Unternehmen tragen gesellschaftliche Verantwortung und sollten sich mehr einmischen!
Was hat Dich zum Camp Q geführt?
Ich bin in den Bereichen Zukunft der Arbeitswelten und New Work recht aktiv und beschäftige mich privat sehr stark mit dem Thema Zukunft. Dazu blogge ich regelmäßig auf „SchöneZukunft.de“. Im Rahmen meines Blogs habe ich mich letztes Jahr viel mit der Medienlandschaft in Deutschland beschäftigt. Es gibt einige beunruhigende gesellschaftliche Entwicklungen wie die in Chemnitz, die mir nicht gefallen. Dabei ärgert es mich besonders, wenn ich ein großes Plakat entdecken muss, auf dem ein Medienunternehmen mit dem Satz wirbt: „Deutschland wird unsicher“. Ich verstehe nicht, wie ein Medienunternehmen mit dieser negativen Stimmung sogar versuchen kann, seine Auflage zu steigern. Ich habe daraufhin einen wütenden Blogartikel geschrieben, in dem ich gesagt habe: „Hey Leute, wir müssen Werbung für die positiven Geschichten machen!“ Daraus ist die #MutLand-Iniative entstanden, welche mich letztendlich zur Moderation eines Mutsalons hier im Camp Q geführt hat.
Glaubst Du, dass Unternehmen sich bei gesellschaftlichen Themen mehr einmischen und eine gewisse Haltung an den Tag legen sollten?
Auf jeden Fall! Als Unternehmen hat man eine Verantwortung und beeinflusst die Gesellschaft maßgeblich. Schließlich verbringen viele Arbeitnehmer mehr als die Hälfte des Tages in ihren Unternehmen. Man kann nicht so tun, als ob das keinen Einfluss auf die Umwelt hat.
Was hat denn ein Unternehmen davon, wenn es eine Haltung zeigt?
Das ist ein guter Punkt. Aus marktwirtschaftlicher Sicht macht es für Unternehmen nur dann Sinn, Haltung zu zeigen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, wenn das den Umsatz- und Profitzielen nicht im Weg steht. Das ist ein Dilemma.
Es geht sicherlich auch darum, dass ich mein Umfeld präge und dadurch Einfluss nehme und meine Arbeitsbedingungen als Unternehmen verbessere oder verschlechtere. Wenn ich mich als Firma nicht einmische, ermögliche ich unter Umständen eine Gesetzgebung, die meinen Interessen widerspricht und vielleicht dazu führt, dass z. B. eine Zuwanderung nicht mehr möglich ist. Dann könnten Organisationen darunter leiden, hierzulande nicht genügend Arbeitskräfte zu finden.
Ja, das stimmt, das bedingt sich natürlich alles. Meines Erachtens müssen die Rahmenbedingungen geändert werden. Man kann einem Unternehmen nicht vorwerfen, dass es das Ziel erfüllt, dass ihm von der Gesellschaft vorgegeben wird. Also macht bitte Profit. Wenn Menschen ihr Verhalten ändern sollen, dann muss man das System ändern. Es gibt Ansätze, wie die B-Corp-Bewegung, die Erfolg anders definieren. Erfolg muss nicht heißen, dass es immer um den Shareholder Value geht. Erfolg könnte ja auch heißen, sich den Stakeholder Value genauer anzuschauen. Das sind natürlich die Unternehmenseigentümer, aber auch die Mitarbeiter, Kunden und auch die Gesellschaft. Was ist denn der eigentliche Mehrwert für die Gesellschaft insgesamt?
Welche Bewegung ist das genau?
Das B-Corp Zertifikat wurde 2007 in den USA mit dem Ziel entwickelt, Erfolg anders zu definieren. Anhand von recht anspruchsvollen Kriterien wird der positive Einfluss eines Unternehmens auf seine Stakeholder messbar gemacht. Unter dem Slogan: „Using business as a force for good.“ haben sich weltweit mittlerweile über 2.700 Organisationen so zertifizieren lassen. Unter anderem auch sehr erfolgreiche Unternehmen wie Ben&Jerries, Patagonia und Kickstarter.
Manchmal ist es für Unternehmen auch sehr schwierig, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Das Beispiel des Siemens-CEOs Joe Kaeser hat deutlich gezeigt, dass auch ein Unternehmenslenker sehr schnell an seine Grenzen stößt, wenn er sich gegen Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft ausspricht, aber sein Konzern zugleich Geschäfte mit fragwürdigen Regimen betreibt. Es ist natürlich sehr schwierig, allen moralischen Interessen einer Gesellschaft gerecht zu werden. Kann ich mir als CEO einzelne Themen heraussuchen und nur diese bespielen oder nach welchen Kriterien kann ich da als Führungskraft überhaupt Haltung zeigen?
