Innovation aus Leidenschaft
Das langjährige Mitglied unseres Führungskräfte-Netzwerks, Frank Weber, hat vor einigen Wochen sein aktuelles Buch „Innovation aus Leidenschaft – So gestalten Unternehmen kraftvoll eine passende Innovationskultur“ veröffentlicht. Hierin beschäftigt er sich mit der Frage, wie es um die Innovationsfähigkeit von Unternehmen bestellt ist. Ein Thema, welches angesichts vieler technologischer, gesellschaftlicher und politischer Veränderungen für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen von immer größerer Bedeutung ist. Weber vertritt die Ansicht, dass die Chancen vor allem in einer passenden Unternehmenskultur und in einer flankierenden Arbeit von Führungskräften liegen. Zwei Faktoren, die natürlich auch die Arbeit unseres Netzwerks prägen. Grund genug, mit Frank Weber ein kurzes Interview zu führen.
Das Land der Dichter und Denker ist nicht mehr der Innovationsweltmeister. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich nehme das schöne Bild vom Land der Dichter und Denker gerne auf. Das soll auf den Schriftsteller Johann K.A. Musäus zurückgehen, der im 18. Jh. einmal schrieb: „Was wäre das enthusiastische Volk unserer Denker, Dichter, Schweber, Seher ohne die glücklichen Einflüsse der Fantasie?“. Und genau darum geht es, um die Einflüsse der Fantasie.
Innovationen können ohne Fantasie und Kreativität nicht stattfinden. Es ist vielleicht sogar so, dass wir für eine bestimmte Zeit zum Innovationsweltmeister wurden, weil wir kulturell verankert ein fantasievolles Volk waren. Weil uns damit die Kreativität in die Wiege gelegt wurde.
Diesen Gedanken könnte man dann auch in sein Gegenteil umkehren: unbestritten sind wir beides nicht mehr, Dichter- und Denkerland sowie Innovationsweltmeister. Es mag einen Zusammenhang geben.
Statt auf Innovationen begünstigende Kreativität, verfolgen wir seit Jahrzehnten zwei andere Themen: Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen dominieren das Management-Handeln. Das ist für sich genommen unter bestimmten Rahmenbedingungen nicht schlecht. Doch wenn das die betriebswirtschaftliche Dauermaxime ist, dann führt das nicht zum Ziel. Sollen Innovationsvorhaben erfolgreich sein, dann ist das an die Bereitschaft gebunden, auch zu investieren und das kostet zunächst einmal Geld. Weiter ist das Streben nach Effizienz nicht kompatibel mit Kreativität. Diese wird durch ständige Effizienzsteigerungen vernichtet. Kreativität braucht Freiräume, auch einmal Muße und die Bereitschaft zu Irren oder Fehler zu machen.
Welche Rolle spielt das Innovationsmanagement in Unternehmen beim Negativtrend Deutschlands rund um Erfindungen und Disruptionen?
Für erfolgreiche Innovationen müssen eine Reihe von Barrieren überwunden werden. Hierzu gehören finanzielle Hürden, genauso wie Hindernisse, die aus der Gesetzgebung und der Regulation stammen. Die Themen der nicht genutzten Kreativität und des Effizienzwahns hatten wir ja schon.
Wesentlich ist auch, dass wir vielerorts keine passende Unternehmenskultur haben, die die Innovationsfähigkeit begünstigt. Die gelebte Kultur repräsentiert jenes angesammelte Wissen, Denken und Wahrnehmungen sowie Werte, die das Arbeiten in einer Organisation bestimmen. Einfacher gesagt: die Summe aller Selbstverständlichkeiten. In unserem Fall die Summe aller Selbstverständlichkeiten, wie im Unternehmen über Erneuerungen gedacht wird und mit diesen umgegangen wird. Das führt uns zu der zentralen Frage – und im Buch nenne ich sie auch so: Wie ist eigentlich unsere Haltung zum Neuen?
Halten wir inne und überlegen, welchen Stellenwert das Neue im eigenen Unternehmen hat? Lassen Sie mich raten; kein großer und die Dominanz liegt auf dem Bewährten und dessen inkrementeller Optimierung. Man fokussiert alles Mögliche, nur nicht die Notwendigkeit zu innovieren.
Sie brechen in Ihrem Buch eine Lanze für Innovation aus Leidenschaft. Was verstehen Sie darunter?
