Veränderungsprozess

Alles bleibt anders – vom Erfolgsfaktor Resilienz in Veränderungsprozessen

Fokus: Veränderungsprozesse

Die Rahmenbedingungen des Lebens und Arbeitens haben sich in den letzten zwanzig Jahren beständig verändert und verschärft. Neue Technologien, eine weltweite Vernetzung und die ständige Erreichbarkeit buhlen um die Aufmerksamkeit der Menschen. Das Arbeitsleben verlangt von ihnen heute eine extrem hohe Präsenz, Konzentration und Achtsamkeit. Zunehmend schnellere Veränderungszyklen und kontinuierliche Wachstumsanforderungen stellen insbesondere an Führungskräfte hohe Erwartungen, weil auch die psychosozialen Belastungen am Arbeitsplatz immer mehr zunehmen. Sie sind mit Fragen zu ihrer eigenen Selbstfürsorge konfrontiert und haben zusätzlich eine Mitverantwortung für die Gesundheit der Mitarbeiter. Der Einfluss der Leitungspersonen auf die Leistungsfähigkeit und auf die Gesundheit der Mitarbeiter wurde durch zahlreiche Studien immer wieder belegt.

Verantwortliche in der Führung und Personalentwicklung stehen vor zwei großen Aufgaben, die es täglich zu bewältigen gilt:

  1. Veränderungen so zu gestalten, dass das Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig bleibt
  2. und zugleich förderliche Arbeitsbedingungen sicherzustellen

Wie können diese förderlichen Arbeitsbedingungen aussehen, ohne den unaufhaltsamen Wandel dabei auszuklammern? Der Mensch als „Gewohnheitstier“ steht in der Regel Veränderungen skeptisch gegenüber. Veränderungen sind mit Unsicherheit über die Zukunft verbunden und können als Gefahren und Risiken wahrgenommen werden. Aus der Organisationslehre wissen wir, dass jede Neuerung zunächst zu einer Verschlechterung der Arbeitszufriedenheit und der Produktivität führt, bevor es zu einer Leistungssteigerung kommt. Es muss darum gehen, in den Veränderungen die vorhandenen Potenziale zur Steigerung von Motivation und Produktivität auszunutzen, die Chancen zu benennen und den Zielpunkt der angestrebten Veränderung in einer „Changestory“ auszumalen. Wer versteht, wo der Weg hinführt, geht im besten Fall begeistert, zumindest aber willig mit. Die Stakeholder frühzeitig umfassend zu informieren und zu beteiligen ist ein ganz zentraler Punkt bei der gelingenden und nachhaltigen Gestaltung von Veränderungsprozessen. Beteiligung wiederum setzt bisher ungenutzte Potenziale frei. Wo Menschen Selbstbestimmung und Autonomie für eigene Gestaltungsspielräume zugebilligt wird, können bisher brachliegende Fähigkeiten wie kreatives Denken als Produktivitätsfaktor genutzt werden.

Fokus: Führungsverhalten und Gesundheit

Welche Rolle spielen dabei Führungsveranwortliche? Sie prägen das Klima in ihrem Arbeitsbereich, haben eine Vorbildfunktion und sind Multiplikatoren für jegliches von ihnen gezeigte Verhalten, selbstverständlich auch für das wichtige Thema „Gesundheit“. Hier kann das Konzept der „Salutogenese“ nach Antonovsky wertvolle Orientierung bieten. In Antonovskys Studien ging es um die Faktoren, welche eine Gesunderhaltung von Menschen begünstigen. Im Zentrum seines Modells steht der „Kohärenzsinn“, den wir im Deutschen mit „Urvertrauen“ übersetzen können.

Die Kohärenz verbindet drei zentrale Bereiche, die, in tägliches Führungsverhalten übersetzt, stark zur Gesundheit von Menschen in Unternehmen beitragen können. Zuerst sollten Führungskräfte für Verstehbarkeit am Arbeitsplatz sorgen. Probleme und Belastungen werden in einen größeren Zusammenhang gesetzt und verständlich erklärt. Die Zusammenhänge und Rahmenbedingungen werden von den Mitarbeitern als verständlich, stimmig und geordnet erlebt. Das zweite Element ist die Handhabbarkeit. Der Mitarbeiter wird vor Aufgaben gestellt, die er qualitativ und quantitativ lösen kann. Ihm werden die dafür nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt und die Arbeit findet unter Rahmenbedingungen statt, die seine vorhandenen Potenziale zur Entfaltung bringen anstatt sie zu hemmen. Der dritte Bereich der Kohärenz ist die Sinnhaftigkeit. Wo Führungskräfte die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter in größere Zusammenhänge stellen und ihnen dazu verhelfen, Ziele zu erreichen, wird die Arbeit als sinnvoll und lohnend empfunden.

