New Work

New Work meets school

Wie Schulen zu Potenzialorten für alle werden können

 

1. NEW WORK – was bedeutet das eigentlich?

New Work ist das Buzzword schlechthin – mit dem sich jetzt in der Pandemie viele Unternehmen schmücken wollen – Remote-Arbeit, flexible Arbeitszeiten und ab und zu ein Zoom-Together. Aber ist das New Work?! – Jein, denn nicht unbedingt das WIE ist das Entscheidende, sondern das WARUM – die Haltung, die dahintersteckt. Wenn ich als Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeiten und Remote-Arbeit erreichen möchte, dass meine Mitarbeiter:innen auch sonntags ihre Mails checken, hat das nicht viel mit New Work zu tun, denn dann geht es weiterhin um das „höher, schneller, weiter“. Bei New Work geht es aber vielmehr um Selbstverwirklichung, Potenzialentfaltung und die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen – die Arbeit soll eine sinnstiftende und erfüllende Tätigkeit sein. Dieses Verständnis geht auf Frithjof Bergmann zurück, der schon in den 70er Jahren das Konzept der Arbeit hinterfragt hat.

Bei New Work geht es darum, den Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen gerecht zu werden und ihnen mehr Freiheit, Verantwortung und Teilhabe zu geben.

 

2. New Work und Schule – wie soll das gehen?

Schule ist nicht nur ein Lernort für Schüler:innen, sondern auch ein Arbeitsort für Lehrkräfte und (nicht-)pädagogisches Personal. Demnach ist Schule genauso wie ein Unternehmen eine lernende Organisation. Daher ist es spannend, auf der Arbeitsebene zu schauen, wie wir den Mitarbeiter:innen mehr Freiheit, Verantwortung und Teilhabe ermöglichen können.

Wie kann das dann in Schule konkret aussehen?

Um diese Frage zu beantworten, können wir erste Impulse aus dem Buch von Frederic Laloux „Reinventing Organisations“ nutzen. Er erläutert dabei drei verschiedene Prinzipien.

#1 Selbstorganisation und Selbstführung

Je komplexer Systeme werden, umso weniger gelingt eine Führung über Hierarchie. Vielmehr sollten nach Ansicht von Laloux die Entscheidungen dezentral von den Personen, die von dem „Problem“ betroffen sind und die über die entsprechende Expertise verfügen, getroffen werden.

Das heißt, dass man bei dem Konzept von Selbstorganisation dem Menschen vertraut, dass er über die entsprechende Kompetenz und Weitsicht verfügt und dass sie/er gegebenenfalls auch die Personen einbezieht, die dazu beitragen können. Durch diesen Ansatz wird Macht dezentralisiert, so dass neue Handlungs- und Verantwortungsräume entstehen – durch Vertrauen entsteht Partizipation.

Wie könnte dies in Schule aussehen?

Die jetzigen Strukturen im Schulsystem sind sehr hierarchisch angelegt: vom Kultusministerium über das Schulamt bis zur Schule.

Was wäre aber, wenn man den Gedanken von Selbstorganisation in Schule leben würde? Wenn Schulen mehr Entscheidungsbefugnisse und Gestaltungsfreiräume erhalten würden?

Dann würden wir den Gedanken von der „selbstverantwortlichen Schule“, den es seit ungefähr 20 Jahren schon gibt, noch mehr leben und weiterdenken. Bei diesem Gedankenspiel würden Schulen komplett für die Budgetverwaltung, Personaleinstellung und die Schulentwicklung verantwortlich sein. Das Schulamt würde an diese Stelle nur noch als Unterstützung agieren – mehr Vertrauen anstatt Kontrolle.

Darüber hinaus könnten wir die Dezentralisierung ebenso auf der Schulebene weiterspinnen. Die Struktur Schulleitung – Schulleitungsteam – Fachleiter – Lehrkräfte wäre aufgelöst. Stattdessen würden sich die Lehrkräfte in Kleinteams, z. B. Jahrgangsteams, selbst organisieren. – Und ja, in manchen Schulen ist dies schon Realität und es zeigen sich durchaus positive Wirkungen.

Was ist, wenn wir noch weitergehen? Was wäre, wenn die Kleinteams noch mehr Freiheiten bekommen würden? – Wenn wir so richtig losträumen, müsste es gar keinen zentralen Stundenplan mehr geben. Stattdessen würde das Kleinteam für den Jahrgang die Stunden, Fächer und Rhythmisierung wochenweise planen, da das Team die Bedürfnisse der Schüler:innen am besten kennt. Vielleicht gäbe es eine Woche ein außerschulisches Projekt für den gesamten Jahrgang und dann wieder abwechselnde Fächer klassenweise. So wäre es auch möglich, phasenweise Belastungen von einzelnen Lehrkräften selbstständig im Team aufzufangen.

