Zusammenarbeit

Zusammenarbeit in Zeiten sozialer Distanz

Wie wir durch Achtsamkeit mit uns und anderen in Verbindung bleiben

Kennen Sie das? Während einer Videokonferenz bereiten Sie parallel schon das nächste Meeting vor oder beantworten dringende Emails anstatt zuzuhören? Am Ende des Tages fühlen Sie sich erschöpft, haben aber das Gefühl von Ineffizienz? Sie sind ständig erreichbar, aber haben kaum ein Wort mit Ihren Kolleg:innen gewechselt? Im Homeoffice ist man nicht nur vermehrt Ablenkungen ausgesetzt, es fehlt zudem meist der Raum für persönlichen Austausch. Achtsamkeitstechniken können helfen, diesen Herausforderungen entgegenzuwirken.

Remote-Arbeit gehört seit Corona zu unserem Alltag und wird auch in Zukunft die Chancen flexibler und innovativer Arbeitsweisen mit sich bringen [1; 2]. Die Verlegung des Büros in die eigenen vier Wände hat allerdings erhebliche Folgen: Es häufen sich die Berichte von weniger genommenen Pausen, Arbeitsverdichtung und zusätzlichen privaten Belastungen – man ist beruflich zwar ständig erreichbar, aber remote auf sich allein gestellt.

Remote-Arbeit verringert das Gefühl sozialer Zugehörigkeit und Verbundenheit im Team, was zu gesteigertem Stressempfinden und geringerer Arbeitszufriedenheit führen kann [3]. Aus einer Befragung im Auftrag der Techniker Krankenkasse ging zudem hervor, dass die Belastungen insbesondere bei Personen im Homeoffice parallel zu den Verschärfungen der Corona-Regelungen zunehmen [4]. Die WHO und Wissenschaftsverbände warnen aktuell vor dem Risiko der sozialen Isolation, Pandemie-Müdigkeit und sogar einem Anstieg von Depressionen in Folge von Remote-Arbeit [5; 6].

 

Zukunftsfähige Unternehmen unterstützen achtsame Verhaltensweisen

Es ist davon auszugehen, dass lokal gebundenes Arbeiten zukünftig abnimmt und wir nicht zum Prä-Pandemie-Zustand zurückkehren [7; 8]. Entsprechend passen Unternehmen ihre Kompetenzen an, um zukünftig eine effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen. Auf zwei Kompetenzen gehen wir hier ein: Konzentration und Mitgefühl. Selbst McKinsey & Co. betont die Relevanz dieser Fähigkeiten für die Arbeitswelt [1; 2]. Beide können durch achtsame Verhaltensweisen kultiviert werden: Wer achtsam mit sich und anderen umgeht, ist weniger belastet und kann im Berufsalltag stabile, harmonische Verbindungen aufbauen.

Zudem tragen regelmäßige Achtsamkeitsübungen langfristig dazu bei, einen klaren Kopf zu bewahren und Mitgefühl auszubilden. Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen; man kann es auch als Präsenz oder Gewahrsein bezeichnen. Dabei wird eine neugierige, offene Haltung eingenommen, ohne sich in Gedanken zu verlieren, was üblicherweise automatisch passiert [9]. Achtsamkeit wird heute sowohl im betrieblichen Gesundheitsmanagement eingesetzt als auch vermehrt zur Verbesserung des Führungsstils sowie der Kommunikation im Team und wird im Hinblick auf ihre Wirkung am Arbeitsplatz verstärkt wissenschaftlich untersucht [10].

Eine groß angelegte Studie der RETURN ON MEANING GmbH in Zusammenarbeit mit der Universität Witten/Herdecke und der FOM Hochschule für Oekonomie und Management untersucht seit 2019 die Wirkung ihres Achtsamkeitsprogramms MOMENTUM, bestehend aus Live-Webinaren und täglichen Übungen per App. Dabei zeigte sich gerade in der Corona-Pandemie, dass Achtsamkeit ein wirksames Mittel ist – sowohl um emotionaler Erschöpfung vorzubeugen, als auch für den Führungsstil und die Zusammenarbeit im Team.