Einem Unternehmen sollte niemand vorwerfen, den Profit zu maximieren. Jedoch kann ich den Leuten im Unternehmen vorwerfen, nicht moralisch zu handeln. Ich glaube, diese Trennung sollte man machen. CEOs müssen theoretisch alles rechtlich Mögliche machen, um den Profit zu maximieren. Als Person sollten sie sich aber Gedanken darüber machen, wie sie dieses Ziel erreichen und was das jeweils für eine gesellschaftliche Auswirkung hat.
Da geht es sicherlich um Rahmenbedingungen. Auf dem Camp Q habe ich ein Gespräch mit jemandem aus Dresden geführt, der mir sagte, er finde keine Mitarbeiter, weil seine Stadt aufgrund einer gewissen Ausländerfeindlichkeit ein Reputationsproblem habe. Ist es dann vielleicht sinnvoll, das gesellschaftliche Engagement der Mitarbeiter zu fördern? Nicht nur bei der Führung Haltung zu zeigen, sondern auch insgesamt auf die Persönlichkeiten der Mitarbeiter zu setzen und denen Rahmenbedingungen zu ermöglichen, damit sie diese Haltung an den Tag legen?
Ich glaube, das wäre weitsichtig.
Dann kann ich auch bei der gesellschaftlichen Differenzierung ein bisschen stärker auf verschiedene Themen gehen und man muss nicht nur mit einem Thema nach draußen gehen oder?
Es lohnt sich, bei diesen Fragen die eigenen Mitarbeiter miteinzubeziehen und nicht nur auf Top Down-Entscheidungen zu setzen. Es ist sicherlich nicht zielführend, wenn sich jemand in eine Kammer setzt und sagt: „Wir machen jetzt Flüchtlingshilfe.“ Führungskräfte und Mitarbeiter sollten gemeinsam entscheiden: „Das ist uns wichtig, das sind unsere Werte und übrigens, wir sehen da noch einen Wettbewerbsvorteil, wenn wir damit die Region stärken.“
Es geht auch um Sinnstiftung, um letztendlich eine gute Gesellschaft zu entwickeln.
Solange wir den potenziellen Konflikt haben zwischen der Frage nach einer guten Gesellschaft und der Entwicklung eines rentablen Unternehmens wird es immer schwierig sein. Das Problem wird immer dann sichtbar, wenn sich eine idealistische Entscheidung gegen den Unternehmenszweck richtet.
Auf dem Camp Q wurde auch darüber diskutiert, wie wichtig die Unternehmenskultur für die Haltung der Führungskräfte ist. Sie entscheidet auch darüber, ob es in einer kritischen Situation wie etwa der Dieselkrise nur zu Lippenbekenntnissen oder zu einem tatsächlichen Handeln führt.
Es genügt eben nicht, dass die Werte nach außen signalisiert werden und gleichzeitig Mitarbeiter für ihr gesellschaftlich richtiges Handeln sanktioniert werden, weil sie Unternehmensziele verfehlen. Bei der Dieselkrise wollte bestimmt niemand das Gesetz brechen. Dennoch gab es Ziele, die im Widerspruch zu den rechtlichen Anforderungen standen. Aufgrund ihrer individuellen Ziele haben Manager falsch gehandelt. Sie wollten ihre Position nicht riskieren und erhielten falsche Anreize, die zur Dieselkrise geführt haben.
In einigen Unternehmen werden aus Mitarbeitern Corporate Influencer, die als Markenbotschafter frei nach außen kommunizieren können. Sie orientieren sich an einem Regelwerk, werden aber in ihrer Kommunikation nicht kontrolliert. Das funktioniert nur, wenn in einem Unternehmen entsprechende Werte vorhanden sind und auch den Mitarbeitern klar ist, wofür das Unternehmen steht. Andererseits vertrauen Unternehmen, die solche Programme aufsetzen, sehr stark auf die Markenbotschafter und nehmen an, dass sie es richtig machen. Was hältst du von solchen Corporate Influencer Programmen?
Grundsätzlich ist das aus Unternehmenssicht kein verkehrter Schritt. Ich glaube, dass es Sinn macht, Leuten diese Freiheiten zu geben. Gerade das „wir geben genau vor, was gesagt wird, wir müssen alle mit einer Stimme sprechen“, ist genau das, was Unternehmen teilweise unglaubwürdig macht. Und wenn man Leuten die Macht bzw. die Freiheit gibt, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Unternehmen nach außen präsentieren, dann ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mich persönlich inspiriert die Working out Loud (WOL) Bewegung, die quasi allen Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, mit Leuten aus anderen Unternehmen in Kontakt zu treten. Der Gedanke, dass sich mehr Mitarbeiter vernetzen, ist aus Unternehmenssicht absolut sinnvoll, weil es die Kontaktfläche zum Markt und damit auch zu Kunden und potenziellen neuen Mitarbeitern erheblich vergrößert.
Was versteht man unter WOL?
