Virus

Ein Virus verändert Alles … (Teil 7)

„Wenn Krisen ehrlich machen …“ – es war nicht nur der Titel unseres digitalen Camp Q – der Leadership-Konferenz für Querdenker am 16. Juni 2020. Wir als Team des Kompetenzzentrums haben es auch als Einladung an uns selbst verstanden, uns Gedanken zu unseren Gefühlen und Einschätzungen zur Coronakrise aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu machen. Entstanden ist ein Kaleidoskop aus fachlichen Betrachtungen und persönlichen, oft einfühlsamen Eindrücken. Denn, diese Krise hat viele Gesichter. Aber vor allem verbergen sich dahinter Menschen … Mit mehreren Blogbeiträgen möchten wir nicht zuletzt dazu einladen, sich mit eigenen Gedanken zu beteiligen.


 

Wie lange ist es eigentlich schon her, dass wir das letzte Mal in der Stiftung waren? Ich muss es nachschauen, da das Leben einen völlig anderen Rhythmus bekommen hat seit dem Corona-Virus und seine Auswirkungen auf uns. Die Tage sind weitestgehend gleich und ich habe das Zeitgefühl ein bisschen verloren…

Das höchste Gut in unserem Leben – insbesondere in der westlichen Welt – ist wohl sicherlich die Freiheit. Die Freiheit zu denken, die Freiheit den Tag und das Leben weitestgehend selbst zu gestalten. Von jetzt auf gleich wurde diese Freiheit durch ein Virus enorm gekürzt, der Staat schreibt nun vor, was wir im Alltag alles tun und lassen dürfen und auch wie lange dieser Zustand andauern wird. Aber damit nicht genug: Auch das Anders-Denken ist auf einmal nicht mehr erlaubt! Wochenlang sah man in der Presse immer wieder nur neue Corona-Zahlen mit zweifelhafter Herkunft – aber allein schon der Gedanke die Zahlen und manche der Maßnahmen in Frage zu stellen, erschien anfänglich kriminell, denn die neue „Solidarität“ war das Wort der Stunde, das keine Gegengedanken erlaubte.

In erster Linie fragte ich mich, wer eigentlich mit wem solidarisch ist. Solidarität mit den Schwächsten und Ältesten hieß es immer wieder, aber ich habe viele Geschichten gehört, die mich daran zweifeln lassen, dass wir die Schwächsten hier wirklich primär bedacht haben. Viele meiner Freunde arbeiten in der Jugendhilfe oder mit Kindern zusammen. Einer meiner Nachbarn versorgt sich zweimal die Woche bei der Tafel, die nun geschlossen ist. Geschichten von Kindern, die in ihre prekären Familienverhältnisse zurückgeschickt wurden, da die Jugendämter auf einmal nur noch digital für sie da sein durften. Ebenso in den Kitas … oder meine Schwägerin, die mit autistischen Kindern arbeitet, die sie von einem Tag auf den anderen nicht mehr betreuen durfte und deren Familien nun weitestgehend allein auf sich gestellt sind.

Mein Sohn ist mitten im Abitur. Eine Zeit, in der man rosige Zukunftspläne schmiedet und Reisen und Partys plant nach der langen Schulzeit. Ich fragte mich die ganze Zeit: In welche Zukunft schicken wir nun diese neue Generation? In eine Umwelt, die nicht mehr funktioniert und die gerettet werden muss. Nun also auch in eine Welt, in der sie sich vor einem Virus verstecken – aus Solidarität! Und in eine plötzlich sehr ungewisse wirtschaftliche Realität, die diese Generation bei ihrer Stellensuche sehr stark treffen wird und danach dann bei der Rückzahlung der Schulden, die wir gerade aufgrund des Wirtschaftsstillstands anhäufen.

Zudem fragte ich mich anfänglich, wo die offene Debatte und Demokratie geblieben ist? Kritische Stimmen? Sehr lange Fehlanzeige! Da war eher der ständige Ruf nach Führung und starkem Handeln, wo jedes Land in Europa und sogar jedes Bundesland, jede Stadt sich selbst profilieren wollte beim Kampf gegen das Virus. Autoritätshörigkeit war jetzt angesagt, da viele Staatschefs ja einen Krieg ausgerufen haben. Für Menschen mit Hang zum Pessimismus sicherlich ein ungutes Wording an vielen Stellen.

Sicherlich bin ich sehr froh, in einem Land wie Deutschland zu leben, in dem die Entscheidungen der Bundeskanzlerin nichts Aktionistisches hatten und in dem das Gesundheitssystem so gut aufgestellt ist. Allerdings dachte ich bei all den Rettungssummen, von denen so die Rede ist: Wenn wir so viel Geld aufbringen können, warum hatten wir vorher nicht mehr Geld um Gesundheitssysteme auf der Welt handlungsfähig zu machen für solche Fälle und auch um generell prophylaktisch zu agieren?

