Kill the Boss: Schwarmintelligenz ersetzt Führungskräfte!
Statt durch innovative Organisationsformen die sogenannte Schwarmintelligenz zu nutzen wird in den allermeisten Unternehmen immer noch eine klassische Pyramiden-Hierarchie gesetzt. Der Großteil der Belegschaft arbeitet unten und stemmt das operative Tagesgeschäft, während oben die Entscheidungen getroffen werden. Druck wird von Stufe zu Stufe nach unten weitergegeben – wer das nicht aushält, wird ersetzt. So hält man den Laden zwar am Laufen, erstickt aber auch kreative Ideen von unten und verschenkt Produktivität.
Wagen wir uns also an ein Experiment: Wir machen aus der Pyramide einen Bungalow, in dem alle gleichberechtigt und auf einer Ebene arbeiten. Anstelle von eingestaubten Hierarchien treten Selbstbestimmung und Schwarmintelligenz. Aus einem Chef werden fünf, zehn oder 100 Chefs. Das Fundament der Pyramide befindet sich unten, am Tagesgeschäft – dort gehört auch die Entscheidungsfindung hin. Diese funktioniert demokratisch und macht das Unternehmen agil, sodass es auf neue Game Changer der Digitalisierung reagieren kann. Das Wissen einzelner Spezialisten wird nicht mehr in Silos gehortet, weil Projekte in abteilungs- übergreifenden Teams bearbeitet werden. Doch Achtung: Wer diese schön klingende Utopie verwirklichen möchte, hat viel Arbeit vor sich.
Das richtige Team: Fachliche Skills allein reichen nicht für eine erfolgreiche Schwarmintelligenz
So faszinierend die Idee von Selbstbestimmung und Schwarmintelligenz ist – sie setzt eines zwingend voraus: das richtige Team. Kollegen, die nicht nur fachlich top sind, sondern auch über ein hohes Maß an Eigenmotivation und unternehmerischer Denke verfügen. Macher, die wirklich gewillt sind, einen Leistungsbeitrag zu erbringen, dabei über ein Höchstmaß an intrinsischer Motivation verfügen und Herausforderungen des Marktes antizipieren. Diese zu finden und zu halten, ist die wesentliche Herausforderung von Führungskräften in einem solchen Changeprozess. Über Nacht wird sich dieser nie bewerkstelligen lassen, doch umso wichtiger ist es, diese Leistungsträger im Unternehmen durch flache Hierarchien wirksam werden zu lassen. Sie sind es, die dann einen Kulturwandel im Unternehmen nicht nur fordern, sondern ihn dann auch wesentlich prägen, weil umsetzen, können.
Transparenz ist alles
Gründer und Geschäftsführer müssen lernen, die Kontrolle abzugeben und durch sinnvolles Feedback zu ersetzen. Ihre Angestellten werden an einem Mehr an Verantwortung nicht zusammenbrechen – Im Gegenteil, wenn es die richtigen sind, unternehmerisch denkende Persönlichkeiten, wird ihre Produktivität dank des entgegengebrachten Vertrauens steigen.
Traditionelle Führungskonzepte werden überflüssig, wenn jeder Einzelne im Unternehmen denkt wie ein Gründer. Dafür muss die Unternehmensführung vollständige Transparenz schaffen. Bisher sind Führungskräfte diejenigen, die über alle Vorgänge der Firma informiert sind, die Zahlen kennen und wissen wo es noch hakt. Doch was geschähe, wenn ihre Mitarbeiter ebenso gut informiert wären? Der Einzelne würde sich seiner Verantwortung bewusst und bei seinen täglichen Aufgaben neben den eigenen Zielen auch die der gesamten Organisation im Hinterkopf haben – er versteht die Bedeutung seines Handelns und agiert im Interesse aller. Eine Firma, die intern alles offen legt – Umsatzzahlen, Erfolgsbilanz der einzelnen Teams, Quartalsziele, Fünfjahres-Pläne und sogar die Gehälter – weckt in den Teams den Willen zur ständigen Weiterentwicklung.
