Quote

Quote, nein danke – bei uns in der Organisation ist doch alles paletti!

Sollten eindeutige Statistiken zur Verteilung von Führungspositionen nicht mittlerweile ernsthaft Anlass zum Handeln in Organisationen geben? Müssten Führungskräfte nicht längst angesichts der öffentlichen Debatten um Gender-Pay-Gaps etc. die Zeichen der Zeit erkannt haben? Wären Quoten nicht eine logische Schlussfolgerung, um durch die Zunahme weiblicher Führungskräfte weitere solidarische Promotorinnen zur Förderung der Gleichstellung zu gewinnen? Sollte man eigentlich doch meinen, oder? Wie aber denken Führungskräfte wirklich über diese Themen?

Neue Auswertungen unseres jährlichen Führungskräfte-Radars mit dem Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI) fördern bemerkenswerte, weil verwirrende Sichtweisen von Führungskräften zutage, die bisher in der Gender- und Gleichstellungsdebatte ausgeklammert zu sein schienen. Es sind Befragungsergebnisse, die eigentlich auf den ersten Blick ermutigen müssten, wäre da nicht ein Bias zu der öffentlichen Wahrnehmung bei Gender- und Gleichstellungsfragen. Es ist diese Widersprüchlichkeit, die es zu diskutieren gilt. Black Box: Führungskräfte und ihre Haltung!

 

Beurteilung der aktuellen Lage zur Gleichstellung in Unternehmen meist positiv

Aber der Reihe nach. Führungskräfte in Deutschland scheinen nicht nur skeptisch zu sein, wenn es um verpflichtende Maßnahmen wie Quoten geht, sondern vielmehr scheinen sie auch den Eindruck zu haben, dass wenig Handlungsbedarf besteht. Gender und Gleichstellung – klar wichtige Themen für die Gesellschaft, aber in unserer Organisation ist doch alles paletti! Augenscheinlich haben Führungskräfte also ihren eigenen Blick auf diese gesellschaftspolitischen Fragen und eine für Außenstehende wahrscheinlich eher befremdliche Wahrnehmung der Realitäten.

Genauso überraschend: Weibliche und männliche Führungskräfte nehmen die Themen ähnlich wahr. „Gleichstellung ist kein Selbstläufer“, kommentierte Studienleiter Professor Guido Möllering vom RMI die Ergebnisse „Das Problembewusstsein ist gering und es gilt, sowohl Gängelung als auch Gleichgültigkeit zu vermeiden“. Vermutlich erstaunt es zunächst nicht, dass viele der befragten Führungskräfte grundsätzlich erst einmal skeptisch sind, wenn es um die Einführung verbindlicher Regeln wie etwa Frauenquoten oder gendergerechte Sprache im eigenen Unternehmen geht.

Bei der Frage, ob die öffentliche Diskussion über Frauenquoten in der eigenen Organisation förderlich ist, scheiden sich die Geister: 39,7 % der Befragten stimmen zu. Aber 34,9 % scheinen den Eindruck zu haben, dass von außen vorgegebene Regeln nicht zielführend sind. Unterschiede zeigen sich auch bei der Frage, ob das eigene Unternehmen verbindliche Regelungen für eine gendergerechte Sprache hat. 39,8 % der Führungskräfte geben an, dass ihr Unternehmen entsprechende Vorgaben macht; 41,9 % sagen allerdings das Gegenteil.

 

Gleichstellung ist kein Selbstläufer

Man kann aus den Zahlen schließen, dass ein großer Teil der Unternehmen das sogenannte „Gendern“ (noch) nicht regelt und es den Führungskräften und Belegschaften selbst überlässt. Damit muss nicht unbedingt gleich eine gleichstellungsfeindliche Haltung einhergehen, sondern eher eine Skepsis gegenüber Regulation von außen oder oben. Fragt man umgekehrt, wo Unternehmen beim Thema Gleichstellung bereits stehen, wird deutlich, dass die Führungskräfte – männlich wie weiblich – den Eindruck haben, dass es in ihren eigenen Unternehmen kaum Probleme gibt.

