Transformation

Ungewissheit ist die neue Realität: Was wir aus der Corona-Krise für Transformation lernen können

Die Situation ist einzigartig. Durch die Corona-Pandemie haben sich für Unternehmen aller Branchen binnen kurzer Zeit die Rahmenbedingungen fundamental verändert. Die Pandemie und in der Konsequenz der Lockdown und die Einschränkungen schufen ein Brennglas in allen Branchen für Kommunikation, Führung und Organisation. In der Krise zeigt sich, wie anpassungs-, aber auch widerstandsfähig Unternehmen sind. Das lässt einen sehr guten Rückschluss auf ihre Transformationsfähigkeit zu.

Zuliefer- und Absatzketten waren durch Beschränkungen blockiert. Kontaktverbote, Hygienevorschriften und Abstandsregeln lassen bisherige Arbeitsweisen in Teilen sogar bis heute noch nicht zu. Ganze Industrien wurden in eine Zwangspause versetzt oder haben aufgrund schwindender Absätze selbst die Produktionspause veranlasst. Unternehmen sind durch die Corona-Krise gezwungen, schnell umzudenken, pragmatisch vorzugehen, zügig auch harte Entscheidungen zu treffen und diese klar zu kommunizieren – Reaktions- und Aktionsfähigkeit sind existenziell. Es geht für Unternehmen um das Überleben in einer neuen Realität. Sie sind gezwungen, sich zu transformieren, wenn sie weiterhin erfolgreich und zukunftsfähig sein wollen.

Zum Höhepunkt des Lockdown – dem Zeitpunkt der größten Einschränkungen – haben com.X und TRAFO über eintausend repräsentativ ausgewählte Beschäftigte befragt, wie sich das Verhalten von Deutschlands Führungskräften in der Krise verändert und wie sie von ihren Teams wahrgenommen werden. Umgekehrt auch, wie sich Einstellungen der Beschäftigten ändern und wie die Führung darauf reagiert. Ausgehend von den Ergebnissen der Studie „Leadership in Transformation”, lassen sich folgende sechs Thesen für Transformation im Allgemeinen ableiten.

Grafik: TRAFObeat.com/Studie-LIT – Leadership in Transformation

 

#01 SCHMERZ // Eindeutiger Veränderungsschmerz fördert Transformation

Der Arbeitsalltag hat sich für die meisten Beschäftigten vollständig verändert. Vier von fünf fühlen sich direkt betroffen – jeder zweite sehr. Dem Veränderungsdruck können die Betroffenen nicht ausweichen – auch deren Führungskräfte nicht. Sie müssen den Rahmen für die geänderten Bedingungen schaffen. Diese Unausweichlichkeit öffnet aber auch für die Führungskräfte neue Handlungsräume.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie deutlich die Führungskräfte über sich hinauswachsen – sie leisten Dinge, die bis dato nicht möglich schienen. 44% der Befragten geben an, dass sich das Verhalten ihrer Führungskraft positiv verändert hat. Aber nicht nur die Führungskräfte selbst, sondern auch die gesamte Organisation sind plötzlich und ohne Vorbereitung in der Lage, bislang nicht Vorstellbares umzusetzen. Die Organisation beginnt, sich selbst zu transformieren – sei es im Umgang miteinander (67% geben an, dass der Umgang vorsichtiger und rücksichtsvoller ist) oder der Art und Weise der Zusammenarbeit (42% nutzen mehr digitale Formen der Zusammenarbeit). Die Transformation erfolgt praktisch von heute auf morgen. Die Grenze des Möglichen wird durch den Veränderungsdruck bestimmt.

Die Offensichtlichkeit – der eindeutige Veränderungsschmerz – ermöglicht jedem Einzelnen, sowohl kognitiv als auch affektiv die Transformation für sich als notwendig nachzuvollziehen. Je klarer der Zweck der Transformation, desto eindeutiger die Wirkzusammenhänge und desto leichter fällt es den Betroffenen, den angebotenen Handlungsraum anzunehmen.

 

#02 VORBILD // Führungskräfte sind Treiber der Transformation

Mitarbeitende haben klare Erwartungen an ihre Führungskräfte – Orientierung geben, Entscheidungen treffen und Umsetzung treiben. Insbesondere im Unbekannten suchen sie eine Richtung, nicht nur Führung von vorn, sondern nach vorn. Die fundamentalen Veränderungen der Realität durch die Corona-Pandemie führten zu verändertem Führungsverhalten. 44% der Befragten gaben an, dass sich das Verhalten ihrer Führungskräfte positiv verändert hat. Die am häufigsten genannte positive Einzelveränderung ist die Häufigkeit, mit der kommuniziert wird (27%), gefolgt von der Kreativität und dem Pragmatismus im Umgang mit herausfordernden Situationen (23%). Dies wird durch die Mitarbeitenden überwiegend goutiert. 80% der Befragten wünschen sich, dass diese positiv bewerteten Veränderungen auch über die Krise hinaus bestehen bleiben.

