Du bist der Wandel
Change Management für nachhaltige Entwicklung
Nachhaltigkeit und kein Ende. Was vor vielen Jahren noch ein Nischendasein in der Entwicklungsdebatte hatte, ist mittlerweile im globalen Mainstream angekommen. Es ist zu einem fast automatisierten Zusatz jeglicher Form des individuellen und kollektiven Handelns geworden: Produkte werden nachhaltig produziert, was deren Konsum ebenfalls nachhaltig macht. Fahrradfahren oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen ist nachhaltig. Die Ölheizung gegen Solarzellen auszutauschen natürlich auch. Unternehmen, die ein Umweltmanagementsystem eingeführt und hierfür ein Zertifikat erworben haben, sind es ebenso.
Alles schön und gut, aber kommen wir so weiter? Nein, denn es droht eine Verorganisation und -administration eines fundamentalen globalen Schlüsselthemas, was uns alle angeht. Die Gefahr alles „richtig gemacht“, doch am Ende nichts bewirkt zu haben, ist bereits heute virulent. Damit Nachhaltigkeit nicht zu einer schönen Fassade wird, die in Unternehmensberichten jährlich immer wieder neu bemalt und ausgestellt wird, müssen wir uns auf das Wesentliche besinnen: Den Kern nachhaltigen Wertschöpfens. Eine Schlüsselrolle hierbei spielt die Gestaltung von Wandel und Veränderungsarbeit.
Nachhaltigkeit – Ein politischer Evergreen
Im Jahr 1987 veröffentlichte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen den sogenannten „Brundtland-Bericht“. Der Bericht mit dem Titel „Our Common Future“ definiert Nachhaltigkeit in zweierlei Weise:
- Dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können (S. 46)
- Im Wesentlichen ist dauerhafte Entwicklung ein Wandlungsprozess, in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das derzeitige und künftige Potenzial vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen (S. 49)
Der Bericht gilt als der Beginn des weltweiten Diskurses über Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung, dessen Wirkung bis heute nachklingt: Nicht zuletzt finden sich die Grundgedanken in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen wieder, bei der sich die Weltgemeinschaft auf 17 übergeordnete Ziele (Sustainable Development Goals/SDG) verständigt hat, deren Umsetzung eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene erreichen soll.
Die Umsetzung der Ziele erfolgt auf verschiedenen Ebenen, wobei wir den Blick hier insbesondere auf Organisationen und Individuen richten wollen.
Nachhaltigkeit in Unternehmen – Echte Liebe oder Zwangsehe?
Zahlreiche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ihre Wertschöpfung an definierten Kriterien nachhaltigen Wirtschaftens ausgerichtet. So wurden bspw. Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagementsysteme eingeführt, Governance-Strukturen eingeführt (bspw. Sustainability Boards) oder Nachhaltigkeitsbeauftragte benannt.
So gut gemeint diese Ansätze sind, so sehr stoßen sie insbesondere bei profitorientierten Unternehmen an ihre Grenzen. Das liegt zum einen daran, dass unternehmerisches Handeln in erster Linie auf Effizienzsteigerungen und Profitmaximierung ausgerichtet ist. Und so passiert es, dass trotz aller Zertifikate und wohl formulierter Leitsätze, Organisationen in ihrer Kernwertschöpfung weiterhin vorrangig über Gewinnmaximierung gesteuert sind und alles andere diesem Postulat untergeordnet wird. Zum anderen wird Nachhaltigkeit oft negativ und mit einer Verbotslogik assoziiert. Unterfüttert wird dies mit einer Kurzfristigkeit in der Bestimmung von unternehmerischem Erfolg (bspw. über Quartalszahlen) vs. einer langfristigen und damit auch transformatorischen Sichtweise auf unternehmerische Wertschöpfung.
Vom Optimieren zum Transformieren: Nachhaltigkeit braucht tiefgreifenden Wandel
Dass ein radikaler Wandel im Verständnis von unternehmerischer Wertschöpfung möglich ist, illustriert das Beispiel der Kreislaufwirtschaft: Das Erreichen einer Kreislaufwirtschaft beinhaltet einen massiven Umbau unserer heutigen Industriegesellschaften, bei dem keinerlei Ressourcen mehr verschwendet werden. Das Ziel dabei ist, mittel- bis langfristig Effizienzsteigerungen nicht nur für Unternehmen, sondern die Gemeinschaft zu generieren.
Um dorthin zu kommen, beinhaltet Wandel die Neuausrichtung von organisationalen Rahmenbedingungen und Regelsystemen sowie mutige Investition in Innovation. Wenn jedoch organisationaler Wandel und die damit verbundene Veränderungsarbeit vor allem auf schnelle und sichtbare Erfolge sowie optimierende Aktivitäten ausgerichtet ist, handelt man nicht nur unterkomplex, sondern vergibt die Chance, wirklich nachhaltigen und damit zukunftsgerichteten Wandel anzustoßen. Schon heute ist klar, dass ökonomische Herausforderungen nur mit Bezug zu sozialen und ökologischen Dimensionen gelöst werden können. Diesen Herausforderungen zu begegnen geht nur über tiefgreifende Veränderung und in Zusammenarbeit mit Akteuren aus eben diesen Sphären. Oder um es anders zu formulieren: Unternehmerisch erfolgreich werden die Akteure sein, die langfristig und über Branchen-Grenzen hinaus Wandel aktiv und damit vorausschauend gestalten.
