Mitarbeiter

Ob Unternehmen eine Seele haben, wissen die Mitarbeiter am besten

DER WETTBEWERBSVORTEIL, DER KEINE EXTRA-INVESTITIONEN BENÖTIGT

 

Die Bedeutung des englischen Wortes Commitment ist in der deutschen Sprache – wie so oft – nur mit mehreren Worten zu erfassen. Das „Engagement“, die „Bindung“, die „Verpflichtungserklärung“, die „Hingabe“ – das sind nur vier der landläufigen Übersetzungen. Im Englischen drückt der Begriff alle vier auf einmal aus. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch Mitarbeiter aus, die committed sind, für die also all diese Übersetzungen selbstverständlich sind in ihrem Arbeitsalltag. Ich bezeichne diese Firmen als Unternehmen mit einer Seele.

Nur Mitarbeiter können beurteilen, ob das so ist. Eigentümer und Geschäftsführer malen sich die Welt oft, wie sie in ihrer Vorstellung sein soll. Mitarbeiter haben jedoch ein untrügliches Verständnis davon, ob in „ihrer“ Firma alles „im Lot ist“. Denn Commitment ist wie Vertrauen – man kann es nicht verordnen. Die entscheidende Frage für Führungskräfte ist, wie sie ihre Hebel nutzen können, um eine Unternehmenskultur zu etablieren, die ein hohes Maß an Commitment erzeugt.

Damit alles “im Lot” sein kann, müssen die Kernelemente der Unternehmenskultur ausbalanciert sein. Das Soul System™ ist ein Modell, das drei Ebenen untersucht, die für eine ausgewogene und erfolgsfokussierte Unternehmenskultur kritisch sind:

  1. Der „gemeinsame Unternehmenszweck“ (shared purpose)
  2. Das „gemeinsame Unternehmensverständnis“ (shared understanding)
  3. Die „gemeinsamen Verhaltensweisen“ (shared behaviors)

Das Wort „gemeinsam“ ist dabei essentiell. Zu oft sind Strategien zwar brillant ausgearbeitet, aber nachlässig kommuniziert. Wie sollen Mitarbeiter denn „mitgenommen“ werden, wenn die Unternehmensführung nicht ausreichend klarmachen kann, wohin die Reise gehen soll. „Warum bin ich hier?“ ist die wichtigste Frage, die jeder Mitarbeiter beantworten können sollte. Denn wer das weiß – und nicht nur mit den Standards „sicherer Arbeitsplatz, gutes Gehalt“ kommt – hat die Chance, auf Identifikation auf einem anderen Niveau. Und diese Identifikation ist es, die Commitment ermöglicht. Dabei vernachlässigen Führungskräfte zu oft einen wirklich offensichtlichen Aspekt: Commitment kostet erstmal keinen Cent extra. Erstmal, denn die Arbeit am Unternehmenszweck, dem Unternehmensverständnis (Vision, Mission, Werte, Geist der Firma) wird ohnehin gemacht. Wer es dann nicht bei schönen Worten und tollen Imagefilmen belässt, sondern den Worten Taten folgen lässt, bekommt das Commitment gratis dazu. Aber es ist wie mit dem Vertrauen – es dauert lange, bis es erarbeitet ist, es dauert einen Moment, bis es verspielt ist. Deshalb kommt es auf die gemeinsamen Verhaltensweisen im Unternehmen an, die „Taten“. Und da schauen Mitarbeiter sehr genau hin und Führungskräfte müssen sich daran messen lassen – Bewertungsportale wie Kununu, Indeed oder Glassdoor machen öffentlich, was bis vor Jahren nur Insiderwissen war. Sie sind eine unschätzbare Hilfe – auch wenn man sicher akzeptieren muss, dass ein Teil der Bewertung einer Situation der Frustration entspringt – wenn Bewerber sich informieren wollen, was es mit der Kultur der Unternehmen denn so auf sich hat. Führungskräfte (nicht nur im Personalwesen) sollten diese Quelle der authentischen Information regelmäßig nutzen; sie gibt eine unabhängige zweite Meinung im Gegensatz zu den internen Standardpräsentationen, die oft ein geschöntes Bild vermitteln.

