Telekom-CEO Tim Höttges im Interview zu Camp Q

QUER GEFRAGT – 10 Fragen an den Telekom-CEO und Camp Q-Speaker Tim Höttges

Neues nicht nur denken, sondern auch auf die Straße bringen! –
Tim Höttges im Interview

In seinem LinkedIn-Profil steht: „Wir teilen Erlebnisse, Erfahrungen und Überzeugungen, ja manchmal sogar unser Eigentum. Aber auch unser Wissen und unsere Ideen. Und führen sie oft zu etwas Besserem, etwas Größerem.“

Tim Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, wird auf dem Camp Q – Der Leadership Konferenz für Querdenker am 04. Mai in Berlin sein Wissen und seine Erfahrungen zum Thema „New Work! New Values? New Leaders?“ mit uns teilen.

Wir haben Tim Höttges vorab gefragt, was eine gute Führungskraft in Zeiten von New Work ausmacht, was er mit dem Begriff „Querkopf“ verbindet und was er aktuell nur mit Humor ertragen kann.

 

Herr Höttges, der Titel des diesjährigen Camp Q lautet „New Work! New Values? New Leaders?“. Was glauben Sie, zeichnet eine gute Führungskraft in Zeiten des Megatrends New Work aus?

Dazu fallen mir drei meiner persönlichen Leitsätze ein. Der erste lautet „ambiguity is a bad thing“. Dort, wo zu viele Interpretationsräume gelassen werden, gehen die Dinge schief. Für eine Führungskraft kommt es deshalb an vielen Stellen darauf an, diese Mehrdeutigkeiten und die damit verbundenen Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen. Klarheit ist gerade dort, wo wir mit vielen Veränderungen gleichzeitig umgehen müssen, sehr wichtig. Der zweite Leitsatz ist „strategy is a mentality“. Strategie und vor allem Strategieumsetzung ist also eine Frage der Haltung. Verantwortung zu übernehmen und nicht darauf zu warten, bis sie einem übertragen wird. Da zu sein für die Kunden. Ausschau zu halten nach Innovationen und schließlich über den eigenen Tellerrand zu schauen. Das zeichnet Führungskräfte aus. Und der dritte Leitsatz lautet „culture eats strategy for breakfast“. Da geht es natürlich auch um Haltung, daher kommt es mir hier vor allem auf das Wertesystem an. Führungskräfte brauchen auch hier ein Fundament, auf das sie in Zweifelsfragen bauen können. Dazu haben wir fünf Leitlinien entwickelt, die Sie hier nachlesen können.

 

 Wie wirkt sich „New Work“ auf die Telekom aus? Welche Veränderungen gibt es im „Daily Business“ und wie wirken sich diese auf die Unternehmenskultur aus?

Am deutlichsten sichtbar ist der Unterschied sicherlich, wenn man sich die neuen Büroräume in der Telekom Zentrale aber auch an vielen anderen Standorten ansieht. Die sind offen. Da gibt es Möglichkeiten der Zusammenarbeit in so genannten „Think Tanks“. Die Räume sind bunt gestaltet, auch mit Dingen, die einen irritieren und damit regelrecht zum Querdenken anregen. Das war übrigens erstmal für viele ein Schock und bis heute löst diese neue Form der Arbeit nicht überall Begeisterung aus. Aber ich merke, wie Hierarchien flacher werden. Dass es eine größere Nähe gibt zwischen Führungskräften und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir haben auch 10.000 Mitarbeiter in „Design Thinking“ geschult. Wir arbeiten also inzwischen sehr viel stärker kundenzentriert als noch vor einiger Zeit.

 

Sie werden auf der Seite campq.de folgendermaßen zitiert: „Querdenken bedeutet für mich, neue Wege aufzuzeigen. Querköpfe versperren sie.“ Was verbinden Sie mit dem Begriff Querkopf? Und was machen Sie, wenn Sie mit solchen zu tun haben?

Vor allem muss ich mit Wortspielen vorsichtiger umgehen, sonst werde ich darauf festgenagelt…. Aber im Ernst: Am Ende kommt es in einem Unternehmen immer darauf an, dass etwas umgesetzt wird. Unternehmertum bedeutet, etwas nicht nur zu denken, sondern es auch auf die Straße zu bringen. Und das ist oft sehr komplex und man hat mit vielen Abhängigkeiten von der Technik über die IT, Budgets, Macht von Abteilungen, Priorisierungen im Unternehmen, Rechtsvorschriften usw. zutun. Querdenken bedeutet für mich, dass man ein Produkt schafft, das für den Kunden einen echten Mehrwert stiftet. Dass man etwas ganz anders macht, als es bisher der Fall war. Dass man aber gleichzeitig dafür einen Weg durch den Dschungel von Abhängigkeiten findet. Querköpfe sind im Zweifel die, die diesen Weg nicht freimachen, sondern sich immer querstellen und jede Idee dadurch im Keim ersticken. Wie geht man damit um? Ein Aspekt ist, dass wir die Bezahlung der Führungskräfte ganz bewusst auch auf das Thema Innovation und Zusammenarbeit ausrichten. Zweitens feiern wir Erfolge und machen dadurch diejenigen besonders sichtbar, die quergedacht und umgesetzt haben. Das motiviert auch andere. Und drittens haben wir in unseren Unternehmenswerten den Leitsatz „Offen zur Diskussion, geschlossen umsetzen“. Wir fördern also eine Kultur des Querdenkens und nicht des Querstellens.