Wenn ich von Leidenschaft im Zusammenhang von Innovationen spreche, dann beinhaltet das erstens, dass unsere Haltung dem Neuen gegenüber positiver wird. Zweitens drückt sich darin auch ein Enthusiasmus im Tun aus. Drittens hat Leidenschaft immer auch etwas mit der Fähigkeit zu tun, Rückschläge auszuhalten und daraus Energie zu gewinnen.
Das ist im Zusammenhang mit Innovationen essenziell. Kaum eine epochale oder auch kleinere Neuerung gelang je auf Anhieb. Die meisten erzählen eine Geschichte davon, wie es zunächst nicht funktioniert hat. Dieses auszuhalten, erfordert Leidenschaft.
Welche Rahmenbedingungen sorgen in Unternehmen für eine fruchtbare Innovationskultur?
Blicken wir zuerst auf das Gegenteil einer solchen Kultur, also auf die Realität, wie wir sie leider in den meisten Unternehmen vorfinden. Was prägt dort die Kultur? Sehr häufig dauert es im Lebenszyklus eines Unternehmens nicht lange, bis eine wohl ausdefinierte Hierarchie das Handeln prägt. Das ist für das Innovationsklima alles andere als förderlich. Hier braucht es etwas, was wir in den Modellen der Unternehmenskultur Adhocratie nennen. Der Name „Adhocratie“ leitet sich vom lateinischen Wort „ad hoc“ ab, was man mit „aus dem Moment heraus“ übersetzen kann.
Im Kern beschreibt diese Adhocratie eine Kultur des Unternehmertums und damit das Gegenteil von hierarchisch strukturierter Bürokratie. Hier ist die vorherrschende Logik zur Erreichung von Erfolg, dass Kontrolle die Effizienz fördert, indem sie Verschwendungen und Redundanzen eliminiert. Das mag für eine Behörde gelten, hier will man keine Flexibilität, sondern eine fehlerfreie Effizienz in der Ausübung von Prozessen. Bei der Adhocratie-Kultur hingegen beruht die vorherrschende Logik darauf, dass neue Ideen und neue Möglichkeiten, neue Kunden und Märkte schaffen und damit Innovationen entstehen. Dort arbeiten dann Führungskräfte, die mehr an Leader und Entrepreneure denn an Kontrolleure erinnern.
Während in Hierarchiekulturen Mitarbeiter der Struktur untergeordnet werden, stellt die Adhocratie die Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten und Kompetenzen über die Struktur. So ist es selbstverständlich, dass sich beispielsweise für ein Innovationsprojekt verschiedene Experten hierarchie- und bereichsübergreifend in multidisziplinären Teams zusammenschließen und von Anfang an hervorragend ohne Abstimmungs- und Reibungsverluste zusammenarbeiten. Will man also ein Umfeld schaffen, in dem Innovationen besonders gut entstehen können, ist man gut beraten, die Kulturmerkmale von z. B. starker Hierarchieorientierung hinter sich zu lassen und sich in Richtung Adhocratie-Kultur zu entwickeln.
Und wie gehen Unternehmen am besten vor, die eine solche Innovationskultur etablieren wollen?
Der Weg dahin ist kein einfacher. Er wird lang und zum Teil auch mit Rückschlägen versehen sein. Aber, er ist ohne Alternative. Unternehmen verwalten sich ansonsten im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode. Wie ein solcher Weg aussehen kann, das beschreibt das Buch in seinem Kapitel 3.8 und zeigt dort auf, wie man in 8 Schritten zur Innovationskultur kommen kann. Dem möchte ich verständlicherweise hier nicht detailliert vorgreifen und daher mit folgender Abbildung „In 8 Schritten zur Innovationskultur“ den Appetit auf die Lektüre steigern:
Die Aufgabe dieser acht Schritte besteht darin, die Beteiligung der Belegschaft in der Breite zu fördern und den Widerstand der Betroffenen gegen den Kulturwandel aktiv aufzunehmen, damit zu arbeiten und zu minimieren. Weiterhin gilt es für alle Beteiligten zu klären, wie die Attribute der neuen Innovationskultur aussehen sollen und was damit verbunden ist. Zu klären ist aber auch, was auf dieser „KulTour“ unverändert bleiben kann. Der Prozess sieht weiterhin vor, konkrete Maßnahmen zu definieren, die einzuleiten sind, um eine Dynamik für den Kulturwandel zu schaffen sowie Aktionen zu identifizieren, um Verantwortlichkeiten festzuhalten, um die Führungskräfte wirkungsvoll in zielorientiertes Handeln zu bringen.
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