diesen mehr oder weniger großen Erfolg, mit wem teilen Sie ihn?
  • Und wie können Sie Ihren Mitarbeiter:innen in diesen Zeiten – zum Beispiel durch Mikroziele – das Gefühl von Weiterkommen, Erfolgserreichung etc. vermitteln?

8. Zuversicht ist ein co-kreatives Produkt

Wir Menschen sind Sozialwesen, und so wie wir uns vom Optimismus und der Zuversicht Anderer anstecken lassen können, so können wir auch mit unserem Tatendrang, unseren Impulsen anderen zu mehr positivem Zukunftsglauben verhelfen. Von wem also können Sie sich eine Scheibe Hoffnung abschneiden, wer inspiriert Sie zu mehr Zuversicht?

9. Zuversicht hat Kontraindikationen

Naiver „Wird schon werden“-Glaube kann fehl am Platze, zu früh, zu viel sein. Kann uns Gefahren übersehen lassen, kann Menschen das Gefühl geben, sie werden mit ihren Bedenken, Sorgen, Ängsten nicht für voll genommen. Wie Sie Zuversicht optimal dosieren können, dazu habe ich hier (https://positiv-fuehren.com/positive-leadership/optimismus-optimal-dosieren-mentales-kontrastieren-und-woop-technik/) geschrieben. Eine Kurzzusammenfassung wäre: „Hoffe auf das Beste. Bereite Dich auf das Schlimmste vor.“

10. Sorgen Sie für sich!

Nur wer die eigenen Ressourcen im Blick hat, nur wer auch mal abschalten kann, nur wer sich selbst immer wieder Momente von Genuss und Positivität verschafft, kann auch Zuversicht ausstrahlen. Gerade in diesen Zeiten, gerade im Advent. Was hilft Ihnen da, was sind Positivitäts-Booster, die Ihnen Zuversicht ermöglichen: kleine, alltägliche Dinge, Rituale, Begegnungen, aber vielleicht auch größere Ziele, Projekte, Anschaffungen? Nehmen Sie sich ein paar Minuten, denken Sie bei einem guten Espresso oder was auch immer darüber nach – Ihnen fällt da bestimmt was ein. Da bin ich sehr zuversichtlich!



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