Unternehmen als gesellschaftliche Akteure – ein Widerspruch?
Unternehmen und gesellschaftliche Verantwortung – für Einige ist dies nach wie vor ein Widerspruch in sich. Dabei sind Unternehmen genauso auf die Gesellschaft angewiesen, wie die Gesellschaft auf die Unternehmen. Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln kürzlich untersucht, welche Rolle Unternehmen in der Gesellschaft und auf welche Weise sie zum Gemeinwohl beitragen.
Das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen Unternehmen und Gesellschaft lässt sich an einer Vielzahl von Beispielen festmachen. Unternehmen bieten nicht nur Güter und Dienstleistungen an, sondern sind für viele Menschen Ort des Einkommenserwerbs und der beruflichen Verwirklichung. Derzeit sind in Deutschland mehr als 43 Millionen Menschen beschäftigt. Die erwerbstätige Beschäftigung sichert darüber hinaus nach wie unsere Alters-, Arbeitslosen- und Gesundheitsversorgung, die gemeinsam von den Beschäftigten und Arbeitgebern getragen wird. Besondere Bedeutung hat auch die Qualifizierung von Nachwuchskräften: rund 1,38 Millionen junge Menschen absolvierten 2015 eine duale Ausbildung, die überwiegende Anzahl davon im Mittelstand. Die duale Ausbildung gewinnt im Ausland zunehmend Anerkennung, da Deutschland im internationalen Vergleich eine geringe Jugendarbeitslosigkeit hat.
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Unternehmen können aber nur erfolgreich agieren, wenn sie in eine intakte Gesellschaft eingebunden sind. Sie sind auf gute Bildungseinrichtungen, ein leistungsfähiges Gesundheitssystem und gute Infrastruktur angewiesen. Eine effiziente Nutzung von Boden, Wasser, Energie und anderer natürlicher Ressourcen lässt Unternehmen produktiver sein. Stabile politische Verhältnisse, Rechtsstaatlichkeit und Eigentumsrechte sind essentielle Grundlagen von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Die gute Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sichert den sozialen Frieden.
Unternehmen tun also sehr gut daran, sich an die gesellschaftlichen Spielregeln zu halten und ihrerseits in eine intakte Gesellschaft zu „investieren“. Andererseits gilt es anzuerkennen, dass Unternehmen eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft haben.
Angesichts immer neuer Herausforderungen, auf die sich unsere Gesellschaft einstellen muss, wird zunehmend auch die Mitverantwortung der Unternehmen als gesellschaftliche Akteure diskutiert und die Mitgestaltung von Veränderungsprozessen adressiert. Aktuelles Beispiel ist sicherlich die Bewältigung der verstärkten Zuwanderung von Flüchtlingen. 74 Prozent der in der Studie befragten Unternehmen engagieren sich bei der Akutversorgung der geflüchteten Menschen z.B. durch Geld- und Sachspenden oder die Freistellung von Mitarbeitern. Ein hoher Teil der Unternehmen unterstützt Flüchtlinge mit unternehmenseigenen Kompetenzen. Das wäre bei kleineren Unternehmen etwa der Fall, wenn ein ortsansässiges Fotostudio die Flüchtlinge mit Passfotos bei der Beantragung von Ausweispapieren unterstützt oder ein IT-Unternehmen ein Sprachlern-App programmiert. Einige größere Unternehmen haben Integrationszentren eingerichtet, die neben dem Spracherwerb erste Schritten in den Arbeitsmarkt ermöglichen.
Eine zukünftige Herausforderung wird sicherlich sein, die geflüchteten Menschen mit geklärtem Aufenthaltsstatus in die Arbeitswelt zu integrieren und ihnen damit die Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dass dies sicherlich nicht leicht sein wird, zeigt sich an der durchaus ernüchternden Zahl der Fälle, in denen dies bisher gelungen ist. Viele Unternehmen rechnen zudem laut unserer Befragung nicht mit einem deutlichen Zuwachs dringend benötigter Fachkräfte. Nur die Unternehmen, die vom demografischen Wandel besonders betroffen sind, erhoffen sich durch den Flüchtlingszuzug eine verbesserte Bewerberlage.
Bei der Bewältigung des demografischen Wandels setzen Unternehmen sehr stark auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 94 Prozent der Unternehmen wollen durch familienfreundliche Maßnahmen qualifizierte Mitarbeiter halten oder gewinnen. Die Möglichkeiten, mit denen Unternehmen ihre Mitarbeiter unterstützen sind vielfältig. Besondere Bedeutung hat die Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten. 85 Prozent bieten Mitarbeitern die Möglichkeit, Arbeitszeiten individuell zu vereinbaren. Dabei ist nicht mehr nur die Kinderbetreuung ein Thema: bereits in 45 Prozent der Unternehmen sind Familienpflegezeiten ein Thema, damit sich Mitarbeiter um pflegebedürftige Angehörige kümmern können.
Bildung ist für Unternehmen ein Schlüssel zur Bewältigung des demografischen Wandels. 92 Prozent der Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern engagieren sich aktuell in diesem Bereich. Das unterstreicht die zentrale Bedeutung von Bildung und Qualifikation beim Umgang mit aktuellen Herausforderungen für Gesellschaft und Unternehmen. Insbesondere die Digita- lisierung von Geschäftsmodellen und Arbeitsprozessen wird hier zukünftig noch enorme Anstrengungen verlangen, um die Menschen bei der digitalen Transformation mitzunehmen und zu beteiligen.
Gesellschaftliches Engagement ist ein Schlüsselfaktor, damit Unternehmen in der Gesellschaft akzeptiert werden. Im wohl verstandenen Eigeninteresse sollten Unternehmen erkennen, dass die drängenden Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gelöst werden können und ihren Beitrag dazu leisten.
Kommentare
[…] Das Fatale: Diese Fehden werden in naher Zukunft wohl eher zunehmen – sowohl zwischen Unternehmen als auch innerhalb von Unternehmen. Natürlich wirft das viele Fragen auf: von der strategischen Ausrichtung von Unternehmen über die ethisch-moralischen Fragen und der Konsequenz bei Fehlverhalten bis zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen in einem Land oder einer Region bzw. dem Zusammenspiel von Politik – Wirtschaft – Gesellschaft. […]