Achtsames Miteinander - Team baut Haus

Mehr Wert auf achtsames Miteinander!

Unsere Vielfalt äußerer Orientierung hat unser Miteinander verändert. Die digitale Welt, der Fokus auf kurzfristige Erfolge, der gesellschaftsfähige Leistungsdruck – „höher, schneller, weiter“, internationale Kontakte, die 24 Stunden Bereitschaftsdienst zur Folge haben… All das führt dazu, dass wir unsere unterschiedlichen Identitäten als Berufstätige, PartnerInnen, Familienmitglieder, um einige aufzuzählen, kaum noch leben. Die „on duty“ Haltung dominiert: unsere digitale Erreichbarkeit, die Anforderungen an die eigene Fitness, die intellektuelle / sportliche / musische Förderung der Kinder: alles fließt ineinander und kann in der Hektik oft nicht mehr differenziert behandelt werden.

 

Die digitale Welt ist nicht mehr wegzudenken– sie hat beruflich wie privat Vorteile

Die schnellen Reaktionsmöglichkeiten bestimmen mehr und mehr unser Arbeitstempo. Nicht in Eile zu sein, erscheint gestrig! Auf dem Weg zu einer Besprechung besteht Eile, da kann man nicht noch die Kollegen wahrnehmen, geschweige denn zwei Minuten mit jemandem reden. Der innere Druck, ob das erste Meeting zeitig endet, da das nächste schon im Kalender steht, macht nervös. Die Telko / Viko heute Nachmittag ist noch nicht vorbereitet, und das gemeinsame Mittagessen mit einem externen Gast darf nicht vergessen werden. Die Gesprächsvorlage liegt auf dem Schreibtisch – keine Zeit, sich dafür zu bedanken.

Schizophrenerweise bietet uns nur noch das Sitzen vor dem PC / Smartphone etwas Ruhe. Vielleicht fühlen wir uns deshalb so hingezogen zu unserer Online-Welt. Es fühlt sich gut an und führt zu einer kleinen Dopamin-Ausschüttung, angeschrieben, angeklickt oder auf jegliche Weise virtuell wahrgenommen zu werden – wenigstens in einem Bereich erleben wir das wichtige Gefühl der Zugehörigkeit. Unsere gegenseitige virtuelle Identität kennen wir häufig besser, als die momentane Lebenssituation der Mitarbeiter-innen/Kolleg-innen, der Vorgesetzten oder gar der eigenen Familie.

In Schweden sind ein bis zwei kurze Kaffeepausen (Fika) mit Kollegen und Führungskräften selbstverständlich. Ein kurzer persönlicher Informationsaustausch sichert Verständnis auf beiden Seiten, Missverständnisse können schneller ausgeräumt werden und jeder Beteiligte hat das Gefühl wahrgenommen zu werden! Eine wunderbare Grundlage, produktiv zu sein und konzentriert arbeiten zu können.  (Viveka Adelsward, Professorin der Universität in Linköping: „Studien zeigen, dass die Arbeitseffizienz von dieser Art des Zusammenseins profitieren“)

Wir alle wissen, dass die gefühlte digitale Gemeinschaft ein echtes Miteinander – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten – nicht ersetzen kann. Es findet eine objektive Vereinsamung statt, die viele Menschen mittelfristig psychisch instabil macht. Viele Unternehmen erkennen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte am Limit laufen und Kreativität und Teamgeist verloren gehen. Die HR-Abteilungen suchen Lösungswege. Als eine Möglichkeit wurden in den letzten Jahren in vielen Unternehmen Werte-Codices entwickelt.

 

Leider werden die Werte selten von den Mitgliedern einer Abteilung oder eines Teams selbst bestimmt!

Recht naiv werden gängige Wertebegriffe von außen präsentiert, mit dem Ergebnis, dass alle Unternehmenswerte allgemeingültig und damit für jede beliebige Interpretation offen sind.

