OKR

Ziele mit Zug auswählen, verfolgen, erreichen – 6 Dinge, die Sie über #OKRs wissen sollten

Kurze Frage an Sie – seien Sie gern ehrlich, es guckt Ihnen ja gerade (hoffentlich) keiner zu: Was sind die wichtigsten drei Themen für Ihre Organisation gerade? Welche drei strategischen Ziele verfolgt Ihr Unternehmen, Ihr Betrieb?
Wissen Sie nicht?
Wenn das so ist, dann sind Sie in allerbester Gesellschaft. Leider. Eine in der MIT Sloan Management Review vorgestellten Studie mit über 4000 Befragten aus mehr als 100 Unternehmen hat ergeben: Gerade mal 13 Prozent der Führungskräfte auf „Frontline Level“, die die Strategie ganz praktisch in die Tat umsetzen sollen, können die wichtigsten Prioritäten ihrer Organisation benennen. Unter den Top Leaders, also jenen, die sich diese strategischen Grundpfeiler ausgedacht haben, sind es gerade mal 51 Prozent, die die Top 3-Prioritäten ihres Unternehmens korrekt nennen können (https://sloanreview.mit.edu/article/no-one-knows-your-strategy-not-even-your-top-leaders/).

Vielleicht ist das in Ihrer Organisation ja ganz anders – wahrscheinlich aber nicht.
Führende und Geführte gleichermaßen sind häufig ziemlich verloren im Dschungel aus Strategie-Initiativen, Langfrist-Zielen, Action Plans, Projekten etc. Sie brauchen Orientierung. Gerade in Zeiten wie diesen, in Zeiten der Ungewissheiten, der Vorläufigkeiten, der Umbrüche.
OKRs können dabei helfen, indem sie fokussieren, Leitplanken geben, den Kurs anzeigen – und uns auf Kurs halten.
Denn was Organisationen wirklich vorantreibt, um Gary Hamel zu zitieren, das sind nicht neue Prozesse oder Produkte. Es sind Management-Innovationen – wie etwa die OKRs! Daher hier die wichtigsten Dinge, die Sie über OKR wissen sollten.

 

Worum gehts?

Objectives und Key Results (OKR) sind eine Brücke, um mittel- bis langfristige Ziele mit konkreten nächsten Schritten zusammenbringen zu können. Eine Form der kennzahlengestützten Organisation und Führung, die partizipativer, agiler und moderner ist als das in den 50er Jahren von Peter Drucker entwickelte Management by Objectives. Ein kollaboratives Konzept für Unternehmen, Abteilungen, Teams, das hilft, Aktivitäten auf die wichtigen Ziele zu fokussieren. John Doerr hat OKR in den 1970er Jahren bei Intel entwickelt – der Chiphersteller galt damals als eines der am besten geführten Unternehmen. Bekannt geworden sind OKR bei Google, dort sind sie seit über zwei Jahrzehnten fester Bestandteil im Alltag aller Unternehmensteile.

 

Wozu OKRs?

Mehr Wumms hinter weniger Pfeile bekommen, hinter den Bäumen den Wald sehen: Fokussierung ist einer der Hauptgründe, warum Organisationen die OKR-Methodik einführen. Hendric Mostert, der für seine Arbeit als „Transformationsarchitekt“ bei der Deutschen Bahn mit dem New Work Award 2021 ausgezeichnet worden ist, findet: „OKR können Unternehmen dabei helfen, Mitarbeiter intrinsisch zu motivieren, da nicht nur das Management am Zieldefinitionsprozess beteiligt ist. Gleichzeitig können wir die digitale Transformation “beherrschbar” machen, indem wir in kurzen Zyklen auf unser Umfeld reagieren und Ziele nicht für ein ganzes Jahr festschreiben, sondern quartalsweise interaktiv weiterentwickeln.“

Für Julia Görtz, Personalleiterin Operations bei der Targobank, ist die hohe Transparenz über Ziele ein weiterer Vorteil der Methode: „OKR liefern besseren Überblick, und mögliche Synergien werden für jeden schneller sichtbar“. Auch helfe die Methodik dabei, aus bisheriger Leistung zu lernen, mache sie Erfolge sichtbar und förderten OKR durch feste regelmäßige Rituale die Kommunikation und die Zusammenarbeit der Belegschaft. Den Mitarbeitenden ermöglichen OKR auch so genannten Pushback, sprich: Sie können auf deren Grundlage zu Führenden oder KollegInnen sagen „Das steht aber nicht in meinen OKR – was soll ich dafür depriorisieren?“ Auch können OKR dabei helfen, das so genannte Alignment, also die Abstimmung über Ziele in unterschiedlichen Hierarchiestufen und Einheiten der Organisation zu verbessern.