Eines der Beispiele, dass ich im Rahmen der Recherche zu meinem Buch BUILDING CORPORATE SOUL – Powering Culture & Success with the Soul System™ studiert habe, ist das amerikanische Social Media Netzwerk LinkedIN, das 2016 von Microsoft übernommen wurde. Es ist beispielhaft für die Klarheit der strategischen Ebenen des Soul Systems™:

  1. Der Unternehmenszweck ist ein-eindeutig: To facilitate professional networking – Professionelles Netzwerken zu ermöglichen.
  2. Ebenso klar ist die Unternehmensvision formuliert: Create economic opportunity for every member of the global workforce – Jedem Mitglied der globalen Arbeitswelt wirtschaftliche Chancen zu eröffnen.
  3. Daraus ergibt sich eine klare Mission: To connect the world’s professionals to make them more productive and successful – Die Arbeitnehmer der Welt zu verbinden, um sie produktiver und erfolgreicher zu machen.

Kein Wunder, das CEO Jeff Weiner bislang der einzige CEO ist, der bei Glassdoor von seinen Mitarbeitern eine 100 % Zustimmung erhalten hat – Klarheit im Denken und Kontinuität im Handeln sind eben die Zutaten für unternehmerischen Erfolg. Auch auf der Verhaltensebene ist LinkedIn beispielhaft: Weiner war sich nicht zu schade, alle zwei Wochen (ja, zweimal im Monat – das ist Commitment) ein „All-Hands-Meeting“ abzuhalten, um die Mitarbeiter wirklich regelmäßig auf dem Laufenden zu halten und gleichzeitig ein Diskussionsforum zu bieten. Während seiner 10 Jahre als CEO wuchs die Firma enorm: Aus 37 Millionen Nutzern (2009) wurden bis 2019 660 Millionen. Wer heute auf Indeed.com schaut, wie die Mitarbeiter die Firma aktuell bewerten, findet 2020 54 % „5-Sterne“ Bewertungen und 28 % „4-Sterne“ Bewertungen bei 0,01 % „1-Stern“ Bewertungen. Ein Traumergebnis. 82 % der Teilnehmer sagen, „ihre Arbeit verfolge einen klaren Zweck“.

Woran scheitert es aber in vielen Unternehmen, diese Klarheit zu schaffen? Die folgenden zehn Fragen helfen CEOs dabei zu verstehen, wo es hakt:

  1. Können Sie die Unternehmenskultur in einem Satz zusammenfassen?
  2. Würde Ihr Führungsteam die gleichen Worte benutzen?
  3. Haben Sie Anlässe geschaffen, die die Seele Ihres Unternehmens für alle Mitarbeiter greifbar machen?
  4. Beurteilen die Mitarbeiter Ihres Unternehmens die Sinnhaftigkeit des Unternehmenszwecks im Rahmen der regelmäßigen Befragungen?
  5. Trägt Ihre Arbeitgeber-Marke der realen Unternehmenskultur Rechnung?
  6. Welche Rolle spielt Empathie in der Führungskultur?
  7. Reflektieren Sie das Verhalten der Führungskräfte im Zusammenhang mit dem Unternehmenskodex und agieren entsprechend?
  8. Sind die Prinzipien Ihrer Führung klar für jeden im Unternehmen?
  9. Haben Sie eine Kultur geschaffen, die die gewünschten Verhaltensweisen im Alltag unterstützt?
  10. Welche Ihrer heutigen Taten ist dazu angetan, die Seele des Unternehmens zu stärken?

Ob Weltkonzern oder Familienunternehmen, ob Startup oder jahrhunderte-alte Firma – Unternehmen mit Seele sind erfolgreicher über alle Branchen hinweg. Das älteste Unternehmen im Soul Index ist Deloitte (gegründet 1845), das jüngste Workday (2005). Allen Soul Index Unternehmen ist gemein, dass sie Unternehmenserfolg und Mitarbeiter-Zufriedenheit als zwei Seiten der gleichen Medaille sehen.



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