#2 Ganzheit – sich als „ganzer“ Mensch zeigen

Das nächste Prinzip ist die Ganzheit. Laloux meint damit, dass man sich als „ganzer Mensch“ zeigen kann – mit all seinen Stärken, aber auch Schwächen. Man muss sich nicht mehr hinter einer Maske verstecken, sondern darf einfach „sein“.

Dies ist in meinen Augen ein sehr wichtiger Punkt, denn oft haben Lehrkräfte gelernt, eine „professionelle Maske“ zu tragen, sobald sie die Schultreppe betreten – denn die Erwartung, dass eine Lehrkraft immer alles richtig macht, zeigt sich immer noch stark. Eine ausgeprägte Fehler- und Unterstützungskultur zeigt sich leider bisher noch an sehr wenigen Schulen.

Aber ist es nicht besser Job und Privates als Lehrkraft zu trennen?

Ja, in dem Job ist es unvermeidlich, dass die Grenze zwischen Job und Privates verschwimmt. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass das tagtägliche Tragen von Masken viel Energie kostet. Der Druck, keine Fehler machen zu dürfen, baut eine Angst vor Verletzbarkeit auf und schafft vor allem Distanz zwischen Menschen. – Eigentlich etwas, was wir in Schule nicht wollen.

Wie kann diese Ganzheit nun in Schule gefördert werden?

Dies kann zum Beispiel durch Reflexionsräume geschehen, in denen Lehrkräfte ihre Herausforderungen offen miteinander teilen und sich gegenseitig unterstützen. Hier wären Supervisionsgruppen oder auch kollegiale Hospitationen denkbar – vor allem unter der Haltung „gemeinsam sind wir stark“.

#3 Evolutionärer Sinn – weniger kontrollieren, mehr erspüren

Den letzten Aspekt, den Laloux anspricht, ist der Evolutionäre Sinn. Hier geht es vor allem um die Entwicklung der Organisation. Diese soll nicht kontrolliert und vorhergesagt werden, sondern vielmehr aus dem „Jetzt“ heraus entwickelt werden, um aktuellen Entwicklungen gerecht werden zu können.

Wie soll das funktionieren?

Corona hat es uns sehr gut gezeigt. All die 5-Jahrespläne, die Unternehmen gemacht haben, waren von heute auf morgen überholt. Es geht also nicht darum, langfristige Strategien zu entwickeln. Vielmehr sollten wir den Fokus auf die Wahrnehmung der Situation legen, unseren Sinn der Organisation kennen und daraus die Handlungen ableiten.

Aber Schule bereitet doch auf das Leben vor? Was soll noch kommen?

Im Großen und Ganzen stimmt dies auch – und gleichzeitig ist nicht jede Schule gleich. Jedes Umfeld ist anders, die Herausforderungen sind anders und damit auch die Möglichkeiten. Es gibt nicht die Blaupause von der „Guten Schule“. Umso wichtiger ist es, dass Schulen auf ihre eigene Entdeckungsreise gehen können, um gemeinsam mit Lehrkräften, Mitarbeiter:innen, Eltern und Schüler:innen die eigene Vision zu entwickeln.

 

3. NEW WORK – Schule als Arbeitsort gestalten

An dieser Stelle möchte ich auch noch betonen, dass New Work-Schulen nicht von heute auf morgen entstehen können und müssen. Manchmal ist es schon der „kleine Step“, der eine große Wirkung erzielt. Deshalb sollten wir uns überlegen, womit wir schon jetzt mehr Freiheit, wahre Begegnung und Partizipation ermöglichen können.

Vielleicht helfen hierbei auch die folgenden Fragen als Denkimpuls:

  • Wie werden momentan Entscheidungen getroffen und wer wird alles einbezogen?
  • Wie transparent ist die Kommunikation und durch welche Prozesse wird sie geregelt?
  • Wie sehen unsere Meetings aus? Welche Werte werden dadurch sichtbar?
  • Gibt es Räume für Austausch und gemeinsame Reflexion im Schulalltag?
  • Wie werden neue Aufgaben und Funktionen verteilt? Wie stark werden dabei Potenziale des Einzelnen berücksichtigt?

Wenn Schule zu einem Ort von Potenzialentfaltung für die Mitarbeiter:innen werden soll, ist das Erkunden, Ausprobieren und sich Begegnen wichtig. Es braucht daher Zeit und Begleitung um neue Strukturen und Kulturen zu entwickeln.

Wenn Sie noch mehr zu neuen Führungskulturen, New Work und der Vernetzung von Schule & Wirtschaft erfahren möchten, können wir Ihnen das neue Leadership-Programm „zusammenWachsen“ für (angehende) Verantwortungsträger:innen aus Schule & Wirtschaft empfehlen, welches im November 2021 mit einem neuen Durchgang startet.

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Literatur:

Laloux, F. (2016): Reinventing Organizations visuell: Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Verlag Franz Vahlen München.



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