Schwächen

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Wie Sie konstruktiver mit – tatsächlichen oder vermeintlichen – Schwächen umgehen könnten, den eigenen und denen anderer – ein paar Tipps

 

Worin sind Sie nicht gut? Was könnten Sie gerne besser? Worüber ärgern Sie sich an sich selbst? Und welche Schwächen sehen Sie an anderen, in der Firma, in der Familie, im Verein?

Wer von Ihnen jetzt schon weggeklickt hat – eigentlich gar nicht so dumm.

Denn mit unseren Schwächen beschäftigen wir uns eigentlich eh schon genug. Auf die Schwächen fokussieren: unklug, unproduktiv, macht uns unglücklich.

Aber leider sind wir für das, was wir gut können, womit wir anderen das Leben leichter und angenehmer machen, kurz: Für unsere Stärken sind die meisten von uns blind. Etwa ein Drittel der Befragten gibt in Studien an, sie wüssten um die eigenen Stärken. Und höchstens ein Viertel der Befragten sagt von sich, sie oder er könne regelmäßig eigene Stärken auch ausleben in der Arbeit.

Wie ist das bei Ihnen? Haben Eltern und Lehrer Ihnen Ihre Stärken, Talente und Kompetenzen rückgemeldet – oder waren die eher mit dem Rotstrich unterwegs und haben Mängel kritisiert? Loben Ihre KollegInnen, Ihre Führungskraft Sie für das, was Sie alles gut machen, gern machen, leicht machen, erfolgreich machen? Oder geht es da auch nur um „Wäre schön, wenn…“, „Warum hast Du nicht…“, „Du bist/hast/leider immer…“ Und vielleicht haben Sie sogar eineN CoachIn, eineN BeraterIn, eineN TherapeutIn an Ihrer Seite, und in der gemeinsamen Arbeit geht es permanent um – richtig: Probleme, Mängel, Defizite. Wir beschäftigen uns viel zu viel mit den Schwächen. Und viel zu wenig mit den Stärken.

Wenn Sie also mit Ihren Schwächen konstruktiver umgehen wollen, Tipp eins: Erstmal die Optik wechseln. Und stärker auf die Stärken schauen!

„Entwicklungspotenzial.“ „Delta.“ „Noch-nicht-Stärken.“ „Förderbereiche.“ Und! So! Weiter! Ich finde es lebensfremd und dysfunktional mit welchem Vokabular manchmal um Schwächen herumgeredet wird. Schwächen sind Schwächen. Und jedeR hat, finde ich, ein Recht auf ihre oder seine Schwächen. Bestreiten oder verleugnen Sie die Dinge nicht, die Ihnen oder anderen schwer fallen, Energie ziehen und selten zu Erfolg führen. Kein Schönreden von Schwächen bitte!

Und gleichzeitig: Betrachten Sie Schwächen realistisch und genau, die eigenen und die anderer. Ist der Mangel, das Defizit in allen Bereichen gleich schlimm – oder in manchen Kontexten weniger relevant? Ich etwa, falls Sie das interessiert, bin nicht immer besonders warmherzig und freundlich, man könnte auch sagen: ein Mangel an Empathie ist eine Schwäche von mir. Keine gute Eigenschaft für einen Trainer, Coach und Vater, das gebe ich zu. Gleichzeitig weiß ich, dass ich nicht immer gleich unfreundlich und distanziert bin. Und ich kann mich – in besonders guten Momenten – für diese meine Schwäche auch entschuldigen.

Kristin Neff spricht von „Self-Compassion“, auf deutsch: Selbst-Mitgefühl, ich spreche gern von innerer Komplizenschaft: Die eigenen Schwächen genau umschreiben und bewusst machen; die eigenen Defizite einordnen, in einen Kontext setzen; und in Selbstfreundlichkeit sich selbst die Hand auf die Schulter legen, wie wenn man das bei einer angeschlagenen Freundin oder einem Kollegen nach einem dicken Fehler machen würde, und sagen: „Macken und Fehler haben wir alle“ – das ist innere Komplizenschaft.

Aus Schwächen eine Stärke machen wollen? Schwächen auf Star-Niveau bringen, durch Schulungen, Coachings, schlaue Bücher? Verbranntes Geld, verschwendete Energie, vertane Zeit. Und: versaute Stimmung. Wenn allerdings eine Schwäche Ihre Leistungsfähigkeit, Ihr Funktionieren, Ihr So-sein wirklich dramatisch behindert, so wie das Leck in einem Bootsrumpf verhindern kann, dass der stärkste Wind und die größten Segel das Schiff überhaupt noch in Fahrt bringen: Dann sollten Sie die Schwäche angehen. Aber eben so, wie man mit einem Leck umgeht: Abdichten, auf ein „passt scho“-Niveau bringen, wie wir in Bayern sagen. Aber auch nicht mehr.

Wenn der Pinguin in den Löwenkäfig gesteckt wird und dort nie zum erfolgreichen Landraubtier wird – ist dann der Pinguin schuld? Oder nicht eher der Zoo-Direktor? Nirgends wird so gelogen wie bei Partnerschaftsanzeigen und bei Stellenbeschreibungen. Machen Sie also Job-Crafting, schnitzen Sie bei Stellenbeschreibungen das weg, was die Schwächen zu stark betont, und basteln Sie dazu, was gut, gerne und erfolgreich von der Hand geht, bei sich und anderen! Es kommt ein neues hybrides Miteinander mit viel individuelleren Vereinbarkeiten von Job, Familie und Freizeit auf uns alle zu, da muss eh vieles von links auf rechts gezogen werden. Nutzen Sie diese Veränderungen dafür, Stärken zu stärken und Schwächen irrelevanter zu machen, bei der Zuschreibung von Aufgaben, beim Delegieren etc.!

Ich habe zwei dermaßen linke Hände, dass jede klappernde Gangschaltung noch lauter klappert, wenn ich mich nur zur genaueren Betrachtung niederbeuge! Zum Glück habe ich ein, zwei kompetent-freundlich-fix-günstige Radl-Geschäfte um die Ecke für den Fall, dass Stefan keine Zeit hat. Und zum Glück habe ich meinen äußerst schraubbegabten und -motivierten Freund Stefan, der Zeit hat, wenn der Radl-Laden zu hat. Schwächen wegdelegieren, am besten an wen, der in dem betreffenden Bereich seine Stärken hat – für mich ein Erfolgsrezept.

Schwächen mit Stärken kompensieren würde zum Beispiel heißen: Sie sind sehr, sehr schnell, überrollen Ihre Truppe manchmal in Ihren Vorträgen. Wenn Sie aber empatisch sind und das immer mal wieder mitbekommen; und wenn Sie mit Humor über sich selbst lachen können, dann könnten Sie zum Beispiel in einer solchen Situation sagen: „Autsch, jetzt habe ich Euch aber auf links ohne Blinker überholt, oder? Entschuldigt, ich mach’s noch mal Schritt für Schritt.“ Nur als Beispiel.

Und wenn Sie mit all diesen Schritten erfolgreich sind: Vergessen Sie nicht, den Fortschritt bei den Schwächen festzuhalten! Schriftlich oder mündlich, egal. Wobei: Eigentlich ist es ja dann ein Rückschritt. Aber Sie wissen schon, was ich meine, oder? Denn wenn Sie es bis hierher geschafft haben im Text, zählen Denk- und Durchhaltevermögen schon mal nicht zu Ihren Schwächen.



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