Fast jede zweite Führungskraft (45,6 %) behauptet immerhin, dass bei ihnen die bewusste Beachtung von Diversität bei der Teambesetzung vorherrscht. Jeweils eine sehr deutliche Mehrheit der Führungskräfte gibt sogar an, dass in ihrem Unternehmen das Geschlecht der Führungskraft keinen Unterschied macht (74,4 %), sie keine Geschlechterkonflikte erleben (81,7 %) und dass in ihrem Unternehmen das Gehalt unabhängig vom Geschlecht ist (76,7 %) – obwohl das Statistische Bundesamt (2021) für 2020 einen Gehaltsnachteil der Frauen von 18 % ermittelt hat.

 

Fast keine Unterschiede bei Antworten der männlichen und weiblichen Führungskräfte

Bemerkenswert an den Ergebnissen des Führungskräfte-Radars ist, dass es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Antworten männlicher und weiblicher Führungskräfte gibt. Es wäre zu erwarten gewesen, dass Frauen als Benachteiligte – zum Beispiel wegen schlechterer Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten – die Gerechtigkeitsprobleme in ihren Unternehmen deutlich negativer erleben als die Männer. Dies ist aber nicht erkennbar. Was also bewegt weibliche Führungskräfte zu diesen eher optimistischen Annahmen? Es wird ja wohl nicht an mangelnder Solidarität liegen?

Zumindest erscheint „Gendergerechtigkeit“ den meisten Führungskräften im eigenen Arbeitsbereich unproblematisch. Allerdings macht die Führungsebene einen Unterschied aus: Die obere Führungsebene hat insgesamt ein positiveres Bild der Gleichstellung im eigenen Unternehmen als die mittlere und untere Führungsebene. Die obere Ebene stimmt auch mit mehr als 80 % zu, dass das Geschlecht keinen Unterschied macht und die Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Verpflichtungen unterstützt wird, während die untere Ebene zu weniger als 70 % zustimmt.

Augenscheinlich gibt es in der Debatte um Gleichstellungs- und Genderfragen einen bisher wenig beleuchteten Aspekt. Denn, wenn Führungskräfte entgegen der weitläufigen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit die Situation in ihren Organisationen positiv sehen, drohen betriebliche Maßnahmen dann nicht ins Leere zu laufen? Läuft doch! Tatsächlich zeigt der Führungskräfte-Radar 2021 zur Gender- und Gleichstellungsthematik vor allem die Notwendigkeit, die aktuellen Zustände in den Unternehmen zu hinterfragen. Es braucht den Reality-Check, um Transparenz herzustellen.

 

Es braucht Transparenz, um den „rosa Elefanten“ im Raum zu identifizieren

Insbesondere die Kluft zwischen den Wahrnehmungen der Führungskräfte gegenüber den oft zu hörenden Klagen über Missstände an der Basis bedarf der eingehenden Überprüfung. Dabei hat der Gesetzgeber zum Beispiel mit dem Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern den Beteiligten in den Unternehmen ein Instrument an die Hand gegeben, Arbeit und Arbeitsplätze von Männern und Frauen bewerten zu lassen und Ungleichbehandlungen offen zu legen. Diese Form der Überprüfung sollte öfter und konsequenter genutzt werden.

Nachdenklich lässt einen auch das Antwortverhalten der weiblichen Führungskräfte zurück. Welche Einstellungen haben sie zu Gleichstellung und Frauenförderung. War es vor der Übernahme einer Führungsaufgabe eine andere und hat es sich erst mit der Führungsposition verändert? Oder bahnt sich eine Mentalität den Weg: Wenn ich es geschafft habe, hätten es auch andere schaffen können? Fragen über Fragen zu einem hoch sensiblen Thema. Aber man sollte sich nicht in Spekulationen ergehen. Auch hier braucht es Transparenz, um den „rosa Elefanten“ im Raum zu identifizieren.

Bleibt noch die Aufgabe, wie die „Black Box: Führungskraft“ zu öffnen und Führung für die Situation im eigenen Arbeitsumfeld zu sensibilisieren ist. Transparenz muss her: Ist alles gut – umso besser, ist etwas im Argen, dann gilt es konsequent zu handeln. Von der Aufklärung zu Bias in der Kultur über die Formulierung einzelner Zielvorgaben bis zu Konsequenzen bei Verstößen. Bevor also weiter allgemeine Programme zur Diversity initiiert werden, gilt es seitens der Personalentwicklung, kontextspezifische Interventionen bei Führungskräften zu veranlassen.



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