Erfolg

Erfolg beginnt beim Menschen

QUER GEFRAGT – 10 Fragen an Dr. Kai Beckmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Merck KGaA

 

Herr Beckmann, wie wirkt sich „New Work“ auf das „Daily Business“ von Ihnen aus und welche Herausforderungen bedeutet das für die Unternehmenskultur von Merck?

Die Veränderungen der Arbeitswelt sind schon seit einigen Jahren deutlich zu erkennen und erfordern eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Unternehmens und seiner Kultur. Bei Merck gestalten wir diese Veränderung aktiv. Mit unserem „mywork@Merck“-Programm waren wir einer der Pioniere neuer Arbeitsmodelle und räumten den Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze dafür geeignet sind, weitgehende Freiheiten bei der Wahl von Arbeitsort und -zeit ein. Mit unserem Innovationszentrum, dem neuen Mittelpunkt unserer Konzernzentrale in Darmstadt, schufen wir einen Raum, wo unabhängig von organisatorischer Zugehörigkeit an spannenden Zukunftsprojekten gearbeitet wird und ein intensiver Austausch auch mit externen Experten und Start-ups stattfindet. Und nicht zuletzt haben wir mit unseren Lösungen und Materialien für die Elektronikindustrie – seien es Flüssigkristalle oder OLEDs für Bildschirme oder Materialien zur Chip-Herstellung – weite Bereiche der Digitalisierung überhaupt erst ermöglicht und damit die Grundlage für einen wesentlichen Treiber der neuen Arbeitswelt gelegt.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach „Digital Leadership“ aus? Brauchen wir im Zeitalter von New Work mehr oder weniger Führung?

Es ist keine Frage des „Mehr“ oder „Weniger“, sondern vielmehr die Frage, WIE Führung heute und morgen aussehen muss, um erfolgreich zu sein. Wir arbeiten in einem globalen Kontext, in dem Teams über viele Länder und Zeitzonen verteilt sind. Wir leben in einer Arbeitswelt, in der organisatorische Zugehörigkeit immer weniger zählt und Menschen täglich in unterschiedlichen und wechselnden Konstellationen immer häufiger als virtuelle Teams zusammenarbeiten. Nicht zuletzt arbeiten wir in einem sehr volatilen, sich immer schneller verändernden Umfeld, in dem es nicht immer nur eine Wahrheit gibt. Die „VUCA World“ (Volatility, Uncertainty, Complexity & Ambiguity – Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit) ist ja zum geflügelten Wort geworden. Unter anderem hat auch Herr Kuhlmann in diesem Blog darüber geschrieben. Vor diesem Hintergrund muss Führung heute vor allem drei Aufgaben erfüllen: Orientierung geben (Purpose und konkrete Ziele), Zusammenhänge erläutern und Mitarbeiter motivieren. Bei Merck arbeiten wir daher sehr intensiv an unserer Führungskultur und geben mit unseren Unternehmenswerten und unserem Kompetenzmodell einen solchen Orientierungsrahmen vor. In meinem Blog habe ich diesen ausführlich erläutert.

Was ist für Sie der größte Antrieb bei der Arbeit und was müssten Mitarbeitende mitbringen, um sie als Chef zu überzeugen?

Ich finde es hochgradig spannend, Neues zu entdecken und Dinge zu gestalten. Dies kann heute niemand alleine tun. Deshalb ist es mir wichtig, in und mit einem Team zu arbeiten, das möglichst viele unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen einbringt. „Diversity“ ist ein handfester Vorteil für jedes Unternehmen. Menschen, die mich in der Zusammenarbeit überzeugen wollen, sollten neben Fachwissen und dem Streben nach Erfolg zwei Eigenschaften an den Tag legen: ein solides Wertegerüst, an dem sie ihr Denken und Handeln ausrichten, und Neugier darauf, die Gesellschaft, das Geschäft und zuallererst sich selbst weiterzuentwickeln.

Welche Bedeutung haben für Sie Haltung und Werte für den Unternehmenserfolg?

Wie bereits ausgeführt: Ich halte sie für unerlässlich. Kurzfristig scheint es manchmal sicher leichter und vordergründig auch reizvoller, sich nicht an bestimmte Werte oder Moralvorstellungen zu halten. Nachhaltig erfolgreich darf, kann und wird solches Verhalten aber nicht sein. Deshalb legen wir bei Merck und ich persönlich so viel Wert auf unsere Werte: Mut, Leistung, Verantwortung, Respekt, Integrität und Transparenz. Damit sie keine hohlen Phrasen bleiben, haben wir sie ganz intensiv in unsere Führungsmodelle und in unser tägliches Handeln integriert. Und das beginnt an der Spitze: Als Geschäftsleitungsmitglieder der Merck KGaA (vergleichbar mit den Vorständen in Aktiengesellschaften) sind meine Kollegen und ich persönlich haftende Gesellschafter – und diese Haftung gilt auch Jahre nach unserem Ausscheiden aus dem Unternehmen. Es dürfte leicht nachvollziehbar sein, dass wir schon alleine deshalb an langfristigem und dauerhaftem Erfolg unseres Unternehmens interessiert sind und für Glücksrittertum oder ausschließlich kurzfristig ausgerichtete Entscheidungen bei uns kein Platz ist.

Wie verändert sich die Kommunikation in der Digitalisierung nach extern und wie innerhalb eines Unternehmens?