Ursprünglich in der Tech-Branche beheimatet, arbeiten inzwischen viele Firmen mit OKR, große und kleine. Targo-Personalerin Görtz findet, das OKR-Raster helfe großen Unternehmen, auf dem Weg der Transformation den richtigen Fokus zu setzen und in kürzeren Zyklen auf Ziele und deren Erreichung zu schauen. Kleineren Firmen mit knappen Ressourcen „kann es helfen, Entscheidungen zum Ressourceneinsatz richtig zu treffen“, so Görtz.

 

Die Ziele – und die Pfade dorthin

OKR formulieren Sie am besten vom Zielzustand her, also: Wo wollen wir in drei oder sechs oder zwölf Monaten sein, genauer gesagt: in welche Richtung soll’s gehen? Das dürfen auch „stretch goals“ sein, anspruchsvolle, visionäre Vorhaben, die sich über Jahre erstrecken können und die Sie in den „objectives“ formulieren – größer Denken als SMART ist hier explizit erlaubt!
Die Key Results sind erdgebundener: Es sind möglichst unterschiedliche und möglichst voneinander unabhängige Wege, um die Ziele anzugehen oder ihnen näher zu kommen. Objectives also zeigen die grobe Orientierung an – Key Results sind die Meilensteine.

OKR sind eine Form der Fokussierung – drei Objectives und dazu jeweils drei bis fünf Key Results, maximal: Das könnte eine gute Leitschnur zur Einführung sein. Wenn die Key Results sehr mess- und überprüfbar sind – umso besser. Ohne dass damit die ohnehin weit verbreitete Daten- und Messbarkeitsideologie weitergetrieben werden sollte… Angenommen, um mal ein persönliches Beispiel zu nehmen, Sie möchten im Herbst einen entspannten Marathon laufen. Dann könnte das ein Objective sein. Mögliche Key Results, die hilfreich sind auf dem Weg dorthin: drei 30-Kilometer-Läufe; insgesamt 100 Trainingskilometer im ungeliebten Regen; vier unterschiedliche Schuhe, die Sie testen; vier alkoholfreie Tage in der Woche – nur als Beispiele.

Der beste OKR-Zyklus ist der, der zu Ihrer Kultur passt. Häufig werden die OKR für drei Monate aufgestellt und danach angepasst und nachgeschärft. Manche Unternehmen, mit denen ich arbeite, machen aber nur drei Zyklen im Jahr – weil Q4 zu wild ist mit Messen, Inventur, Forecast etc. Regelmäßige Retrospektiven helfen zu sehen, ob die Key Results auch erreicht werden oder nachgesteuert werden müssen. Häufig wird eine Zielerreichungsquote von 70 Prozent innerhalb des avisierten Zyklus angepeilt: liegt sie zu niedrig, waren die Ziele zu hart und anspruchsvoll formuliert, dann sollte die Latte im nächsten Zeitraum niedriger hängen. „Stop starting, start finishing“ als Devise!

Wer formuliert die OKR? Idealerweise die Mitarbeitenden selbst zu einem hohen Anteil – und nur ein Teil der Vorgaben kommt von der Führungskraft, ein weiterer Teil von den Peers. In Organisationen, die durchgängig mit OKR arbeiten, gibt es natürlich Objectives und Key Results für die gesamte Firma – die dann in die einzelnen Bereiche herunterkaskadiert werden. Idealerweise wissen dann alle Mitarbeitenden, inwiefern ihre einzelnen OKR mit den großen strategischen Firmenzielen in Verbindung stehen!

 

Was OKRs mit Positiver Psychologie zu tun haben (können)

Positive Leadership und Positive Psychologie haben in den letzten Jahren in vielen Organisationen Fuß gefasst. Als evidenzbasierter Ansatz mit dem Fokus auf Stärken und Ressourcen kann positives Führen klassische Erfolgskriterien mit mehr Wohlbefinden für Einzelne und Teams zusammenbringen (https://blog.creating-corporate-cultures.org/2019/11/07/positiv-fuehren-mich-mein-team-meine-organisation/). Die Pandemie mit ihren vielen Umbrüchen und Ungewissheiten hat das Vordringen der positiven Psychologie und des positiven Führens weiter befördert.
Als die OKR entwickelt worden sind, gab es positive Leadership noch nicht – aber von der Haltung her passen die beiden Ansätze gut zusammen:

