Emotionaler und mutiger kommunizieren
Auf die richtige Ansprache kommt es in der internen wie externen Kommunikation in Krisenzeiten an. Das ist nicht immer einfach. Denn niemand möchte die falsche Tonlage anstimmen, zu persönlich und privat wirken. Schließlich sind wir alle stolz auf unsere Expertise und Professionalität.
Dabei ist die richtige Dosis einer emotionalen und wertschätzenden Kommunikation sehr wichtig, um sowohl Mitarbeitende wie auch Kunden tatsächlich zu erreichen.
Auf Nähe und Zusammenhalt legen in Coronazeiten viele Unternehmen Wert. Deshalb setzt beispielsweise die SAP auf den digitalen Raum und bietet für die Mitarbeitenden virtuelles Grillen, Weintasting und Varietés an.
„Trotz der Belastung durch Corona, die wir alle im Alltag spüren, haben wir hier eine enorme Vermenschlichung der Kultur erlebt“, meint SAP-Personalchef Cawa Younosi im Interview mit dem NWX Magazin. So seien die Mitarbeitenden eben nicht nur in ihrer Funktion zu sehen, sondern sollten auch als Väter, Mütter, Tierbesitzer und Pflegende wahr- und ernstgenommen werden.
Je persönlicher und nahbarer wir uns in Social Media und in der internen Kommunikation geben, desto eher entsteht ernsthaftes Vertrauen. Wir wollen echte Menschen erleben, diese sehen und verstehen lernen und eben nicht nur Fachleute zur Kenntnis nehmen.
Der Mensch sollte deshalb in der Organisation in den Mittelpunkt rücken. Für gute Führungskräfte werden die Handlungsfelder Führung, Sinnstiftung und Mitarbeiterorientierung immer wichtiger. Dabei geht es nicht um ihre Fachlichkeit allein, sondern um die Vermittlung des Sinns eines Unternehmens. Wofür arbeite ich und was wollen wir gemeinsam erreichen? Das sind wichtige Fragen geworden. Führungskräfte sollten ihren Kollegen Raum geben für Selbstverwirklichung und Anerkennung. So etwas erfordert ganz besondere soziale Kompetenzen.
Soziale Nähe gibt es auch in der Coronakrise
In der Coronazeit ist die Kommunikation etwas komplizierter geworden. Oft wird das Social Distancing jedoch völlig falsch eingeordnet. Gemeint ist damit nur, dass wir physikalischen Abstand halten sollen, um dem Coronavirus keine Chance zu geben. Soziale Nähe ist weiterhin erwünscht und sogar sehr wichtig, um im Rahmen eines Digital Leaderships die Mitarbeitenden alle mitzunehmen und ihnen Anerkennung zu zollen.
Aber was ist heute unter Zuwendung und Empathie zu verstehen? In den Videokonferenzen fällt es mitunter schwer, echte Nähe zu den Anwesenden herzustellen. Oft gehen Videokameras aus, um dadurch die Bandbreite im Homeoffice zu schonen. Darunter leidet unsere Wahrnehmung der anderen. Das Gefühl der Distanz wächst. Wenn wir kein Lächeln, kein Lachen und keine Regung in den Gesichtern erkennen können, sind wir im wahrsten Sinne des Wortes distanzierter.
Gleichzeitig sind wir soziale Wesen, die sehr viel Wert auf Gemeinsamkeiten und auf ein Zusammengehörigkeitsgefühl legen. Fehlt das, wirkt sich das auf unser Selbstwertgefühl aus. Umso deutlicher sollten Führungspersonen ihre positiven Gefühle mitteilen und für ihre Kollegen ansprechbar sein.
Eine digitale Empathie ist vonnöten. Darunter verstehe ich, den fehlenden Kontext in einem Chat, einer Videokonferenz und sogar in textuellen wie verbalen Beiträgen besonders zu betonen. In gewisser Weise ist in Krisenzeiten eine enorme emotionelle Intelligenz erforderlich, die uns sprechfähiger macht.
Das Soziale fehlt vielen Menschen derzeit, deshalb ist das Zeigen einer solchen emotionalen Zuwendung weit mehr als nur symbolische Kommunikation. Es reicht nicht mehr aus, beiläufig andere in einem Online-Gespräch mit anzusprechen, sondern es ist wichtiger denn je, andere mit ganzer Kraft und häufiger zu loben.
Benennen Sie die Erfolge in Ihrem Team, heben Sie die einzelnen Leistungen hervor, ohne andere zu vergessen. Wertschätzung anzudeuten, das reicht längst nicht mehr. Ein explizit ausgesprochenes Danke wirkt hingegen echte Wunder.
Wie wir in der internen Kommunikation mit Emotionen punkten können
Wie persönliche Kommunikation als Führungskraft aussehen kann, das zeigt beispielsweise Werner Albrecht von den Stadtwerken München sehr gut. Seit einem Jahr wendet der Geschäftsführer sich jede Woche persönlich mit einem Brief an seine Mitarbeitenden und begleitet sie damit durch die Pandemie. Dabei spart er in seinen Mitteilungen auch nicht das Private aus, zeigt Verständnis für die Belastungen von Eltern mit Homeschooling und berichtet von seiner eigenen Situation. Zudem gibt er wöchentliche Kulturtipps, empfiehlt Musik, Bücher und Filme. Darauf reagieren sehr viele seiner Mitarbeitenden positiv und geben ihm immer wieder entsprechendes Feedback.