 

Mit sich selbst besser in Verbindung stehen und Konzentration fördern

Die Vielzahl an Kommunikationskanälen führt zu einem täglichen „Overload“ an Informationen und gibt vielen das Gefühl, zwischen Aufgaben hin und her switchen zu müssen. Insbesondere im Homeoffice sind wir zusätzlichen reflexartigen Unterbrechungen ausgesetzt: Dies kann der Impuls sein, noch schnell die Wäsche aufzuhängen oder doch noch kurz die aktuellen News zu checken. Ständige Unterbrechungen sind ineffizient und langfristig ungesund.

Eine Stanford-Studie [11] zeigt: nach nur einer halben Stunde Multitasking verringert sich unsere Fähigkeit signifikant, Informationen zu verarbeiten; das Stresshormon Cortisol wird ausgeschüttet und wir erleben in der Folge Erschöpfung und Konzentrationsverlust. Schützen wir uns vor Unterbrechungen und verringern Multitasking, sind wir dagegen präsenter und können herausfordernde Aufgaben effizienter bearbeiten [12]. Der Gegenpol von Erschöpfung ist nicht unbedingt Erholung, sondern die Dinge mit vollem Herzen ohne Ablenkung zu tun. Um diese Präsenz im Arbeitsalltag zu kultivieren, können Sie bereits mit kurzen Achtsamkeitsübungen viel erreichen:

Achtsamkeits-Toolbox für die virtuelle Zusammenarbeit (1): Konzentration
  • Achtsame Rituale: z. B. Duschen oder Zähne putzen oder ein Gespräch mit voller Präsenz erleben; wahrnehmen, was gerade ist und nicht in Gedanken bereits die to do-Liste durchgehen
  • Kurzes Innehalten begleitet von drei tiefen Atemzügen und dem Bewusstmachen „Wie fühlt sich der Körper an?“ und „Was ist jetzt gerade wichtig?“ vor jedem neuen Kontext (z. B. Wechsel von Arbeit und Familiensetting; Beginn eines längeren Meetings)
  • E-Mail-Disziplin: im Team klären, wie E-Mail-Traffic reduziert werden kann (z. B. durch Nutzung anderer Kanäle wie Slack; durch Rollenklärung und Reduktion der CC-Setzungen); Regeln zur Antwort-Rate festlegen (muss man innerhalb von Minuten antworten oder reicht auch innerhalb einer Stunde o. a.)
  • Meetings nach Möglichkeit auf 25 (statt 30) oder 55 (statt 60) Minuten einstellen, um kurze Pausen zwischen Terminen zu erleichtern
  • Sich vor unnötigen Unterbrechungen schützen:
    • Push-Benachrichtigungen von E-Mail und sozialen Netzwerken ausschalten
    • Nicht dringende E-Mails bewusst in festgelegten „Zeitblöcken“ checken
    • Statt mit der Bearbeitung von E-Mails mit der wichtigsten Aufgabe den Arbeitstag starten
  • Bewusste Atmung und Lockern der Schultern zwischendurch, um sich zu sammeln

 

Achtsame Zusammenarbeit fördert Verbindungen und Mitgefühl

Ganz einfache, praktische Methoden, um Verbindung im Team zu fördern, basieren auf der Annahme, dass Empathie – als Voraussetzung für Mitgefühl – durch das Erkennen von Gemeinsamkeiten entsteht: In Remote Zeiten explizit Raum für den Austausch auch zu persönlicheren Themen im Team zu ermöglichen ist hier die Antwort auf die soziale Distanz. Das gelingt z. B. durch die Lunch Lottery oder die Frage der Woche (siehe unten). Die Person hinter dem Bildschirm erscheint uns plötzlich viel näher, wenn wir z. B. feststellen, dass sie die gleichen Dinge vermisst wie wir selbst – dieses Phänomen wird in der Psychologie als common humanity bezeichnet und führt zu höherem Mitgefühl im Team.