Am Kohärenzmodell wird deutlich, dass wir bei gesundheitsfördernder Führung in Veränderungen nicht von neuen Managementtechniken sprechen. In den kleinsten Einheiten ihrer täglichen Kommunikation und ihrer Beziehungsgestaltung können Führungskräfte für Sicherheit und Sinnhaftigkeit sorgen, und auf diese Weise die Zufriedenheit, Motivation und die psychosoziale Gesundheit der Mitarbeiter fördern. Das Resultat davon sind eine höhere Arbeitsqualität und die Senkung von Fluktuation und Fehlzeiten. Damit Verantwortliche diese Aufgaben verinnerlichen können, sollten sie ihr Bewusstsein für die eigene zentrale Rolle mit Hinblick auf die Leistungsmotivation und Gesundheit der Mitarbeiter schärfen.

Fokus: Erfolgsfaktor „Resilienz“

Die Realität zeigt, dass gerade in Deutschland leider noch zu häufig von einer Vernachlässigung von Kultur und Führungssystem gesprochen werden muss. Studien belegen, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen keine Anstrengungen realisieren, um die Implementierung der neuen Arbeitswelten durch begleitende Maßnahmen voranzutreiben (Fraunhofer IAO, 2015). Allzu oft sind Führungskräfte nicht angemessen auf ihre veränderten Aufgaben vorbereitet. Weiche Faktoren zur Begleitung der Veränderungsprozesse werden systematisch vernachlässigt. Unternehmen, die sinnvolle flankierende Maßnahmen ergreifen, nutzen hingegen die vorhandenen Chancen und Möglichkeiten.

Was wird unter diesen „weichen Faktoren“ verstanden? Es geht um eine Stärkung der organisationalen und individuellen Resilienz im Unternehmen. Viele der Belastungsquellen sind schwer zu vermeidende Begleiterscheinungen der Veränderung, daher muss begleitend die Widerstandskraft von Organisationen und Menschen aufgebaut werden. Resilienz ist eine Metakompetenz, die uns in die Lage versetzt, Anpassungsprozesse vorzunehmen, körperliche, mentale, soziale und gesellschaftliche Krisen zu meistern und gestärkt daraus hervorzugehen. Sie ist die Kompetenz zur selbstständigen Krisenbewältigung. Die Resilienzforschung kann inzwischen verschiedene Schlüsselkompetenzen benennen, die zu dieser inneren Stärke zählen: Improvisationsvermögen und Lernbereitschaft, Selbstregulation und Selbstfürsorge, Netzwerkpflege und Optimismus, um nur einige zu nennen.

Vom Resilienzdenken geprägte Selbst- und Mitarbeiterführung sowie eine resiliente Organisationskultur sind zentral für die Kernkompetenzen der heutigen Unternehmenspraxis. Das Thema ist hochaktuell. Viele Firmen führen Resilienztrainings für Mitarbeiter und Führungskräfte durch. Organisationen prüfen, wie resilient sie als ganzes System sind. Dabei geht es um viel mehr als um Stressbewältigung. Es geht darum, eine innere Freiheit und Flexibilität zu erlangen, die dabei hilft, Veränderungsprozesse anzunehmen und zu bewältigen. Bei alledem darf ein wichtiger Faktor nicht außer Acht gelassen werden: Die Last, mit den Stressoren in Veränderungsprozessen umzugehen, darf von einem Unternehmen nicht ausschließlich auf das Individuum herunter gebrochen werden, weil dies zu einer weiteren Überforderung führt. Vielmehr gilt es, ein umfassendes Konzept zu verfolgen, das zentral bei der Rolle der verantwortlichen Leitungspersonen beginnt und von dort auf den einzelnen Mitarbeiter ausstrahlt.



Kommentar verfassen