Agilität in Unternehmen

Agilität! Bullshit-Bingo oder ist da doch was dran?

An blumigen Begriffen zur Beschreibung der Auswirkungen des technologischen Wandels und der Globalisierung auf Unternehmen mangelt es ebenso wenig wie an so manchen Fantasie-Namen für Tools, um diesen Herausforderungen in den Organisationen Herr zu werden. Nicht zu vergessen, dass sich der Katalog mit Kompetenzen und Rollen für Führungskräfte ständig erhöht. Worum es aber wirklich geht hat der Unternehmens- und Kommunikationsberater Frank Weber (auch Alumnus unseres Executive Trainings), im Titel seines aktuellen Buches auf den Punkt gebracht: Robuste Unternehmen!

Nur wie bekommt man robuste Unternehmen? Perspektivwechsel und Agilität sind Grundvoraussetzungen, um auf Veränderungen zu reagieren und seine Organisation zukunftsfähig zu machen. Dafür müssen Führungskräfte lernen, sich neuen Arbeits- und Führungsmethoden gegenüber zu öffnen. Das verlangt, mutig und experimentierfreudig zu sein, die eigene Komfortzone zu verlassen und tradierte Methoden und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Querdenken ist nicht nur Inhalt dieses Blogs und Philosophie unseres Camp Q, es ist eben auch der erste Schritt zum robusten Unternehmen:

 

In diesen Tagen sind wir doch alle agil. Kaum ein Unternehmen, was diese Agilität  nicht für sich in Anspruch nimmt. Kaum ein Manager, der nicht auf irgendwelchen Seminaren lernt, dass er nun beweglich ist – so das Synonym.

„A fool with a tool is just a fool“

Was erlebe ich aber tatsächlich vor Ort in den Betrieben? Unternehmen führen die eine oder andere „Agile Methode“ in Teilen ein (so wie es gerade passend ist) und lassen alles andere wie es ist. Aber: Hier ein Stück Design Thinking und dort eine Prise SCRUM plus ein paar Tropfen Crystal Clear machen noch kein agiles Unternehmen.

Diese Unternehmen nutzen neue trendige Begriffe für alte Verhaltens- und Vorgehensweisen, um sich dann agil nennen zu können. Bei diesem Umfüllen von altem Wein in neue Schläuche verdienen nicht wenige Berater und Seminarveranstalter in diesen Tagen ganz ordentlich Geld. Einen Mitarbeiter zu einem Design Thinking Workshop zu schicken oder andere agile Methoden lernen zu lassen und dann zu erwarten, dass sich irgendetwas ändert, ist aber reine Geldverschwendung.

Und was ist das, Agiliät?

Laut dem Duden bedeutet agil: beweglich, regsam und wendig und ist damit das Gegenteil von schwerfällig, träge und unbeweglich – so, wie heute noch viele Unternehmen agieren.

Seinen Ausgangspunkt findet die Agilität im „Agile Manifest von 2001“ (agilemanifesto.org). Aus großer Unzufriedenheit mit den damaligen Arbeitsbedingungen trafen sich 17 erfahrene Software-Entwickler und diskutierten gemeinsam neue Ansätze für besseres Arbeiten. Sie waren es leid, sich an Riesenprojekten aufzureiben. Dickschiffe an Projekten, die viel zu träge für Kursänderungen geworden waren und regelmäßig aufgrund veränderter Rahmenbedingungen Schiffbruch erlitten.

Auch wenn im agilen Manifest von Software-Entwicklung die Rede ist, so finden sich hierin klar verständliche Werte, die agiles Arbeiten beschreiben. Hieraus entwickelten sich dann  im Laufe der Zeit verschiedene agile Methoden für die Projektarbeit, z.B. Scrum oder Design Thinking. Dabei wurden nicht alle Konzepte neu erfunden. Vielfach wurde auf den Erkenntnissen der produzierenden Industrie aufgebaut und angepasst sowie angereichert. Impulsgeber war Toyota. Das Unternehmen schuf bereits in den 50er-Jahren wertvolle Grundlagen: Lean Management, fortlaufende Verbesserung (Kaizen) sowie die Konzentration auf Qualität (TQM). Auch Kanban (japanisch für Signalkarte) hatte seinen Ursprung bei Toyota und war ursprünglich ein Steuerungssystem für den Materialfluss.