Achtsamkeits-Toolbox für die virtuelle Zusammenarbeit (2): Verbindung stärken, um Mitgefühl zu kultivieren
  • Wöchentliche, kurze Stand-up Meetings im Team mit Fragen wie: „Woran arbeite ich gerade?“, „Was beschäftigt mich gerade zusätzlich?“ oder der Stimmungsabfrage „Wie ist meine innere Wetterlage“ – fördern Sie konkrete Antworten wie „stürmisch“, „sonnig“, „nebelig“
  • Lunch Lottery: zugeloste Mitarbeiter:innen treffen sich zum Austausch beim (virtuellen) Mittagessen, auch über Teamgrenzen hinaus
  • „Ankommen-“Minute in Besprechungen: Beginnen Sie Besprechungen mit 1 Minute der Stille, in der alle ein paar Mal tief ein- und ausatmen und sich ihrer Intentionen bewusst werden
  • Bei einer Gruppe <10 lassen alle ihr Mikrofon an, um Dynamik und Präsenz ohne „technische Pausen“ zu fördern
  • Regelmäßiger Austausch zu Fragen und Erfahrungen rund um die Corona-Pandemie, z. B. im zweiwöchentlichen „Corona-Call“
  • Telefontermine ohne Video als „gemeinsame Spaziergänge“ gestalten
  • Frage der Woche im Team Check-In: Eine Frage der Woche wird reihum kurz beantwortet, in größeren Teams funktioniert dies auch über Chat. Z. B. „Was würdest du als erstes machen, wenn Corona heute vorbei wäre?“, „Was hat dir diese Woche Energie gegeben?“, „Wofür bist du heute dankbar?“, „Welchen Geruch verbindest du mit dem Sommer?“

Welche Technik nutzen Sie für Ihren Arbeitsalltag? Und welche Frage würden Sie jetzt gerne Ihrem Team stellen? Lassen Sie es uns wissen!

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Quellen

[1] https://www.mckinsey.com/business-functions/organization/our-insights/overcoming-pandemic-fatigue-how-to-reenergize-organizations-for-the-long-run

[2] https://www.mckinsey.com/business-functions/organization/our-insights/the-organization-blog/organizing-for-the-future-why-now

[3] Bentley, T.A. , Teo, S.T.T., McLeod, L., Tan, F., Bosua, R.  & Gloet, M. (2016). The role of organisational support in teleworker wellbeing: A socio-technical systems approach. Applied Ergonomics. Vol. 52.

[4] Meyer,B., Zill, A. & Schuhmann, S. (2020). Arbeitssituation und Belastung zu Zeiten der Corona-Pandemie. In Techniker Krankenkasse (Hrsg.), Corona 2020: Gesundheit, Belastungen, Möglichkeiten.

[5] Riedel-Heller S. G., Röhr S., Seidler, A. & Apfelbacher, C. (2020) Psychosoziale Folgen von Isolations- und Quarantänemaßnahmen: Womit müssen wir rechnen? Was können wir dagegen tun? Policy_Brief_Psychosoziale_Folgen_von_Isolation_30042020_final.pdf (public-health-covid19.de)

[6] World Health Organization Europe (2020). Pandemic fatigue – reinvigorating the public to prevent COVID-19. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/335820/WHO-EURO-2020-1160-40906-55390-eng.pdf

[7] https://www.iao.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/aktuelles/homeoffice-experience-prognosen-fuer-unsere-zukuenftige-arbeitswelt.html

[8] https://www.mckinsey.com/business-functions/organization/our-insights/reimagining-the-office-and-work-life-after-covid-19 (June 2020)

[9] Von Hehn, A., & Von Hehn, S. (2015). Achtsamkeit in Beruf und Alltag. Haufe-Lexware.

[10] Vonderlin, R., Biermann, M., Bohus, M., & Lyssenko, L. (2020). Mindfulness-based programs in the workplace: a meta-analysis of randomized controlled trials. Mindfulness, 11(7), 1579-1598.

[11] Madore, K.P., Khazenzon, A.M. & Backes, C.W. (2020). Memory failure predicted by attention lapsing and media multitasking. Nature, 587, 87–91.

[12] Dean, D. & Webb, C. (2011). Recovering from information overload. McKinseyQuarterly.



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