Selbstverständliche (!) Verhaltensregeln werden aufwendig kommuniziert:

  • Wir leben eine Kultur der Offenheit und Kooperation
  • Respekt
  • Wertschätzung

Wir alle kennen diese Bezeichnungen, die zu wertvoll sind, um in einer Präsentationswolke zu enden.

Ist irgendjemand gegen Respekt oder Wertschätzung? Ich denke nicht!

Die meisten Menschen gehen wertschätzend und respektvoll mit anderen um und empfinden solche allgemeinen Werte-Vorgaben als übergriffig und beleidigend!

Dies wird leicht übersehen, da die negativen Einzelfälle so viel Raum einnehmen und höfliche oder unsichere Menschen ihnen den Raum gewähren.

 

Ich bin häufig erstaunt, dass unangenehmen Einzelpersönlichkeiten die Macht eingeräumt wird, ein ganzes Team unter Stress zu bringen

  • Verbale Entgleisungen gegenüber Vorgesetzten und KollegInnen machen konstruktives Arbeiten unmöglich
  • Kollegengespräche über die QuertreiberInnen ziehen alle nach unten (und Arbeitgeber bezahlen diese Zeit)
  • Undefinierbarer Stress wird mit nach Hause genommen
  • Vorgesetzte und Teammitglieder resignieren

Spätestens hier müssen Führungskräfte und KollegenInnen Einhalt gebieten. Respekt lebt nur unter der Voraussetzung der Wechselseitigkeit!

Wenn persönliche Werte verletzt werden, gebietet es die Selbstachtung einmal in die Beobachterperspektive zu wechseln:

  • „Was geschieht hier gerade?“
  • „Wie verhalte ich mich eigentlich?“
  • „Passt meine Form der Kommunikation zu meinen eigenen Werten oder akzeptiere ich Missachtung – vielleicht sogar aus vermeintlicher Höflichkeit / Peinlichkeit, meine Verärgerung zu artikulieren?“

An dieser Stelle benötigen wir Disziplin und Mut, und beides ist durch einen eigenen Wertekodex gesichert. Hier wird deutlich, dass professionell-höfliches Verhalten Stärke signalisiert und nicht als „weicher Faktor“ verstanden werden darf.

 

Persönlichkeiten werden nicht durch schöne Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung.“

Albert Einstein

 

In Unternehmen erlebe ich spürbare Verbesserungen, wenn Menschen sich erst einmal ihres eigenen Verhaltens bewusst werden:

  • Begrüße ich andere mit Augenkontakt?
  • Nehme ich jeden wahr – unabhängig von der Hierarchieebene?
  • Höre ich Menschen zu, mit dem Wunsch, jeden zu verstehen?
  • Kann ich VielrednerInnen in Besprechungen professionell unterbrechen?
  • Bin ich für mein Umfeld kalkulierbar?

Diese vermeintlich „kleinen Dinge“ dienen dazu, Vertrauen aufzubauen.

Es gibt nichts Zielführenderes als Vertrauen in die Kompetenz und die Beziehungsfähigkeit von Führungskräften und Teammitgliedern.

Häufig erleben wir das Gegenteil von Professionalität:

  • Das Verhalten basiert auf einer momentanen Stimmungslage
  • Disziplin wird durch ein „sich gehen lassen“ ersetzt
  • Verantwortung für das eigene Handeln wird aufgegeben
  • Unkalkulierbarkeit macht sich breit
  • Konflikte sind vorprogrammiert

Eine Liste mit Unternehmenswerten in der Kaffeeküche wird daran nichts ändern.

Das signifikante Erkennungszeichen professioneller Führungskräfte ist, im entscheidenden Moment den Überblick zu behalten, allen Mitarbeiter-innen genug Freiraum für eigene Produktivität einzuräumen, Mitarbeiter-innen zu führen und Verantwortung für die Ergebnisse zu übernehmen.

 

Professionelle MitarbeiterInnen werden eigenverantwortlich agieren, ihre Kompetenz einbringen und an wichtige Schnittstellen weitergeben, mit dem Resultat, Freude an ihrer Produktivität zu entwickeln.

