„Liebling, ich habe mein Unternehmen geschrumpft!“
Die Zukunft der Arbeit ist längst Realität, auch wenn es manche Führungskräfte noch nicht wahr haben wollen.
„Diese Abteilung wird es wohl in 12 Monaten hier nicht mehr geben“. „Ob wir diese Arbeitsplätze zukünftig überhaupt noch brauchen und welche Mitarbeiter in einem anderen Unternehmensbereich noch eine Beschäftigung finden, steht in den Sternen“. „Es steht jetzt schon fest, dass diese Tätigkeiten in absehbarer Zeit von Robotern übernommen werden“. Wer mit Führungskräften spricht, bekommt hinter vorgehaltener Hand unverhohlen und schonungslos Auskunft. Vieler dieser Situationen in Unternehmen und Aussagen vom Management gleichen sich an Dramatik.
Während in Think Tanks und Wissenschaft noch intellektuelle Debatten darüber geführt werden, ob die Zahlen von Oxborne / Frey nun um ein paar Prozentpunkte zu hoch oder der Zeitraum von 20 Jahren zu knapp bemessen sind, ob die Methodik richtig oder falsch gewesen ist, hat die Zukunft in Unternehmen bereits Einzug gehalten. Während man noch in hippen Räumen über die Zukunft der Arbeit debattiert, wird woanders bereits über den Abbau von Arbeitsplätzen nachgedacht. Während CEO´ s noch corporate cultural correct über Wachstumspläne reden, scheint kaum jemandem aufzufallen, dass man mit immer weniger Menschen immer mehr produzieren kann.
Bedarf an Mitarbeiter und Führungskräften reduziert sich laufend und drastisch
Fällt denn nicht auf, dass neue Onlinehändler eher 300 Mitarbeiter beschäftigen und nicht mehr wie die Dinosaurier der Nachkriegszeit 3.000 Mitarbeiter? Gern erzählt man sich auf den einschlägigen Veranstaltungen von den Aufgaben von Führungskräften, Juristen oder Journalisten, deren Arbeiten bereits über Bots oder Roboter erledigt werden können. Oder der Werkmeister in der Autoindustrie, der offen zugibt, dass für die Aufgaben an der Prüfstelle wenn überhaupt noch eine Person benötigt wird, anstatt vier. Was wenn Verwaltungen nicht mehr 500 Personen zählen, sondern vielleicht nur noch 100 gebraucht werden?
Die Aussagen von Führungskräften aus unterschiedlichen Unternehmen und verschiedenen Branchen sind Vorboten für den Umbruch, den Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten erfahren werden. Während in der Politik noch über digitale Agenden debattiert, in der Wissenschaft ethische Diskurse über ein bedingungsloses Grundeinkommen geführt werden, man sich auf Messen über kleine niedliche Roboter amüsiert oder über die neuesten Errungenschaften mit selbstfahrenden Autos austauscht, scheinen Führungskräfte einen untrüglichen Sensor für Entwicklungen in Zukunft in ihren Unternehmen zu besitzen. Sie scheinen bereits zu ahnen, worauf es am Ende hinaus läuft.
Druck auf Führungskräfte wächst
Unter den Führungskräften wächst der Druck: nicht nur in Bezug auf die Anforderungen an Transparenz und Effizienz bei den Wertschöpfungsketten oder in Bezug auf die Förderung von Kreativität und Vertrieb ihrer Produktentwicklungen. Sondern auch mit Blick auf die Konsequenzen dieser Transparenz für die „Gläserne Führungskraft“– angefangen bei der Ergebniserzielung bis zum Verhalten. Und damit in Bezug auf die eigene Reflektion der eigenen Rolle in hierarchiefreieren Organisationen und der Auseinandersetzung mit den neuen Spielregeln in ihrem Unternehmen, den Umgang mit den Mitarbeitern und Kollegen und damit am Ende auf die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit.
Wachstum war gestern? Längst geht es auch um den geordneten, verantwortungsbewussten Rückbau von Geschäftsmodellen, Unternehmensbereichen sowie Beschäftigung und Berufen! Und damit beginnen für Führungskräfte nicht nur betriebswirtschaftliche Herausforderungen. Immer öfter stellen sich auch moralische Fragen. Längst stehen die Werte von Führungskräften in Frage: Was mache ich jetzt mit den Mitarbeitenden, die nicht mehr mithalten können oder wollen oder vielleicht auch beides? Und es sind nicht mehr die 60 oder 65-jährigen. Es sind auch nicht unbedingt die 55-jährigen. Oft sind es sogar schon die 50-jährigen. Und es sind oft Menschen, die 15, 20 Jahre im Unternehmen sind, die wichtige Aufbauleistungen erbracht haben und sich über Jahrzehnte identifiziert haben.
Sehr oft hört man dann den Ruf nach dem lebenslangen Lernen oder den Inter-Generationen-Teams. Aber sind das nicht eher Instrumente der Old School? Um nicht falsch verstanden zu werden: lebenslanges Lernen kann nicht schaden – aber das Versprechen, damit würde sich beruflich alles zum Guten wenden, sind vorbei. Denn längst wächst in den Unternehmen eine Generation von 20-jährigen nach, die ganz anders mit neuen Technologien sozialisiert wurde.
Der CEO eines großen ausländischen Werkzeugherstellers formulierte es einmal so: „Vielleicht müssen wir irgendwann einmal Menschen beschäftigen, bei denen wir wissen, dass wir sie so eigentlich nicht mehr brauchen!“ Aber wo? Im Archiv? Welches Archiv in Zeiten der Digitalisie- rung?
CSR ist out! Zumindest im klassischen Sinne. Die neue gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen und ihren Führungskräften macht sich zukünftig daran fest, wie sie mit Mitarbeitenden umgehen. Das Management von Heterogenität in den Belegschaften – über Geschlecht und Alter hinaus auch über Technikaffinität, Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitseinstellungen – braucht ein neues Verständnis für Verantwortung in Kooperationen und den Umgang mit Konflikten. Es ist die Herausforderung einer zukunftsfähigen Führung.
Karrierealternativen und Lösungen für saubere Übergänge dringend benötigt
Verstehen es Führungskräfte und HR-Abteilungen, frühzeitig Alternativen und Übergänge in den Berufs- und Karrierewegen anzubieten? Werden genügend Qualifikationsangebote geschaffen, die Mitarbeitenden auch außerhalb des Unternehmens Perspektiven ermöglichen? Lernen andererseits aber auch Mitarbeitende, präventiv auf Brüche in ihrer beruflichen Entwicklung durch quasi eine Form von beruflichen Boxen-Stopps zu reagieren? Die moderne Arbeitswelt braucht sicherlich zukünftig auch einen Mix aus verschiedenen Beschäftigungs- und Arbeitsformen mit – möglichst – sinnvollen Tätigkeiten im Rahmen und abseits des Arbeitsplatzes.
Damit am Ende eine Führungskraft zwar sagen kann: „Liebling, ich habe mein Unternehmen geschrumpft“ – aber trotzdem kann ich noch in den Spiegel schauen, erlebe selbst noch Sinnhaftigkeit in meiner Tätigkeit, und es gelingt mir, gleichzeitig verantwortungsvoll und wirksam zu führen.
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