#CampQ2020

Mitbestimmungskultur stärkt Unternehmenskultur

BUSINESS UNUSUAL – der Perspektivwechsel verbunden mit Mut zur Umsetzung ist für Führungskräfte heute ein Muss. Mit unserem Camp Q – der Leadership Konferenz für Querdenker wollen wir Führungskräfte dazu inspirieren und gleichzeitig dabei unterstützen, gesellschaftlich und nachhaltig zu handeln. Eben anders zu führen. Denn angesichts der Schnelllebigkeit und Komplexität in Wirtschaft und Arbeitswelt müssen wir die Herausforderungen der Zukunft neu angehen und Querdenken! Dazu möchten wir mit unserem heutigen Blog anregen.


 

Leicht gemacht haben wir es uns mit der Mitbestimmung in Deutschland noch nie. Vielmehr haben wir ein ausgeklügeltes System unternehmerischer und betrieblicher Mitbestimmungsmodelle entwickelt, das sich jemandem, der nicht täglich damit zu tun hat, nicht ohne Weiteres erschließt.

Auf der betrieblichen Ebene finden wir unter der Überschrift „Betriebsverfassung“ die Betriebsräte sowie die Sprecherausschüsse der Leitenden Angestellten. Damit es nicht so einfach ist, sind Betriebsräte und Sprecherausschüsse mit ihren Beteiligungsrechten aber nicht auf die Betriebe beschränkt, sondern arbeiten auch auf Unternehmens- und sogar Konzernebene. Kurz gesagt, sind Betriebsräte und Sprecherausschüsse dort gefordert, wo die Entscheidungen getroffen werden, die die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter ganz unmittelbar berühren.

Deutlich unübersichtlicher noch ist die sogenannte Unternehmensmitbestimmung geregelt. Das Mitbestimmungsgesetz 1976 erfasst Konzerne und Unternehmen mit mehr als 2000 Arbeitnehmern, während das sogenannte Drittelbeteiligungsgesetz die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in kleineren Unternehmen regelt. Allein für den in seiner Bedeutung immer weiter schwindenden Montanbereich, also für Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, haben wir sage und schreibe drei Gesetze aus der Taufe gehoben: das Montanmitbestimmungsgesetz, das Mitbestimmungsergänzungsgesetz und schließlich auch noch das Gesetz zur Sicherung der Montanmitbestimmung. Dass wir außerdem seit einigen Jahren Mitbestimmungsregelungen für die Europäische Aktiengesellschaft, die sogenannte SE, haben, hat zur Übersichtlichkeit gewiss nicht beigetragen, zumal hier nicht alles gesetzlich vorgegeben ist, sondern in weiten Teilen sogenannten „Vereinbarungslösungen“ überlassen bleibt.

Über die Jahre hinweg hat sich aber aus dieser Sammlung in der Regel staubtrockener Gesetzestexte eine Mitbestimmungskultur entwickelt, die über Partizipation, Transparenz, Kommunikation und Fairness in die Unternehmenskultur hineinwirkt.

Hohe Akzeptanz

In der Tat sehen wir hier einen bemerkenswerten Gleichklang von Mitbestimmungs- und Unternehmenskultur. Befragt man nämlich Mitarbeiter, was sie von einem Unternehmen und seiner Kultur erwarten, tauchen immer wieder genau die Begriffe auf, die wir mit der Mitbestimmung in Verbindung bringen:

  • Wir wollen nicht, dass ohne uns über uns bestimmt und entschieden wird. Es geht uns auch um Teilhabe an Entscheidungen, die uns und unser Arbeitsumfeld angehen = Partizipation
  • Wir wollen Einsicht in unternehmerische und betriebliche Entscheidungsvorgänge und –hintergründe bekommen. Um mitspielen zu können, müssen wir die Spielregeln kennen = Transparenz
  • Wir wollen wissen und verstehen können und vom Arbeitgeber hören, warum und mit welchem Inhalt Entscheidungen getroffen oder geplant werden, die Einfluss auf uns und unser Arbeitsumfeld haben = Kommunikation
  • Wir wollen nicht Objekt willkürlichen unternehmerischen Handelns sein, sondern in unserer ganzen Subjektivität und Individualität wahrgenommen, wertgeschätzt und fair behandelt werden = Fairness

Es besteht mithin ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Verständnis von Mitbestimmung und den Bedingungen einer guten Unternehmenskultur.

Bemerkenswert ist dabei, dass die hohe Akzeptanz von Mitbestimmung keineswegs auf die Mitarbeiter und hier womöglich auf die Tarifangestellten beschränkt ist. Der Berufsverband DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte hat aus Anlass von „40 Jahre Mitbestimmung“ in einer Umfrage in 2016, an der sich 1.040 Führungskräfte beteiligt haben, die Meinung der Manager in Deutschland zur Unternehmensmitbestimmung eingeholt. Die Studie ergibt, dass auch die Chefs ein ganz überwiegend positives Bild von der Mitbestimmung haben.

