Chancen

Man weiß nie, wohin es uns führt, wenn wir es nicht versuchen

Im aktuellen Jubiläumsjahr „10 Jahre Executive Trainings: Women and Cultural Change“ haben wir verschiedenen Menschen 10 Fragen gestellt. Unter anderem interessiert uns, ob Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, wenn es um entscheidende Karriereentwicklungen geht. Nach neuesten Untersuchungen liegt der Anteil von Frauen im Vorstand deutscher Unternehmen nach wie vor bei unter 10 Prozent. Wir möchten einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit leisten.


 

10 Fragen an Professorin Manuela Rousseau

Frau Professorin Rousseau, welche Frau hat Sie besonders geprägt?

Meine Mutter. Sie hat mich mit ihrer Einstellung „Mädchen brauchen keine höhere Schule zu besuchen und Jungs sind klüger als Mädchen“ herausgefordert, ihr das Gegenteil zu beweisen. Mit 14 Jahren musste ich von der Schule abgehen, um einen Beitrag zu unserem Lebensunterhalt zu leisten und auch, um ihrer Überzeugung zu folgen. Mein Weg war nicht leicht, meine Karriere nicht vorhersehbar. Deshalb sage ich Frauen: Geht entschlossen euren Weg. Wartet nicht, traut euch, mutig ins kalte Wasser zu springen und Verantwortung zu übernehmen.

Haben Sie jemals Ihre berufliche Rolle in Frage gestellt?

Ja. Nach meiner Selbstständigkeit in jungen Jahren und einem unverschuldeten Konkurs im Einzelhandel wollte ich nie wieder als selbstständige Unternehmerin im Handel arbeiten und suchte bewusst den Wechsel in ein Industrieunternehmen. Das sollte sich später als kluge Entscheidung erweisen.

Was glauben Sie, weshalb es noch immer mehr Männer als Frauen in deutschen Vorständen gibt?

Frauen sind bis in die Führungsebenen im mittleren Management präsent. Der Engpass beginnt meist im oberen Management und im Vorstand. Meine Beobachtung ist, dass Frauen weniger nach Macht um der Macht willen streben, sie suchen nach einem tieferen Sinn in ihrem beruflichen Wirken. Die deutsch hierarchisch geprägte Führungskultur und die gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen zu wenig Spielraum für Frauen. Bestehende Arbeitsmodelle sind noch zu unflexibel und praktizierte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist noch immer zu einem sehr hohen Anteil weiblich.

Finden Sie, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, wenn es um anspruchsvolle Karrieresprünge geht?

Die Chancen werden besser, aber es geht viel zu langsam voran. Die Quote zeigt, dass im Aufsichtsrat innerhalb von 4 Jahren die geforderte Quote von 30 % Frauen erreicht wurde. Die freiwillige Quote bewegt sich dagegen im Schneckentempo. Frauen sind heute sehr gut ausgebildet, ihre Kompetenzen werden gebraucht. Frauen dürfen klar formulieren, was sie brauchen, um eine nächsthöhere Position zu übernehmen. Stattdessen reagieren sie oft zu zögerlich, wenn ihnen Chancen angeboten werden. Einige kommen aus falscher Bescheidenheit nicht aus der Deckung und bringen sich nicht offensiv ins Spiel.

Brauchen wir mehr Frauen in Führungspositionen?

Ja, weil es in Langzeitstudien nachgewiesen ist, dass gemischte Teams auch wirtschaftlich erfolgreicher sind.

Glauben Sie, dass es möglich ist, der Familie und der Karriere gleichzeitig gerecht zu werden?

Ja, wenn sich beide Elternteile die Verantwortung für Beruf und Familie teilen, sich mehr Männer trauen, in Teilzeit zu arbeiten. Männer werden nur selten gefragt, wie sie Familie und Beruf zusammenbringen, dies zeigt, wie tief verwurzelt die Rolle des Hauptverdieners in der Gesellschaft verankert ist. Hier gilt es aufzuzeigen, dass Männer zu Gewinnern werden, wenn sie ihre Rolle als Väter und Söhne intensivieren, sich in die Familie und Gesellschaft aktiver einbringen und die Frauen unterstützen, ihren beruflichen Weg zu gehen.

Denken Sie, es ist für Männer einfacher Familie und Beruf zu vereinbaren?

Solange Frauen die Hauptverantwortung für die Versorgung der Familie tragen und damit Männern den Rücken freihalten, ist es einfacher für Männer, sich auf die Karriere zu konzentrieren. Das gilt auch für den umgekehrten Fall, wenn der männliche Partner zuhause bleibt.

Haben Sie jemals bewusst auf einen Karriereschritt verzichtet?

Nein, das liegt auch darin begründet, dass mein Mann und ich keine Kinder haben.

Ist Ihrer Ansicht nach die Digitalisierung eine Chance für Frauen?

Ja, in der durch radikale Transformation, Digitalisierung, Komplexität und Vielschichtigkeit geprägten Gegenwart und Zukunft sind unsere Herausforderungen weder vorrangig technischer oder ökonomischer Art, sondern kulturell und sozial. Dies setzt eine große Portion Einfühlungsvermögen voraus und die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen; diese weiblichen Stärken können im Kontext mit den Veränderungen einen Mehrwert schaffen.

Finden Sie, dass Unternehmen Frauen besser fördern sollten?

Frauen sind top ausgebildet, was soll bei ihnen besser gefördert werden als bei Männern? Warum stellt man Männern diese Frage nicht? Mein Buch heißt „Wir brauchen Frauen, die sich trauen. Mein ungewöhnlicher Weg bis an die Spitze eines DAX-Konzerns.“ Und mein Motto lautet: Machen ist mutiger als wollen.

Und was ich unbedingt noch sagen möchte:

Wir dürfen uns eine große Vorstellung vom Leben erlauben. Der Job darf Spaß machen, er sollte nicht der einzige und zentrale Mittelpunkt sein, weder für Männer noch für Frauen.



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