In unbekanntem Terrain wie einer Krisensituation nimmt die Summe der nicht eindeutigen Entscheidungsoptionen zu. Der Erfolg unterschiedlicher Handlungsoptionen ist meist nicht vorhersehbar, und deren Konsequenzen sind ebenfalls nicht vollständig – und vor allem kaum eindeutig – zu überblicken. Der Bedarf nach Orientierung und Hilfe bei der Entscheidungsfindung sowie die Verfolgung der Umsetzung nehmen schnell zu. Führungskräfte sind damit in der Krise bei Entscheidungsprozessen noch stärker gefordert, Verantwortung zu übernehmen. Was profan klingt, wird existenziell. Denn nur wenn Entscheidungen konsequent umgesetzt werden, lassen sich deren Wirkungen überprüfen und in der Folge gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen einleiten. Die Aufgabe von Führungskräften ist es dann, gleichzeitig die Entscheidungsfindung zu forcieren, deren Umsetzung zu unterstützen und dessen Wirkungen zu überprüfen. Nur so ist Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit gegeben.

Grafik: TRAFObeat.com/Studie-LIT

 

#03 INTEGRATION // Konsequenter Dialog, Kreativität und Pragmatismus sind Erfolgsfaktoren für Transformation

Wenn Führungskräfte, wie bei #02 ausgeführt, Transformation gestalten und sogar Treiber derselbigen sind, darf angenommen werden, dass die positiv bewerteten Führungskompetenzen auch signifikante positive Wirkungen auf die Transformation haben. Laut Angabe der Befragten gehören dazu u. a. die Frequenz der Kommunikation verbunden mit der Vermittlung von Vertrauen zu Zuversicht, wie die Krise erfolgreich gemeistert werden kann, der kreative und pragmatische Umgang mit herausfordernden Situationen und die aktive Einbindung bei der Lösungsfindung sowie die Transparenz darüber, auch unbequeme Veränderungen einzuleiten.

Organisationen sind die Summe ihrer Individuen. Soll die Organisation sich entwickeln, braucht es die Transformation jedes Einzelnen. Nur wer also in der Organisation Teil des Veränderungsprozesses ist, verändert die Organisation. Veränderung kann top-down angestoßen werden; das geht in der Regel relativ schnell per „Command and Control”. Die Umsetzung ist aber nur so stabil, wie eben diese Funktion vorhanden ist. Widerstände treten also später im Prozess und zunehmend auf, wenn die Individuen keine Chance haben, durch konsequente Beteiligung und Dialog eingebunden zu sein. Wenn Betroffene Teil der Entwicklung einer Lösung sind, dann haben sie bereits vor der Umsetzung die Chance gehabt, sich den Sinn der Veränderung herzuleiten – sie gestalten an der Mechanik mit und müssen sich diese nicht erschließen. Es fällt leichter, den durch diesen Prozess mitgestalteten Raum anzunehmen. Durch die Einbindung und den konsequenten Dialog von Beginn an treten Widerstände in einer frühen Phase der Entwicklung auf und lassen bei der Umsetzung bereits nach. Dabei muss nicht jeder Vorschlag bottom-up entstehen. Aber aus dem Team heraus entstehen die Lösungen, die auch nachhaltig wirken und fest im Mindset der Beteiligten und damit der Organisation verankert sind.

 

#04 VERTRAUEN // Ungewissheit über die Zukunft zerstört nicht das Vertrauen, dass Transformation gelingt

Insgesamt nimmt das Vertrauen in den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit der Organisation durch die Krise nur minimal ab, obwohl der Zeitraum der Ungewissheit nicht eindeutig erscheint und vermeintlich niemand den Endpunkt der Krise beziffern kann. So sind 88% der Befragten davon überzeugt, dass das eigene Unternehmen auch nach der Corona-Krise erfolgreich und zukunftsfähig sein wird. Bezogen auf die Zeit vor Corona waren es noch 93%. Vier von fünf Befragten geben an, dass ihre Vorgesetzten gut und souverän mit der bestehenden Unsicherheit umgehen. In Summe ist das Vertrauen der Befragten in die Vorgesetzten groß, dass sie die Unternehmen erfolgreich durch die Krise führen (78%) und auch die Rückkehr in die neue Normalität erfolgreich gestalten (75%). Für die Gesamtleitung des Unternehmens liegen die Werte mit 80% und 78% sogar etwas höher. Dabei fällt auf, dass die Vertrauenswerte umso höher ausfallen, je mehr Kontakt zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten in der Corona-Krise besteht.