Das öffentliche Nachdenken und ein wertschätzender Ansatz sind vorbildhaft. Doch es ist dafür Mut erforderlich, sich in der eigenen Menschlichkeit als emotionales Wesen zu präsentieren.
Die digitale Welt ist längst eine soziale Sphäre geworden und verliert ihre Abstraktheit. Je mehr wir online miteinander kommunizieren, desto leichter fällt es uns, aufeinander zuzugehen und sogar eine gewisse digitale Nähe herzustellen.
Im Idealfalle gelingt es Entscheidern, angemessen auf die emotionalen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden und Kunden einzugehen. Dazu müssen sie jedoch ihre eigenen Gefühle richtig verstehen und einordnen können. Das bedarf einer gewissen Selbstreflexion und Empathie. Fehler können passieren. Entscheidend ist der richtige Umgang damit.
Emotionale Kommunikation ist nicht einfach
In Krisenzeiten reagieren viele Menschen positiv auf emotionale Botschaften und fordern sie ein. Allerdings sollten diese immer echt sein. Ansonsten schlägt eine große Zustimmung schnell in eine große Ablehnung um. Das erlebte der Bäcker Gerald Bosselmann in der Anfangszeit der Coronakrise. In einem Video erzählte der Geschäftsführer unter Tränen über die Not seiner Betriebe und appellierte an die Kunden, weiterhin in Bäckereien zu gehen. Es wirkte sehr emotional und ging schnell in Social Media und in den Medien viral. Doch bereits kurz darauf tauchte ein internes Schreiben auf, in dem Bosselmann seinen Mitarbeitenden auf Schwarzen Brettern in den Betrieben mit fristloser Kündigung drohte, wenn diese sich leichtfertig infizieren oder den Coronavirus nur als Vorwand nehmen, um krankzufeiern.
Fehlende Empathie wurde ihm sofort vorgeworfen. Das Video wirkte scheinheilig und die Krisenkommunikation nicht konsistent. Daraus entstand ein Shitstorm. Doch in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ reagierte Bosselmann wiederum sehr geschickt, indem er dort um Verständnis warb und sich öffentlich entschuldigte: „Ich habe mich gefühlt wie ein Familienvater, der einmal sagen muss: bis hierhin und nicht weiter. Und ja, ich habe mich im Ton vergriffen, aber wer will das einem schulden in einer Zeit, wo niemand weiß, wie lange wir als Firma noch überleben? Ich war einfach wütend und vor allem auch in Sorge.“
Bei der Emotionalisierung sind Fehler erlaubt
Wenn sich ein Unternehmen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, sollte es damit offen, schnell und transparent umgehen. Warum kann ein Unternehmen seine Dienstleistung zurzeit nicht erbringen? Gibt es Lieferengpässe bei einigen Produkten? Warum ändern sich Öffnungszeiten? Wie erbringt es seine Services? Was hat sich in der Coronakrise für das Unternehmen geändert?
Entscheider sollten darüber sehr offen und transparent berichten. Emotionslos sollten sie in ihrer Kommunikation nicht sein, aber durchaus vorsichtig. Denn die Emotionalisierung kann eine schnelle und unmittelbare Wirkung entfalten, die sich nicht immer planen lässt. Deshalb sind hierbei erfahrene Kommunikatoren gefragt, die mit dem Feedback und einem Community Management umgehen können.
Es ist daher auch kein Wunder, dass vor einer emotionalen Kommunikation viele zurückschrecken. Fachliche Botschaften lassen sich leichter lancieren als emotionale Äußerungen. Der Grad der Peinlichkeit ist schnell erreicht, wenn falsche Betonungen gesetzt werden.
Doch selbst der Fall Bosselmann zeigt, dass Menschen, die öffentliche Aufmerksamkeit für ihr Handeln erhalten, auch Fehler machen dürfen. Wer geschickt einlenkt und sein Handeln erklären kann, dürfte von einer emotionalen Kommunikation profitieren, selbst wenn diese nicht ganz so perfekt abläuft wie gewollt.
Fazit: Seien Sie mutiger in Ihrer Kommunikation
Zum Abschluss möchte ich Ihnen empfehlen, online mutiger zu sein, über Ihre fachliche Expertise hinauszugehen und einen Teil Ihrer Persönlichkeit zu offenbaren. Sie werden überrascht sein, wie positiv Ihr Umfeld darauf reagiert, wenn Sie mutig sind und sich menschlicher zeigen, andere loben und auch manchmal eigene Schwächen eingestehen.
Als kommunikative Wesen sollten wir alle lernen, im digitalen Raum besser den Kontakt miteinander zu pflegen und freundlich zueinander zu sein. Die falsche Angst vor Emotionen in der Kommunikation nimmt uns die Chancen, anderen digital näher zu kommen und ihnen unsere Wertschätzung offen zu zeigen. Das Risiko, sich öffentlich zu bedanken und andere Menschen zu loben, sollten wir eingehen.
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