Allerdings werden Agile, Scrum u.ä. nur Schlagworte bleiben, wenn nicht die notwendigen Inhalte und vor allem Hintergründe vermittelt und verstanden werden. Wenn Mitarbeiter mit Hilfe agiler Methoden in Gestaltungs- oder Veränderungsprozesse eingebunden werden sollen, müssen sie diese auch akzeptieren und anwenden wollen. Das ist mehr als eine reine Kommunikationsaufgabe. Hier streifen wir das Thema Kultur. Agile ist mehr als nur Technik, es ist vor allem eine Frage der Haltung und eine Frage des Menschenbildes, welches in einem Unternehmen vorherrscht.

4 Werte und 12 Prinzipien

Denn wirklich agil sind Menschen oder Organisationen nur, wenn sie die vier Werte aus dem agilen Manifest zu eigenen Kulturmerkmalen machen:

  • Menschen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen
  • Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans

Dieses zu verstehen und auf die eigene Organisation anzuwenden, damit beginnt der Weg zur Agilität. Agil sind Menschen oder Organisationen darüber hinaus, wenn sie die aus den Werten abgeleiteten 12 Prinzipien nach und nach umsetzen. Wenn man also feststellen möchte, wie agil man bereits ist, bietet es sich auf der nächsten Führungskräftetagung an, das agile Manifest in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Meine Partner und ich sind diesen Weg zusammen mit einigen Kunden gegangen und haben interne agile Barcamps veranstaltet – in allen Fällen mit großem Erkenntnisgewinn und auch Freude.

Haben Sie den Mut und die Offenheit (übrigens zwei SCRUM-Werte) dieses auch auszuprobieren? Versuchen Sie es ruhig! Fragen Sie aber bitte nicht, wie die Ergebnisse sein werden. Die lassen sich nicht vorhersehen. So wenig, wie Agilität das bloße Verwenden der einen oder anderen Methode ist, so wenig geht es um die Konformität im Umsetzen der agilen Werte und Prinzipien.

Agilität ist die Fähigkeit, Stabilität und Flexibilität in die richtige Balance zu bringen. Agilität ist primär eine Frage von Verhalten, Mind-set und Kultur und sekundär eine Frage von Methoden und Tools.

Der Vorteil? Überlebensfähigkeit in einer zunehmend unsteten Welt!

Heute leben wir in einer VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity ). Hinter diesem oft verwendeten Begriff steht die Beschreibung einer vollkommen neuen Lebenswelt. In dieser können Sie als Führungskräfte oder Unternehmer nur noch bedingt einschätzen,

  • wie sich Ihr Markt in den nächsten fünf Jahren entwickeln wird,
  • welche Produkte dann aufgrund des technischen Fortschritts möglich sind,
  • welche (branchenfremden) neuen Wettbewerber plötzlich auftauchen und
  • welche Konsequenzen sich hieraus für Ihr Geschäftsmodell ergeben werden.

Die dauerhafte Veränderung wird zur neuen Realität. Hier hilft Agilität. Agile Menschen und Unternehmen können mit schnellen und andauernden Änderungen umgehen. Agilität hilft, Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Widersprüchlichkeit auszuhalten und zu managen.

In diesem Sinne grüße ich mit einem herzhaften #stay.agile.

 

 

 

Teile dieses Blogs sind dem aktuellen Buch  des Autors „Robuste Unternehmen – Krisenfest in Zeiten des Umbruchs“ entnommen. Erschienen im SpringerGabler Verlag 2017.

Weitere Details: http://robuste-unternehmen.de/



Kommentare

  1. / von christiane ritter

    Aus meiner Sicht sehr gut auf den Punkt gebracht. Für jedes Unternehmen variiert die Adaption von agilen Arbeits- und Denkweisen. Erfahrungswerte von Anderen, Learning by Doing und den Fokus auf die Veränderung der Prozesse/Regeln/Kultur ist dabei unabdingbar.

Kommentar verfassen