Die scheinbar widersprüchliche Antwort ist: fundamental – aber eigentlich auch gar nicht. Fundamental, weil wir völlig neue Kanäle bekommen haben, über die wir kommunizieren – und weil wir interne und externe Kommunikation überhaupt nicht mehr trennen können. Alleine, dass ich hier in diesem Blog schreibe, ist ein sichtbares Zeichen für diese Veränderungen. Bereits vor mehreren Jahren habe ich auch begonnen, mich in LinkedIn zu Themen zu äußern, die mir wichtig sind – auch das wäre zehn oder 15 Jahre früher nicht vorstellbar gewesen. Und die Texte werden sowohl von Mitarbeitern wie auch von externen gelesen. Andererseits ist die Basis erfolgreicher Kommunikation unverändert Glaubwürdigkeit und Vertrauen in denjenigen, der „sendet“. So sehen wir etwa, dass die direkte und persönliche Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern nach wie vor die stärkste Wirkung entfaltet – nicht nur, weil die Führungskraft nach wie vor viel Vertrauen genießt, sondern auch, weil sie die Kommunikation maßschneidern und damit relevant für den Mitarbeiter machen kann – Stichwort „Zusammenhänge erläutern“. Dabei gilt heute umso mehr, was früher bereits das Geheimnis erfolgreicher Führungskräfte war: Kommunikation bedeutet nicht nur zu senden, sondern vor allem auch zuzuhören.

Welche technologischen Entwicklungen – auch abseits Ihrer Branche – sind für Sie im Moment am spannendsten?

Ich habe mich schon immer sehr stark für Technologie interessiert – nicht zuletzt deshalb habe ich mich auch für ein Informatikstudium entschieden und arbeite für und bei Merck, einem Wissenschafts- und Technologiekonzern. Insofern verwundert es sicher nicht, dass ich mich sehr intensiv mit allen Themen rund um Digitalisierung und IT beschäftige, aktuell das Internet der Dinge und künstliche Intelligenz etwa. Dass ich dieses Interesse nun auch in den Mittelpunkt meiner beruflichen Tätigkeit stellen konnte und wir mit dem Geschäft, das ich führe, ein wesentlicher Partner der Elektronikindustrie sind, ist ein Glücksfall. Dass ich mich für alle Neuerungen auf dem Gebiet der IT, vom neuesten Smartphone bis zum Quantencomputer, besonders interessiere, überrascht sicher niemanden.

Wenn der Mensch mehr in den Mittelpunkt gestellt werden muss, wie kann das in Ihrer Branche umgesetzt werden?

Ich denke, in unserer Branche steht der Mensch bereits sehr stark im Mittelpunkt. Speziell bei Merck haben wir das schon vor Jahrzehnten im Unternehmensleitbild verankert: „Erfolg beginnt beim Menschen.“ Wenn wir den Menschen weiterhin in den Mittelpunkt stellen wollen, dann gehören dazu heute vernünftige Rahmenbedingungen, die die Sozialpartner in der Chemie-Industrie traditionell mit ausgesprochenem Augenmaß und Zukunftsorientierung weiterentwickeln. Das jüngste Beispiel ist vielleicht die „Roadmap 4.0“, die wir tarifvertraglich vereinbart haben, um die neue Arbeitswelt gemeinsam zu gestalten. Dazu gehören aber auch Werteorientierung und gute Führung. Und nicht zuletzt gehört dazu, dass wir den Menschen helfen, mit den Veränderungen mithalten zu können – vor allem durch kontinuierliches, lebenslanges Lernen und entsprechende Bildungsangebote –, und dass wir uns auch um diejenigen kümmern, die diese Veränderungen nicht bewältigen können.

Was bedeutet „Querdenken“ für Sie und wie quer denkt Kai Beckmann selbst? Was würde Ihr Umfeld sagen?

Querdenken ist essenziell für langfristigen Erfolg. Bekanntlich kommt man ja auf ausgetretenen Pfaden nur dort an, wo andere schon gewesen sind. Eine wesentliche Quelle fürs Querdenken sind für mich Gespräche mit möglichst vielen möglichst unterschiedlichen Menschen, das offene Zugehen auf andere Meinungen und Sichtweisen und der menschliche Umgang miteinander, der dazu einlädt, im Gespräch nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg zu halten. Am Ende gilt es, die vielen Sichtweisen zu verknüpfen, zu einem Bild zusammenzusetzen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich hoffe, dass mein Umfeld mich so wahrnimmt. Nicht zuletzt ermöglicht mir ein Informatikstudium in Kombination mit einer Promotion in Volkswirtschaft auch selbst, die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Was ist aktuell Ihre größte berufliche und/oder persönliche Herausforderung?

Vor eineinhalb Jahren habe ich die Verantwortung für das „Performance Materials“-Geschäft von Merck übernommen. Es hat mit den Flüssigkristallen für Fernseher, Smartphones und andere Displays eine ausgesprochen erfolgreiche Vergangenheit. Allerdings verändern sich unsere Märkte dramatisch. Für uns bedeutet das eine Neuausrichtung des Geschäfts, um eine ebenso erfolgreiche Zukunft zu gestalten. Wir wollen uns weiter und noch stärker auf den Elektronikmarkt konzentrieren, vor allem aber im Geschäft mit Materialien für die Halbleiterindustrie wachsen. Diese Transformation erfolgreich zu gestalten und dabei gleichzeitig als Präsident des Bundesarbeitgeberverbands Chemie die Weichen für die neue Arbeitswelt richtig zu stellen, das hält mich aktuell gut beschäftigt.

Eine Entscheidung, die Sie nie bereuen werden…

Grundsätzlich bereue ich nie eine Entscheidung, da ich versuche, sie immer ordentlich abgewogen auf der Basis der zur Verfügung stehenden Informationen zu treffen. Auch, wenn es im Nachhinein vielleicht eine bessere Option gegeben hätte, hat man sich dann nichts vorzuwerfen.



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