Die wesentlichen Ergebnisse der Studie sind:

  • Für die große Mehrheit der Führungskräfte in Deutschland hat sich die Mitbestimmung mit Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten bewährt. 93 % der Führungskräfte halten die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat für sinnvoll und 84 % sind der Meinung, dass sich die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat auch bewährt hat. Interessant ist ferner, dass auch das Topmanagement, also Vorstände und Geschäftsführer, die positive Bewertung der Mitbestimmung überwiegend teilt. 78 % halten die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat für sinnvoll und für 74 % hat sich diese bewährt.
  • Immerhin 52 % der Führungskräfte sind der Meinung, dass es sich bei der Mitbestimmung um einen Standortvorteil für Deutschland handelt. 30 % glauben, dass die Mitbestimmung für den Standort Deutschland weder positiv noch negativ sei und nur für 13 % stellt sie einen Standortnachteil dar.

Dass die Mitbestimmung insgesamt deutlich positiver bewertet wird als ihre Auswirkung auf den Standort Deutschland, liegt vermutlich daran, dass die Mitbestimmung immer wieder kritisch kommentiert wird, auch wenn mögliche negative Auswirkungen noch nie wissenschaftlich belegt werden konnten. Hier mag sich bei vielen der Eindruck verfestigt haben, dass diese negativen Kommentare auf mögliche inländische wie ausländische Investoren eine abschreckende Wirkung haben könnten.

Der Vorwurf, die deutsche Mitbestimmung stelle einen Standortnachteil dar, wäre nur dann richtig, wenn im Verhältnis der Betriebsparteien der Gegnerbezug im Vordergrund steht. Bei einem partnerschaftlichen Umgang auf der Basis vertrauensvoller Zusammenarbeit und wenn Mitbestimmung als selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur gelebt wird, gedeiht Mitbestimmung zu einem Standortvorteil. Betriebsrat und Sprecherausschuss können dann nämlich mit dem Arbeitgeber im Sinne eines konstruktiven Co-Managements zusammenwirken. Notwendige Bestandteile dieses Co-Managements sind Konfliktbereitschaft gepaart mit Lösungsbereitschaft. Dies setzt sich in der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat fort. So entstehen Arbeitsbeziehungen, die auf Fairness und Vertrauen basieren. Fairness und Vertrauen sind für ein Unternehmen aber Treibstoff und Betriebskapital zugleich.

Kluge Arbeitgeber nutzen also das Angebot, das ihnen die Mitbestimmung unterbreitet, um ihre eigenen Entscheidungen besser zu machen, diese besser zu kommunizieren und transparent zu machen, um so höhere Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu erzielen.

Mit Mitbestimmung geht vieles leichter

Bei nüchterner Betrachtung ist nämlich Folgendes zu beobachten. Das wirtschaftliche Umfeld in Deutschland ist seit vielen Jahren geprägt von durchgreifenden Unternehmens- und Konzernumstrukturierungen sowohl organisatorischer wie gesellschaftsrechtlicher Art. Wir sehen eine Vielzahl von Übernahmen, Abspaltungen und Fusionen. Im internationalen Vergleich ist es schon bemerkenswert, wie lautlos und reibungslos diese Prozesse in Deutschland über die Bühne gegangen sind, ohne dass vor den Werkstoren Autoreifen brannten und Manager mit Polizeikräften geschützt werden mussten.

Das ist zu einem ganz wesentlichen Teil der Mitbestimmung zu danken. Dies gilt übrigens nicht nur für die paritätisch besetzten Aufsichtsräte, sondern ebenso für Betriebsräte und Sprecherausschüsse. Die Mitbestimmung ermöglicht es, die Arbeitnehmer an diesen Gestaltungsprozessen zu beteiligen. Damit wird letztlich auch einer alten Arbeitgeberforderung entsprochen, wonach die Mitarbeiter mit unternehmerisch denken und handeln und letztlich auch Verantwortung mit übernehmen sollen. Das funktioniert aber nur, wenn man die Mitarbeiter nicht nur als bloße Arbeitskrafteinheiten und Produktivkapital und damit als reine Objekte unternehmerischen Handelns betrachtet und behandelt.

Dagegen führen Transparenz, Kommunikation und Partizipation zu Akzeptanz unternehmerischer Entscheidungen. Der Wertegleichklang von Mitbestimmungs- und Unternehmenskultur wird hier in der praktischen Auswirkung sichtbar. Werden Mitbestimmung und Unternehmenskultur nicht nur als anspruchsbegründende Einbahnstraßen, sondern als echtes Miteinander in wechselseitiger Verantwortung verstanden, entsteht daraus gelebte Soziale Marktwirtschaft.

Gesetze reichen nicht – Ohne Kultur geht es nicht

Ebenso wenig wie man einer Gesellschaft per Gesetz Ethik und Moral verordnen kann, können Gesetze im Arbeitsleben eine Unternehmenskultur begründen. Gesetze der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung können diese Unternehmenskultur aber konkretisieren, um den Betriebspartnern Handreichungen und einen Rahmen für die Zusammenarbeit zu geben.

Schon heute zeigt sich, dass Mitbestimmung dort am besten funktioniert und die positivsten Wirkungen erzielt, wo die Betriebspartner nicht bei jeder Gelegenheit das Gesetzbuch zücken und den Juristen das Feld überlassen, sondern dort, wo vertrauensvoll versucht wird, gemeinsame Lösungen zu erzielen. Dieser Ansatz wird in der Zukunft noch viel wichtiger werden. Die Kunst in einer digitalisierten Arbeitswelt 4.0. wird darin bestehen, die erforderliche Flexibilität mit der notwendigen Kontinuität in der Zusammenarbeit, die erst Vertrauen entstehen lässt, zu kombinieren.



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