Die Mitarbeitenden akzeptieren also die Realität der Ungewissheit und erwarten auch von ihren Vorgesetzten nicht, dass sie Antworten liefern – die auch allgemein nicht verfügbar sind. Wie die Ergebnisse der Studie auch zeigen, erwarten sie jedoch einen transparenten Umgang mit der Situation und eine dementsprechend klare Kommunikation – auch wenn es sich um negative Botschaften handelt. Diese Transparenz stärkt das Vertrauensverhältnis zwischen Führung und Mitarbeitenden, welches wie ein „Sicherheitsanker” wirkt und so hilft, mit der gegebenen Unsicherheit besser umgehen zu können. Zudem ermöglicht es diese Transparenz, Erwartungen besser zu managen bzw. realistischer einzuordnen und so Enttäuschungen über erhoffte Ergebnisse oder Ziele vorzubeugen.

Grafik: TRAFObeat.com/Studie-LIT

 

#05 ERLEBEN // Persönliches Erleben von Transformation erzeugt einen positiven Spin

Die positive Verstärkung eines Verhaltens ist eine besondere Chance in Zeiten von Ungewissheit. Rücksichtsvollerer Umgang im Miteinander ist die eindeutigste Veränderung im Arbeitsalltag der Befragten. Gleichzeitig wünschen sich diesen positiven Effekt drei von vier Mitarbeitenden auch für die Zukunft. Aber auch gänzlich neue Dinge – wie die Einführung von Hygiene und Schutzmaßnahmen, deren Rahmenbedingungen, Umsetzung und Überprüfung durch die Führungskräfte sichergestellt wird – werden von den Mitarbeitenden nicht nur akzeptiert, sondern sollen für einen Großteil der Befragten auch zukünftig erhalten bleiben.

Aktive Teilhabe und positive Erfahrungen multiplizieren sich gegenseitig, verstärken alte und wecken neue Bedürfnisse. Aus der Lernpädagogik wissen wir: Positives Feedback verstärkt den Lernerfolg. Nehmen Betroffene aktiv an der Gestaltung der Transformation teil und erleben auch über ihren eigenen Einflussraum hinaus, wie sich ihr Engagement positiv auswirkt und den Gesamtprozess verstärkt, entstehen weitere Wellen der Transformation. Je mehr Beteiligte einer Transformation solche Erfahrungen machen, desto größer wird die Dynamik, die im Prozess entsteht. Führungskräfte sollten sich jedoch darüber bewusst sein, dass sich diese Dynamik gleichermaßen negativ entwickeln kann.

Grafik: TRAFObeat.com/Studie-LIT

 

#06 WIDERSTAND // Junge Menschen reagieren sensibler auf Impulse und multiplizieren so Transformationsaspekte

Jüngere Befragte reagieren sensibler auf Veränderungen im Verhalten der Führungskräfte. Die Reaktionen fallen – positiv wie negativ – stärker als bei den übrigen Befragten aus. So antwortet nur 1% der Befragten unter 30 Jahren, dass sie keine Veränderung im Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten feststellen. Mit zunehmendem Alter der Befragten steigt dieser Anteil auf 32% bei der Altersgruppe zwischen 31 und 49 Jahren und sogar auf 47% bei den über 50-Jährigen. Ein kleinerer Impuls reicht bei den Jüngeren also für eine stärkere Reaktion aus.

Dies führt zu der Annahme, dass sich mit einfachen Maßnahmen wie der Intensivierung des Dialogs oder Transparenz über getroffene Entscheidungen vor allem bei jüngeren Mitarbeitenden schneller Veränderungen realisieren lassen. Junge Menschen verfügen in der Regel über einen geringeren Erfahrungsschatz, als ältere Menschen und sind dadurch Veränderungen gegenüber offener eingestellt. Ältere Menschen haben deutlich mehr sowohl positive als auch negative Erfahrungen gesammelt. Sie reagieren in der Regel abwartender und zurückhaltender. Für Transformationen hat dies Vor- und Nachteile. Zwar sind einerseits ein größerer Impuls bzw. ein höherer Aktivierungsaufwand erforderlich, aber andererseits können diese Menschen in Transformationen als stabilisierende Elemente wirken. Denn Transformationen sind dann besonders erfolgreich, wenn stabilisierende Kräfte in die Lösungsfindung eingebunden sind und neuen Gestaltungsraum erfahren sowie leicht anpassungsfähige Kräfte in ihrer Bereitschaft positiv verstärkt werden. Dadurch entsteht einerseits ein natürliches Gleichgewicht und andererseits ein natürliches Spannungsfeld, das Kreativität in der Lösungsfindung fördert und Widerstände offenlegt. Für Führungskräfte besteht die Herausforderung darin, Aktivierungsimpulse richtig zu dosieren, denn durch die Ambivalenz bei den Beteiligten können sowohl positive wie auch negative Reaktionen verstärkt werden.

 

Aus den Erläuterungen der sechs Thesen ergeben sich zentrale Fragen, die sich Führungskräfte und Change-Verantwortliche im Rahmen jedes Transformationsprojektes stellen sollten. Welche Fragen das sind sowie noch ausführlichere Erklärung der Zusammenhänge Führung und Transformation lesen sie im Whitepaper „Leadership in Transformation“, dass Sie hier kostenlos herunterladen können.



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