Wenn wir in diese Richtung zielend etwas optimieren möchten (Veränderung/Change mögen die meisten nicht), müssen wir den Begriff des menschlichen Miteinanders ernst nehmen und bitte damit aufhören, dieses Miteinander im Berufsleben als „weichen Faktor“ zu beschreiben. Menschlichkeit ist nicht nur eine wesentliche Produktivitätsressource, sondern die Voraussetzung und Grundlage jedes Unternehmens an dem mehrere Menschen kooperativ beteiligt sind. (Gallup: Geringe emotionale Bindung zum Unternehmen kostet die deutsche Wirtschaft jährlich zwischen 76 und 99 Milliarden Euro)

Wenn Ziele nicht erreicht werden, liegt das sehr selten an Inkompetenz, sondern daran, dass die Teamkultur keinen Raum gibt für Ideen, Kreativität oder gar eine Fehlerkultur. Es fehlt schlichtweg das Wir-Gefühl!

Viele „Probleme“ werden zu hoch aufgehängt und zu aufwendig von außen analysiert! Vielleicht ist eine Lösung ganz einfach.

Ein Beispiel einer pragmatischen Abteilungskultur:

  • Wir gehen –auf allen Ebenen – achtsam (nicht dienend!) miteinander um
  • Wir grüßen uns mit Namen
  • Wir hören uns zu und möchten jeden –noch so neuen Gedankengang – verstehen
  • Vorgesetzte reden erst am Ende einer Besprechung, um nicht vorzeitig einen Druck zum Konsens im Team auszuüben und damit den Input aller Beteiligten zu sichern.

Diese Punkte werden gemeinsam diskutiert und abschließend von jedem Teilnehmenden zum persönlichen Verhaltenskodex definiert!

Verhaltensbewusste Menschen mit einem Wertekodex machen ihre Handlungsweise nicht davon abhängig, wer gerade vor ihnen steht, sondern schenken jedem die gleiche Aufmerksamkeit, weil sie das von sich selber erwarten! Das ist gelebte Souveränität und hier passt das zu häufig benutzte Wort der Authentizität!

 

Wer sich selbst nicht enttäuschen möchte, achtet sensibler auf das eigene Verhalten, als auf das Verhalten anderer

Diese Grundhaltung ist auch für unsere internationalen Kooperationen eine der besten professionellen Voraussetzungen. Unsere fachliche Reputation ist international häufig höher angesehen, als im eigenen Land. Auftragsvergaben werden aber wenig auf der sachlichen Ebene entschieden, sondern letztendlich emotional. Unternehmensrepräsentanten mit einem persönlichen Wertekodex überzeugen potentielle Kunden von ihrem ehrlichen Interesse und legen damit die erste wichtige Verbindung der Vertrauensbildung.

Mit Motivation und Disziplin beginnt der Aufbau einer eigenen Persönlichkeit. Über Persönlichkeiten zu reden, führt im Hause Bertelsmann gedanklich zu Reinhard Mohn, den ich hier gerne zitiere:

  • Die Geschichte unseres Hauses Bertelsmann setzt sich nicht zusammen aus Umsatzzahlen oder äußerem Erleben und Geschehen, sie ist die Geschichte der Menschen, die diese Firma und ihre Arbeit getragen haben.

Reinhard Mohn war ein „Sicherheitsspender“ für Mitarbeiter/innen auf allen Hierarchieebenen, selbst, als er nicht mehr im Unternehmen tätig sein konnte. Diese Ausstrahlung und Kompetenz ist nicht jedem gegeben, sie macht aber deutlich, wie eng geschäftlicher Erfolg mit Menschlichkeit verknüpft ist, wenn wir Menschlichkeit nicht mit Servilität gleichsetzen.

 

Wenn jeder einzelne die Verantwortung übernimmt, den gemeinsam definierten Wertekodex miteinander zu leben, entsteht eine kreativer Teamgeist mit Freude an Produktivität!



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