 

Welche technologische Entwicklung ist für Sie im Moment am spannendsten?

Mich fasziniert alles, was in den Bereich der Schnittstelle von Mensch und Maschine hineinreicht, den sogenannten „Transhumanismus“. Einfach, weil es technologisch hoch faszinierend ist, aber gleichzeitig viele neue Fragen aufwirft, etwa beim Thema Ethik. Als Unternehmer ist 5G momentan für mich die wichtigste Technik, die wir aktuell aufbauen und damit neue Anwendungen und Anwendungserlebnisse schaffen, vom kooperativen Fahren bis zur Virtual Reality-Übertragung nahezu in Echtzeit.

 

Schenken Sie uns eine Lebensweisheit.

Bewerte Menschen stets danach, was sie tun. Nicht danach, was sie reden. Aber auch nicht danach, was über sie geredet wird.

 

Sie sind Speaker beim Camp Q. Waren Sie je in Ihrer Kindheit campen und wenn ja, was ist Ihre schönste Erinnerung daran?

Am meisten geprägt hat mich in meiner Jugend Interrail. Da habe ich natürlich auch gecampt. Was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe ist mein Verständnis und meine Begeisterung für Europa. Nicht nur, weil ich neue Freunde gefunden habe. Sondern auch, weil ich mir dadurch neue, andere Kulturen erschließen konnte. Und ich habe es als positiv empfunden, mich mit einer Idee identifizieren zu können, die mein Heimatland umfasst, aber darüber hinaus reicht. Eine Idee, die größer ist als ein einzelner Staat und die darum als Klammer unsere einmalige Vielfalt zusammenhält. Die Idee nämlich, dass Demokratie, Freiheit, soziale Sicherheit, Wohlstand für alle, Humanisierung der Arbeit, Achtung der Bürgerrechte und vieles mehr eine starke Einheit bilden können.

 

Typfrage: Holen Sie eher die heiße Kartoffel aus dem (Lager-)Feuer oder halten Sie gebührenden Abstand über Stockbrot?

Mir ist der Kartoffelacker stets näher als das Rosenbeet. Bodenständig und anständig – so wünsche ich mir die Telekom. Gelegentlich kommt es vor, dass man auch mal eine Kartoffel aus dem Feuer holen muss. Ich stelle mir dann nur immer die Frage: Wie ist die da überhaupt reingekommen?

 

Gibt es aktuell etwas, das Sie nur mit Humor ertragen können?

Die Telekom investiert massiv in den Netzausbau. Mehr als andere. In der Stadt und auf dem Land. Dann gibt es ein Unternehmen aus dem Westerwald, das unsere Leitungen nutzt. Das damit gut verdient. Das trotzdem kaum in einen eigenen Ausbau investiert. Das uns aber öffentlich schlecht redet und sogar Werbeanzeigen gegen uns schaltet. Diesen Widerspruch, dass man diejenigen schlecht macht, von denen man am meisten profitiert. Dass man selbst nicht ausbaut aber andere dafür kritisiert, wie sie es tun. Den muss man dann schon mit Humor nehmen.

 

Wenn Sie einmal zurückdenken: Aus welcher beruflichen Situation haben Sie besonders viel gelernt?

Der Schlüssel lautet „Rotation“. Immer wieder etwas Neues machen und dadurch das Wissen aber auch das Netzwerk erweitern und seine Persönlichkeit sozusagen verbreitern. Ich habe bei jeder beruflichen Station sehr viel mitgenommen für die nächste. Geprägt hat mich sicherlich mein erster Job als Schüler auf dem Wochenmarkt in Solingen. Da habe ich Disziplin gelernt. Früh aufstehen auch bei Kälte. Den Umgang mit Kunden. Und die Grundlagen der Betriebswirtschaft. Mengen, Margen, Rabatte, Differenzierung, Marketing: Wir reden nicht umsonst heute auch volkswirtschaftlich von einem „Markt“. Die Prinzipien, die im Großen gelten, habe ich im Kleinen auf dem Wochenmarkt schon erfahren.

 

Wenn wir Ihr Umfeld fragen würden, „Wie quer denkt Tim Höttges?“ – was würden diese auf einer Skala von eins bis zehn antworten?

Mir ist die Frage zu schwarz-weiß. Wenn es um Werte oder Compliance geht, bin ich sehr konservativ. Da stehe ich eher bei 1 oder 2, denke also wenig quer. Dieser Wertekanon ist in meinen Augen wichtig. Und wenn man den ständig an Moden anpassen würde, wäre man opportunistisch. Ich denke, die meisten Menschen haben opportunistische Führungskräfte eher satt. Wenn es um Technologie geht, würde mein Umfeld mir vermutlich eher eine 9 geben. Ich beschäftige mich viel mit neuen Entwicklungen und Ideen, etwa von unseren T-Labs oder anderen Innovationseinheiten. Ich reise mehrmals im Jahr nach Israel, Krakau, Asien, Silicon Valley und andere Innovationshubs. Von überall bringe ich Ideen mit, die ich am liebsten direkt im Unternehmen implementieren würde. Da muss ich mein Tempo eher zurücknehmen.



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