  • Das iterative-Zyklenhafte der OKR passt gut zu einer Lernhaltung, zu einem growth mindset, das eher von „noch nicht“ als von „nicht“ spricht, wenn es etwa um Innovationsprozesse geht. Wer von Stein zu Stein hüpft, kann auch große Flüsse überqueren!
  • Die partizipative Aufstellung von OKR (meine Ziele, die Ziele meiner Peers, die Ziele meiner Führungskraft) stärken die Autonomie der Mitarbeitenden – eines der drei Grundbedürfnisse (neben Kompetenz und Eingebundensein) https://selfdeterminationtheory.org/wp-content/uploads/2020/03/2020_VansteenkisteRyanSoenens_BPNSIntro_MOEM.pdf
  • Die Fokussierung auf wenige Key Results und noch weniger Objectives begünstigt den Fokus auf Stärken, das Erleben von Flow in der Arbeit und führt damit zu höherem Einsatz und Engagement.
  • Das „Abhaken“ von Etappenzielen und Zwischenerfolgen stärkt die Selbstwirksamkeit und das Kompetenzerleben – das in quasi keiner Konzeption menschlichen Wohlbefindens fehlt. Und das in remoter gewordenen Kontexten der Zusammenarbeit umso wichtiger geworden ist.

Es besteht also eine gute Chance, dass Sie den Einzelnen, den Teams und der Organisation insgesamt Gutes tun, wenn Sie OKR einführen!

 

Wie OKR einführen…

Sie können OKRs mit lautem Trara überall in der Organisation einführen – oder erst mal an Standorten, in einzelnen Bereichen. Sie können das System graswurzelmäßig von unten einführen – oder damit von ganz oben einfliegen, Top down. Für alle Varianten gibt es erfolgreiche Beispiele.

Vielleicht macht es aber sogar Sinn, dass erstmal nur das Management in Ihrer Organisation mit OKR arbeitet oder einzelne Teams. Vom hier Gelernten kann dann später die ganze Firma profitieren.
Hilfreich können auf jeden Fall spezielle OKR Master oder OKR Coaches sein, die Workshops abhalten, das Thema einführen und die Einführung begleiten.
Hendric Mostert, Transformations- und OKR-Experte bei der Deutschen Bahn, betont außerdem: „Wichtig ist, dass man regelmäßig über Ziele in den Austausch geht. Dazu gehören regelmäßige Planung, Austausch, Review und Retrospektive. Erst wenn ich diese Formate als Routinen im Arbeitsalltag etabliere, kann OKR einen deutlichen Mehrwert bieten.“

 

…und wie lieber nicht

Hier einige Fehler, die Sie vermeiden sollten, wenn Sie OKR erfolgreich einführen wollen:

  • zu viele Ziele: Packen Sie nicht alle Initiativen, Pläne und Wünsche einfach in ein OKR-Raster, das frustriert die Menschen nur und verbrennt die Methode. Drei Objectives und pro Objective maximal fünf Key Results pro Zyklus – mehr nicht!
  • zu lauwarme Ziele: „MS Teams einführen?“ Das ist kein Objective, das irgendjemandes Herz wärmt. „Ein funktionierendes System, mit dem alle mit allen plattformübergreifend von wo auch immer kommunizieren können“ – das schon eher.
  • zu eilig: Erfahrungsgemäß braucht es einige Zyklen, bevor die OKR gut eingeführt sind, ein, zwei Jahre können schon vergehen, bis merkliche, messbare Fortschritte damit gemacht werden. Vor allem braucht es Zeit, bis die Key Results „sitzen“ und passen. Aber die gefühlte Erleichterung über die Priorisierung und Fokussierung stellt sich häufig schon viel schneller ein!
  • keine Weeklies: Es gibt immer 1000 Gründe, ein Meeting ausfallen zu lassen und vermeintlich Produktiveres zu tun – aber gerade am Anfang der Arbeit mit OKRs auch 1001 Gründe, das wöchentliche oder zweiwöchentliche Draufschauen auf die neue Zielmechanik einzuüben. Bleiben Sie dran!
  • bonifizieren: Aus der Forschung zur Selbstbestimmung wissen wir, dass extrinsische Motivation (Geld, Strafen, Deadlines…) meist nur kurzfristig und für eher einfache Aufgaben wirkt. Für echtes kreatives Problemlösen braucht es intrinsisch motivierte MitarbeiterInnen. Boni und Erfolgsprämien für die Erreichung von OKR, am schlimmsten noch auf individueller Ebene, können eher das Ellenbogendenken fördern und Fake-Performance stärken.
  • zu eindimensional: Die Gesamtpalette der OKR, wie sie auf Unternehmensebene formuliert werden, sollte nicht zu einseitig sein. Absatz- oder Kundenwachstum dürfen durchaus als Objectives formuliert sein – aber dann braucht es auch Qualität oder Mitarbeiterzufriedenheit als gegengewichtende Ziele. Denken Sie an die Firmenskandale der letzten Jahrzehnte, und Sie wissen, was ich meine…

 



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