Die Idee hinter Working out Loud ist es, Mitarbeitern eines Unternehmens eine höhere Selbstwirksamkeit zu geben. Die Idee wurde von John Stepper entwickelt und in Form von sogenannten Working out Loud Circles operationalisiert. Mit einer sehr einfachen Anleitung erhalten Mitarbeiter die Werkzeuge an die Hand, um sich anhand von selbst gewählten Themen weiterzuentwickeln. Dadurch entstehen neue Anknüpfungspunkte innerhalb und außerhalb eines Unternehmens.
Das interessante an den beiden Formen ist ja, dass beides jenseits der Hierarchien stattfindet. Dass sie abteilungsübergreifend zusammenarbeiten und dadurch an dem Menschen orientiert sind und nicht an deren jeweiligen Status. Das heißt, Unternehmen sollten aus deiner Sicht wahrscheinlich mehr Mut haben, sich auf den einzelnen Menschen einzulassen und dem auch etwas zuzutrauen oder?
Auf jeden Fall. Ich habe mal eine interessante Fragestellung gesehen: „Gibt man Menschen keine Verantwortung, weil sie verantwortungslos sind oder ist es vielleicht umgekehrt?“ Menschen, denen man Verantwortung gibt, werden in den allermeisten Fällen verantwortungsvoll handeln oder es lernen. Wenn man im Unternehmen die tayloristische Trennung von Denken und Handeln kultiviert, dann handeln die Menschen auch genau so, wie es ihnen gesagt wird. Aber eben auch nicht mehr. Das ist heute mehr denn je ein großes Problem. Deshalb sind aus meiner Sicht alle Initiativen zielführend, die den einzelnen Menschen mehr Verantwortung zugestehen. Unternehmen können dadurch flexibler auf die Herausforderungen der heutigen Zeit reagieren. Und die Mitarbeiter werden sich stärker mit ihrer Organisation identifizieren und weniger Dienst nach Vorschrift machen.
Also das heißt, du setzt auf Vertrauen in Menschen und deren Befähigung selbstständig Gutes zu tun für die Gesellschaft und die Unternehmen?
Grundsätzlich ja, aber es ist sehr abhängig davon, welche persönlichen Ziele den Mitarbeitern gesetzt werden. Wenn die individuellen Ziele nicht mit den Werten vereinbar sind, dann befindet man sich in einem dauerhaften Konflikt und verliert irgendwann die Motivation. Organisationen müssen prüfen, ob wirtschaftliche Ziele und gesellschaftliche Werte im Einklang sind. Wenn das der Fall ist, dann braucht es auch kein Micromanagement mehr. Oftmals trauen Führungskräfte ihrem Team zu wenig zu. Dabei haben sie in der Regel Mitarbeiter, die sehr selbstständig sind, wenn es darum geht, im Privatleben Häuser zu bauen, ihren Urlaub zu organisieren und Kinder zu erziehen.
Heißt das etwa, das Menschen selbstständig gute Entscheidungen treffen können?
Genau, die Arbeitnehmer liegen ja in ihrer Freizeit nicht hilflos in der Gosse. Wenn der Rahmen klar ist und ihnen alle notwendigen Informationen vorliegen, werden sie sinnvolle Entscheidungen treffen. Und trotzdem müssen Führungskräfte sich darauf einstellen, dass die Mitarbeiter Dinge tun, die man so nicht erwartet oder gewollt hat. Mit den Konsequenzen müssen Unternehmen umgehen. Fehler können passieren und man sollte großen Wert darauf legen, das zu akzeptieren und daraus zu lernen, ohne dass es für falsche Entscheidungen Sanktionen gibt. Sonst ist es nämlich sehr schnell wieder vorbei mit der mutigen Eigenverantwortung der Mitarbeiter.
Das Interview führte Klaus Eck während der Veranstaltung „Camp Q – Die Leadership Konferenz für Querdenker“.
Kommentare
Vielen Dank für den klasse Beitrag, lieber Herr Ilg. Meines Erachtens thematisieren sie darin auch einen wichtigen Punkt, der oftmals in vielen Diskussionen um die gesellschaftliche Verantwortung unter den Teppich gekehrt wird. Unternehmen müssen nämlich Geld verdienen, um gesellschaftlich Wirken zu können. Es kommt dann auf das WIE an, wie ich Geld verdiene. Selbst Reinhard Mohn sprach immer davon, dass die Sicherung der Kontinuität des Unternehmens oberste Priorität haben muss. Und das allein verstanden im Sinne der Nachfolgeregelung. Es ist sozusagen die höfliche Umschreibung dafür, dass es dazu Umsätze, Gewinne und eine angemessene Rendite braucht. Wie das erwirtschaftet wird , da wollte Reinhard Mohn durch die partnerschaftliche Unternehmenskultur einen Unterschied machen zu anderen Unternehmen.