Mein größter Antrieb ist und bleibt die Neugier, gepaart mit der Lust, Dinge dann auch umzusetzen
QUER GEFRAGT – 10 Fragen an die Geschäftsführerin des Nicolai Verlag Christiane zu Salm
Medienunternehmerin und Kunstsammlerin, Ausbildung zur Sterbebegleiterin und Verlagsleiterin – die Biografie von Christiane zu Salm besitzt viele Facetten und Wendungen. Sie zeigt, wie wichtig es ist, Mut und Haltung als Kompass für sein Leben zu nutzen. Verbunden damit sind nämlich oft unbequeme Fragen nach den eigenen Zielen und Werten. Wo will ich hin? Was will ich wirklich? Wie weit bin ich bereit zu gehen? Für das Camp Q 2019 des Kompetenzzentrums mit der Aufforderung, mit Mut und Haltung in die Zukunft zu führen, bilden die Antworten auf „10 Fragen an …“ Christiane zu Salm eine interessante Inspirationsquelle als Einstieg zur Selbstreflexion über die eigene Verantwortung und Rolle bei Leadership und New Work.
Frau zu Salm, wie wirkt sich „New Work“ auf das „Daily Business“ von Ihnen aus und welche Herausforderungen bedeutet das für die Kunst und Unternehmen?
„New Work“ dreht sich ja rund um die eigene Sinnstiftung – also, ob ich das, was ich mache, wirklich wirklich will. In diesem Zusammenhang sprechen viele im Moment von „purpose“, also von dem Sinn und Zweck des Ganzen, für den man morgens aufsteht und an seinen Arbeitsplatz geht. In meiner Beobachtung wirkt sich dieser Ansatz positiv auf die Unternehmen aus: durch den Blick auf das Wesentliche im Leben verbessert sich die Qualität unserer Arbeit.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach „Digital Leadership“ aus? Brauchen wir im Zeitalter von New Work mehr oder weniger Führung?
Mit dem Begriff „Digital Leadership“ kann ich gar nicht so viel anfangen. Aus meiner Sicht brauchen wir im 21. Jahrhundert eine Führung, die angstfrei inspiriert, die offen ist und die die großen Linien sieht. Es steht schließlich für alle Arbeitsbereiche – ob in Unternehmen, Politik, Wissenschaft oder Kultur – die große Frage im Raum, in welcher Welt wir eigentlich in Zukunft leben wollen. Das geht weit über das Digitale hinaus.
Was ist für Sie der größte Antrieb bei der Arbeit und was müssten Menschen mitbringen, um sie persönlich zu überzeugen?
Mein größter Antrieb ist und bleibt die Neugier, gepaart mit der Lust, Dinge dann auch umzusetzen. Genau das ist es, was ich auch von meinen Mitarbeitern spüren muss. Kein Lebenslauf oder Zeugnis kann mich von dieser Neugier überzeugen, sondern nur eine persönliche Begegnung.
Welche Bedeutung haben für Sie Haltung, Mut und Werte für den persönlichen bzw. beruflichen Erfolg?
Eine hohe Bedeutung haben diese Dinge für mich – und zwar für alle Lebensbereiche. Insbesondere in diesen unruhigen Zeiten, in denen die Welt von Ressentiment, Irrationalität, von Algorithmen, von Nationalismus und von verdrängten Wahrheiten regiert zu werden scheint.
Inzwischen erfordert es sogar Mut, eine Haltung zu entwickeln und diese gegen Anfeindungen von außen auch durchzuhalten. Hierzu sollten Unternehmen sowie alle Institutionen, denen demokratische Entscheidungsfindung am Herzen liegt, ermutigen.
Wie verändert sich die Kommunikation in der Digitalisierung nach extern und wie innerhalb einer Organisation?
Es ist deutlich schwieriger geworden, den großen Wandel, den Organisationen vollziehen, nach innen und nach außen zu kommunizieren. Denn die Mitarbeitenden müssen ja „mitgenommen“ und für die neuen Wege begeistert werden. Innerhalb – und auch außerhalb – einer Organisation ist es aus meiner Sicht der richtige Weg, über den Absender zu gehen, also z. B. regelmäßig Videobotschaften seitens der Unternehmensführung im Intranet zu versenden und das Feedback der Mitarbeiter ausdrücklich einzufordern und auch zu würdigen. Je offener und mutiger die Herausforderungen rund um den Wandel angesprochen werden, desto besser für die Unternehmenskultur. Gerade in einer technischen Zeitenwende wie dieser ist eine Ermutigungskultur wichtig, wie wir sie ja eher aus den USA kennen. Yes, we can! Hierin steckt ja schon das Wort „Mut“ – und den müssen wir wieder mehr belohnen. Vor allem den Mut zum Widerspruch und zur Kritik.
Welche technologischen Entwicklungen – auch abseits der Verlagsbranche – sind für Sie im Moment am spannendsten?
Die exponentiellen Technologien, Künstliche Intelligenz eingeschlossen – verbunden mit der Frage, wie wir sie für unsere Zwecke einsetzen können, statt sich freiwillig zu ihren Sklaven zu machen.
Wenn der Mensch mehr in den Mittelpunkt gestellt werden soll, wie kann das Zwischenmenschliche in unserer Gesellschaft umgesetzt werden?
In dem wir konsequent die Zukunft vom Menschen ausgehend denken, nicht von der Technologie. Jede Strategiesitzung, jede Konferenz, jeder Workshop, der sich mit den Herausforderungen der Zukunft beschäftigt, sollte die Frage nach dem Menschsein bzw. Menschbleiben zum Ausgangspunkt machen. Daraus ergibt sich dann alles, was für den Erhalt oder auch für die Erneuerung des Zwischenmenschlichen getan werden muss.
Was bedeutet „Querdenken“ für Sie und wie quer denkt Christiane zu Salm selbst? Was würde Ihr Umfeld sagen?
„Querdenken“ bedeutet für mich, aus einer komplett anderen Perspektive auf ein Thema oder eine Fragestellung zu schauen. Es ist wichtiger geworden, außerhalb des Gewohnten zu denken. Denn angesichts der steigenden Komplexität unserer Zeit kommen wir nicht mehr weiter, wenn wir immer aus derselben Richtung auf ein Problem schauen und es zu lösen versuchen. An den Schnittstellen zwischen der gewohnten und der abwegigen Perspektive entsteht dann Neues, das zunächst als absurd erscheint. Entsprechend reagiert mein Umfeld. Aber davon darf man sich einfach nicht irritieren lassen.
Was ist aktuell Ihre größte berufliche und/oder persönliche Herausforderung?
Den Nicolai Verlag als ältesten Sachbuchverlag Deutschlands für das digitale Zeitalter komplett neu zu denken.
Eine Entscheidung, die Sie nie bereuen werden…
Diesen Verlag übernommen zu haben, denn kritisches Gedankengut in jeder Form brauchen wir immer. Es ist zeitlos wichtig.
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