Am letzten Wochenende suchte ich fast umsonst einen Artikel in der Zeit zu Europa. Was macht Europa eigentlich, um gemeinsam zu handeln? Ich höre nicht so viel, wundere mich nur über das völlig unterschiedliche Agieren der Länder, je nach persönlicher Betroffenheit. Heute Morgen dann endlich mal die Nachricht: Es gibt eine gemeinsame Initiative für die Forschung nach einem Impfstoff gegen das Virus und eine „beispiellose globale Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“. Das ist erfreulich und als Europäer hoffen wir natürlich, dass uns diese Krise zusammenbringt und nicht zerreißen wird.

Als ehemalige Lufthanseatin und Thomas Cook-Angestellte sind viele meiner Freunde und Kollegen sehr stark von der Corona-Krise betroffen. Der Tourismus liegt am Boden und auch wenn dies der Umwelt sicherlich einmal zugutekommt, wirft es doch meine persönliche Lebensphilosophie völlig über den Haufen. Interkulturell sein, hinfliegen können wohin man möchte, global denken, die Welt steht uns offen – das alles ist erst mal Geschichte. Das ist schon sehr schmerzhaft!

Meine Tochter plante im Juni ihre Hochzeit auf Mallorca zu feiern. Dort geboren und teilweise sesshaft, war das für sie ein großer Traum, der mit der heutigen Absage erst mal geplatzt ist. Bis Ende Juni wird es, wegen dem Virus, keine Reisenden aus dem Ausland dort geben. Sie nimmt es locker und sagt: Dann planen wir eben eine Hochzeitsreise mit dem Fahrrad durch Berchtesgaden. Immer positiv bleiben – so lautet die Devise, um gut durch diese Zeit zu kommen.

Meine persönliche Situation finde ich tatsächlich erstaunlich gut. Ich fühle mich entschleunigt ohne das ständige Autofahren oder Wahrnehmen von Terminen. Jeder Tag verläuft gleichförmig. Morgens Sport in der freien Natur, ab ins Homeoffice, das tatsächlich gut funktioniert. Jeden Mittag wird eingekauft und gekocht. Mein Sohn hat seine Leidenschaft für die Küche entdeckt, was ich erst mal angenehm finde. Das Lernen muss etwas animiert werden, funktioniert jedoch auch mehr oder minder. Minimum Socializing ist völlig neu für uns, jedoch durchaus machbar. Wir alle telefonieren viel mit Freunden rund um den Globus und machen hin und wieder einen Spaziergang mit einzelnen Freunden. Und den Abend beschließen wir dann mit einem Buch, Netflix oder einer schönen Meditation.

Auch neu: Alle Planungen, die sonst permanent unseren Alltag bestimmen, sind hinfällig und erfüllen keinen Zweck, da nicht abzusehen ist, wohin uns diese Krise führt und wie lange sie dauert. Konferenzen, Reisen, Feiern? Niemand weiß wann wir unser Leben von VORHER wiederbekommen. Jedoch steht fest: Die meisten haben noch viel mehr Wertschätzung für das, was wir vorher an Freiheiten hatten und es ist und bleibt ein sehr hohes Gut. Auch von der Würde war in letzter Zeit glücklicherweise wieder die Rede. Ich hoffe, dass all die alten und kranken Menschen zumindest bald wieder würdevoller ihr Leben beschließen dürfen, in der Nähe der Menschen, die sie lieben und mit denen sie ihr Leben verbracht haben.

Und zu guter Letzt: Der Luxus in einem einigermaßen sicheren Umfeld zu arbeiten, in einer Firma die sich persönlich sorgt und auch kümmert, ist wirklich sehr wertvoll. Dafür und für vieles mehr können wir wirklich dankbar sein. Ich selbst hoffe, dass auch unsere Kinder eine positive und aussichtsreiche Zukunft vor sich haben. Es wird sich zeigen, ob wir ihnen die passenden Grundlagen und Werte mitgegeben haben!

 


Weitere Blogbeiträge zur „Coronakrise“ finden Sie hier:

Teil 1 „Opa, wie war das noch damals mit dieser Krise …“
Teil 2 „Krisenmanagement und Corona – Wenn der Schwarze Schwan zuschlägt“
Teil 3 „Wie ich die Coronakrise wahrnehme …“
Teil 4 „Gibt es DIE Corona Zeit? Hier ist meine.“
Teil 5 „Das Ding mit dem Homeoffice …“
Teil 6 „Meine Erfahrungen aus der Zeit in der Coronakrise“



Kommentar verfassen