Diese Suchbewegung nach höheren, gemeinschaftlichen Zielen entspricht dem Einnehmen einer neuen Unternehmens-Perspektive: Der auf sich selbst d. h. auf das eigene Unternehmen fokussierten Perspektive folgt die Perspektive auf die Gesellschaft. Damit ändern sich auch zwangsläufig die Fragen, die es im Wandel zu beantworten gilt, z. B. welche Rolle hat mein Unternehmen im größeren Gefüge der Gesellschaft? Das Einnehmen dieser Perspektive und das Auffinden dieser gesellschaftlichen Rolle, quasi die Koppelung mit gesellschaftlichen Zielen, wird nach Dyllick und Muff als „True Business Sustainability“, also als wahre unternehmerische Nachhaltigkeit, bezeichnet.
Im Kern geht es daher für Organisationen darum, die folgenden Stellhebel zu aktivieren um Wandel und damit unternehmerischen Erfolg nachhaltig zu gestalten:
- Einnahme einer neuen Perspektive und das Auffinden der eigenen Rolle innerhalb der Gesellschaft.
- Das Erkennen der daraus resultierenden langfristigen, tiefgreifenden Veränderungspotenziale
Zurück zu den Wurzeln: Verantwortlichen Wandel gestalten
Was heißt das nun für Entscheidungsträger:innen und Change-Professionals? Beide Gruppen haben das Potenzial, mit ihren Rollen, Mandaten, Kompetenzen und vor allem ihrem Willen Einfluss auf Wandel zu nehmen. Damit kommt ihnen eine zentrale Rolle bei der Gestaltung von Nachhaltigkeit in Organisationen zuteil und nicht zuletzt bei der Erreichung der SDGs.
Neben dem Handwerkszeug, um tiefgreifenden Wandel zu ermöglichen, geht es dabei in gleicher Weise darum, Position zu beziehen und Haltung zu beweisen. Der Blick auf Zielsetzungen, Wirkungen und Vorgehensweisen von Wandelinitiativen muss neben ökonomischen, auch ökologische und soziale Aspekte in den Blick nehmen und behandeln. Das sich daraus ergebende Spannungsfeld ist nicht nur auszuhalten, sondern bewusst zu gestalten. Die in vielen Organisationen nicht selten zu beobachtende Change-Müdigkeit und Frustration aufgrund versandeter und am Ende zu kurz gesprungener Veränderungsinitiativen rührt auch von den oft rein aus wirtschaftlichen Interessen (sowohl von Seiten der Auftraggeber als auch der Beratenden) getriebenen Veränderungsprojekten.
Change Management, ursprünglich aus der werteverankerten, humanitär orientierten Organisationsentwicklungsbewegung hervorgegangen, ist mittlerweile nicht selten zu einer rein profitorientierten Beratungsdisziplin mutiert, die sich zu oft nur in den Dienst der Auftraggeberziele stellt und zu wenig berücksichtigt, was Veränderungsprojekte im Gesamtsystem und darüber hinaus (wirklich) bewirken.
Camp Q 2021 – Kick-Off für ein neues Nachdenken über Change für nachhaltige Entwicklung
Im Rahmen des Camp Q in 2021 wollen wir genau an diesem Punkt ansetzen: Wir wollen zurück zu den Wertewurzeln der Gestaltung von Veränderung in Organisationen. Dabei schauen wir auf Change Management als kunstvolle Möglichkeit der Gestaltung von sinn- und wertstiftender Transformation – verstanden als tiefgreifende Veränderung. Hier verstehen wir Organisationen als zentrale Akteure in der Ausgestaltung und Umsetzung von nachhaltiger, gesellschaftlicher und ökologischer Entwicklung. Daher wollen wir uns gemeinsam u. a. die folgenden Fragen stellen:
- Wie können Veränderungsprojekte in Organisationen positive ökologische und gesellschaftliche Entwicklungen unterstützen?
- Wie gestalten sich aktuelle Veränderungsbewegungen (z. B. Black Lives Matter, Friday’s for Future, etc.) und was können wir aus diesen für die Gestaltung von Change in Organisationen lernen?
- Wo setze ich als Berater:in Grenzen? Welche Form von Veränderungsarbeit begleite ich und welche nicht? Wann bin ich bereit, ein Mandat abzulehnen?
All das tun wir zutiefst interaktiv, dialogisch und mit Blick auf die Erweiterung unseres persönlichen, aber auch kollektiven Handlungsrepertoires. Auch wollen wir gemeinsam schauen, ob und inwiefern sich aus unseren Gedanken konkrete Handlungen im Sinne von Folgeprozessen generieren lassen. Das kann von einer Intensivierung des Diskurses über den Besuch nachhaltig gesteuerten Unternehmens bis hin und zu einer gemeinsamen Entwicklung von Produkten für die Veränderungsarbeit reichen.
Gehen wir es an!
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