#CampQ19
Mut

Mut zu Veränderungen: Change ist nichts für EinzelkämpferInnen!

Der nachstehende Blogbeitrag erscheint im Rahmen unserer Blogserie zum Camp Q:

 

Wer Veränderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft anstoßen möchte, braucht eine gehörige Menge Mut, um mit Leidenschaft und Durchhaltevermögen für die eigenen Überzeugungen zu kämpfen. Mut allein genügt jedoch nicht: Es kommt darauf an, in anderen Menschen Begeisterung für die eigenen Ideen zu entfachen.

Als ich vor mehr als vier Jahren das Unternehmen messe.rocks und die Karrieremesse herCAREER gründete, trieb mich nicht nur Unternehmergeist, sondern auch die Überzeugung, dass wir mehr Gender Equality am Arbeitsplatz brauchen. Mir war von Anfang an klar, dass wir nur mit der Kraft unserer Netzwerke vorankommen.

Die herCAREER ist heute nicht mehr nur eine Karrieremesse, sondern vor allem eine Community-Plattform, wo sich Frauen über Unternehmen, Hierarchien und Karrierestufen hinweg austauschen und voneinander lernen. Dass wir nur so etwas bewirken können, zeigen mir die vielen Geschichten anderer Frauen, die mir bei meiner Arbeit begegnen. Immer wieder inspirieren mich mutige Frauen und Männer, die den Mut haben Veränderungsprozesse anzustoßen, den Status quo infrage zu stellen und bewusst „andere Wege“ einschlagen und ausprobieren.

 

Mut für soziale Innovation: Leidenschaft ist ansteckend

Erst kürzlich traf ich Gabi Zedlmayer auf einer Veranstaltung der Working Moms in München. Dort erzählte die Sozialinnovatorin, die mit globalen Organisationen und Unternehmen zusammenarbeitet, um soziale und ökologische Probleme zu lösen, von ihrer Zeit als Managerin bei HP: Schon vor mehr als zehn Jahren hat sie dort ein „Social Innovation Team“ aufgebaut. Interne und externe Stakeholder sollten einem Shared Value Approach folgen, der soziale Anliegen fördert, aber auch Wirkung für das Business entfaltet. Dabei entstand zum Beispiel das globale Online-Programm HP LIFE, das kostenlos Kurse zum Selbststudium von Business- und IT-Fähigkeiten anbietet.

„Mut und Risikobereitschaft gehören zum Geschäft. Wenn man neue Wege gehen will, hat man keine Erfahrungen, auf die man bauen kann“, so Gabi Zedlmayer, die risikoreiche, neue Dinge ausprobiert hat. Sie stieß dabei auf viel Gegenwind, etwa von Stakeholdern, die ihr Konzept nicht sofort verstanden. Für das komplexe Thema Social Innovation musste sie zudem intern viele Spezialisten wie etwa Cloud-, KI- oder Big-Data-Experten gewinnen, die möglichst umsonst ihre Erkenntnisse und Zeit zur Verfügung stellten. Starken Widerstand erlebte sie auch, als sie anfing, die Zusammenarbeit mit der HP Foundation zu stärken. Schließlich brachte sie jedoch viele erfolgreiche Projekte auf den Weg, zum Beispiel das Projekt Kiva, für das damals HP-Mitarbeiter auf der ganzen Welt in einem Jahr mehr als 1,7 Millionen Stunden für freiwillige Projekte im Gesamtwert von mehr als 110 Millionen US-Dollar spendeten. Über den Einsatz von Alumnis und Pensionären gelang es ihr, die gesamte Informationstechnologie für ein neues Hospital in Mirabelais auf Haiti zu managen.

„Ich konnte mich dabei immer auf andere verlassen. Wichtig war für mich, dass ich ein Team hatte, dem ich vertrauen konnte und das alle Hebel in Bewegung setzt, um das gesteckte Ziel erfolgreich zu erreichen.“ Wer von einer Sache überzeugt sei, Mut hat und eine Passion für die eigene Arbeit mitbringe, übertrage das auch auf andere – insbesondere, wenn es um soziale Verbesserungen gehe. „Ich frage, wenn ich etwas brauche. Und wenn es beim ersten Mal oder der ersten Person nicht klappt, dann versuche ich es an anderer Stelle. Man darf nicht so leicht aufgeben.“

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Mut zur Zusammenarbeit: Innovation braucht Partizipation

Auch Franziska von Lewinski, die bereits als Table Captain und Referentin auf der herCAREER ihre Erfahrungen mit anderen Frauen teilte, reiht sich für mich in die Reihe der mutigen Veränderungstreiberinnen ein. Als Vorstandsmitglied der Agenturgruppe Fischer Appelt, wo sie für Digitales und Innovationen verantwortlich ist, bewegt sie sich in einem wahren „Haifisch-Becken“, wie sie selbst sagt (oder?). In der Branche herrscht schon immer ein starkes Konkurrenzdenken. Zunehmend müssen nun Agenturen auch das Beratungsgeschäft mitbedienen und eine große Klaviatur an Spezialwissen beherrschen. Strategie, Marketing, Kommunikation und Vertrieb – es gilt Silos aufzubrechen, ist Franziska von Lewinski überzeugt. Dafür müsse man bestehende Trampelpfade verlassen.

„Mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und gradlinig meinen Weg zu gehen, hat mich oft viel Mut gekostet. Dafür braucht es eine gute Argumentationsstrategie, Fokus in der Umsetzung und auch Mut, flexibel zu reagieren“, sagt die Agentur-Chefin. Damit plädiert sie für ein agiles Mindset, bei dem wir den Weg zum Ziel oder auch das Ziel selbst gegebenenfalls nochmal anpassen. Jeden Tag erlebe sie Widerstände – kleinere und größere. Doch das findet sie normal. Sie versucht Kollegen und Partner zu verstehen, um ihre Argumentation entsprechend aufzubauen. „Dabei beziehe ich diejenigen mit den größten Bedenken gerne mit ein und suche mir ‚Fans‘ für die Veränderung in der Organisation.“ Wichtig sei auch, nicht immer nur die Schwierigkeiten zu betonen, sondern gemeinsame positive Erlebnisse hervorzuheben.

Für einen kritischen Erfolgsfaktor hält sie die Partizipation der Beteiligten – und zwar frühzeitig: „Es ist besser, schon den Plan für ein Vorhaben gemeinsam zu entwickeln. Dann werden mehrere Perspektiven berücksichtigt.“ Nebenbei gewinne man so Mitstreiter auf allen Ebenen. Wie im Prototyping, das in der Softwareentwicklung üblich ist, rät die Managerin: „Habt Interesse an der Meinung anderer und startet in kleinen Schritten statt direkt mit dem großen Wurf loszulegen!“

 

Mut zum Scheitern: Zu Veränderung gehören Rückschläge

Mit diesen Ratschlägen ist viel gewonnen. Doch es wäre naiv zu glauben, dass Veränderung immer gelingt. Manchmal scheitern wir, weil unsere Initiativen nicht zum richtigen Zeitpunkt kommen oder Organisationen nicht dafür bereit sind. Dann gilt es womöglich, Konsequenzen zu ziehen und sich neuen Aufgaben zu widmen.

Noch immer fällt es uns schwerer, über derartige Erfahrungen zu berichten. Fuck-up-Nights haben zwar dazu beigetragen, das Renomee der Fehlerkultur zu steigern. Dennoch reden viele Menschen natürlich lieber über ihre Erfolge statt über die Niederlagen. Eine Frau, die ich in dieser Hinsicht bewundere, ist Simone Menne, Aufsichtsrätin bei BMW, der Deutschen Post, Springer Nature, Johnson Controls. 2018 durfte ich sie auf der herCAREER 2018 kennen lernen. Sie war die erste und jüngste Geschäftsführerin der Lufthansa und als Finanzvorstand von Europas größter Fluggesellschaft auch die erste Frau auf diesem Posten im DAX. „Frauen sollten nicht alles mitmachen, was von ihnen erwartet wird. Denn so heben sich nicht von anderen ab. Wer nicht auffällt, macht keine Führungskarriere“, sagte sie in einem Interview mit der herCAREER. Aber zu viel Revolution sei natürlich auch gefährlich. „Ich habe immer offen meine Meinung gesagt, allerdings hat mir das manchmal das Genick gebrochen. Viele Organisationen dulden keine Rebellen in ihren Reihen – da gilt es, eine gute Balance zu finden.“

Zuletzt war Simone Menne bei Boehringer Ingelheim als Finanzchefin in einer operativen Position. Sie ist ohne Not aus der Lufthansa ausgeschieden, weil sie etwas Neues ausprobieren wollte, eine andere Unternehmenskultur, ein Familienunternehmen. Ende 2017 hat sie sich dann aber von dem neuen Arbeitgeber „einvernehmlich getrennt“. „Ich bin sehr gerade heraus und das hat bei Boehringer Ingelheim nicht in die Kultur gepasst“, kommentierte sie ihren Ausstieg aus dem Unternehmen. „Offensichtlich war ich nicht diplomatisch genug. Gleichzeitig wollte ich mich nicht verstellen.“ Sie habe viel über die Pharmabranche gelernt – das wolle sie nicht missen. „Aber wer etwas wagt, der kann auch hinfallen. Das erleben wir in der Start-up-Szene tagtäglich. Wichtig ist, dass wir das nicht persönlich nehmen, wieder aufstehen und aus der Erfahrung lernen.“

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Learning: Wir brauchen Mut zum Wir-Denken

Neben Mut braucht es für Innovationen eine offene Haltung, Überzeugung, eine gute Argumentationsstrategie, Leidenschaft, Durchhaltevermögen und Stehaufmentalität. Das Ego von Managern, das sich Ideen anderer verschließt, vorgibt, perfekt zu sein und Scheitern negiert, ist dabei fehl am Platz.

Ich erlebe im Netzwerk der herCAREER ein starkes Empowerment und lerne ständig von unserer Community. Ich teile täglich mein Wissen, frage aber auch bei unseren Expertinnen und Experten nach, wenn ich mich selbst mit einem Thema nicht so gut auskenne. Dieser ständige Austausch bestärkt mich, weitere Veränderungen anzustoßen. Wir möchten das Format Messe im digitalen Zeitalter neu denken: als hierarchiefreie Begegnungsstätte für alle, die ihre Lernerfahrungen an andere weitergeben möchten. Eine Gruppe von Gleichgesinnten gibt uns Selbstbewusstsein – und somit auch den Mut, den Status quo kritisch zu reflektieren und dafür einzustehen, wenn es nötig ist. Nur wer die eigene Wirksamkeit in einer Community spürt, entwickelt Mut für weitere Veränderung. Change ist nichts für EinzelkämpferInnen!



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