Motivation entsteht nicht durch Zielvereinbarungen
Im Modell „Pyramide“ erzeugt die Unternehmensführung eine Art der „Mitarbeitermotivation“ durch Druck und Kontrolle. Viele Menschen, die ich treffe, berichten von diesem Druck durch die Führungskräfte. Fragt man die Führungskräfte, wollen sie davon nichts wissen. Doch die Methoden dieser Führungskräfte sind noch immer steinalt. Zum Beispiel sollen noch immer persönliche Zielvereinbarungen sicherstellen, dass alle im Soll bleiben. Gründer sollten sich die Frage stellen, warum ihre Mitarbeiter den Job einst überhaupt angenommen haben – mit Sicherheit nicht, um irgendwie acht Stunden totzuschlagen! Progressive Unternehmen, in denen moderne Organisationsmodelle Schwarmintelligenz und somit auch Innovation, Kreativität und Unternehmertum fördern, gehen davon aus, dass die Menschen ihrer Arbeit mit Freude nachkommen und in ihrer Tätigkeit einen Sinn erkennen möchten. Im besten Fall wird Beruf zur Berufung. Natürlich sind manche Jobs spannender als andere, aber ich behaupte trotzdem: in jeder Branche ist es möglich, Eigenmotivation bei den Mitarbeitern zu erzeugen, sodass Daumenschrauben von oben nicht länger nötig sind.
Fördern Gründer Freiwilligkeit und selbstbestimmte Projekteinteilung, wird das hierarchische Gebilde schnell zum autarken Organismus. Jeder Mitarbeiter hat gewisse Stärken und spezielle Talente, die im fixen Rahmen der Pyramide häufig ungenutzt bleiben. Ganz anders sieht es aus, wenn sich für jedes Projekt selbstständig Teams zusammenfinden, in denen genau die Leute arbeiten, deren Profil zur Aufgabe passt. Die Sorge, dass der fehlende Druck zu mangelnder Arbeitsbereitschaft führen könnte, erweist sich schnell als unbegründet. Die Erfolgsbilanzen der einzelnen Teams sind für alle transparent – wer sich nicht einbringt, sieht sofort, dass er damit das ganze Team runterzieht.
Strategie und Werkzeuge
Bevor sich die Geschäftsführung aus dem Tagesgeschäft zurückzieht, muss sie das Spielfeld abstecken, innerhalb dessen die Gruppe selbstbestimmt arbeitet. An erster Stelle sollte sie klare strategische Vorgaben machen. Welche Marktposition strebt das Unternehmen an? Welche KPIs sind dafür essenziell? Wie viel Umsatz müssen die einzelnen Teams erwirtschaften, damit die Firma weiter wächst? Gerade in der Anfangszeit bilden diese Vorgaben einen wichtigen Orientierungspunkt für die Schwarmintelligenz ohne Führungskraft. Mit den Jahren verselbständigt sich die Strategiefindung, wenn die Gründermentalität innerhalb der Gruppe verankert ist. Dann kommen die „Vorgaben“ von den Teams selbst.
Der Büroalltag ohne Chef ist für die meisten eine große Umstellung; Werkzeuge zum agilen Arbeiten stellen sicher, dass auch im Bungalow jeder seine Aufgabe findet. Das bekannteste und aus meiner Sicht intuitivste Management-„Tool“ für diesen Zweck ist Scrum. Einst für die Softwareentwicklung konzipiert, ersetzt die Methode bürokratisches Management durch ein neues Managementmodell, das durch iteratives Vorgehen Produktentwicklungen, Projektsteuerung und Changeprozesse in allen Branchen optimiert. Scrum visualisiert beispielsweise Verantwortlichkeiten und schafft eine Feedback- und Wertschätzungskultur – wichtige Bausteine für die Firma ohne Chef.
Die Pyramide hat ausgedient
New Work-Pioniere setzen schon lange auf flache Hierarchien. Im brasilianischen Unternehmen Semco gibt es seit den 80er-Jahren keine Vorgesetzten, stattdessen folgen die Mitarbeiter einer kreisförmigen Organisation, die in vier von den Mitarbeitern frei wählbare Positionen unterteilt ist. Ein etwas jüngeres Beispiel ist die Schweizer Internet-Agentur Liip. 140 Mitarbeiter arbeiten hier in selbstorganisierenden Teams, ohne Chefs, Budgets und Kontrollen. Damit die Gruppen wirtschaftlich arbeiten, gibt es Anzeigetafeln mit den aktuellen Kennziffern der jeweiligen Teams.
Die Pyramide ist etwas für Touristen in Ägypten, aber nichts für Unternehmen am Puls der Digitalisierung. Denn Chefs machen das Leben langsamer. Zu weit weg vom Thema und den Mitarbeitern killt ihre Verwaltung die Innovationskraft und macht schlapp. Wenn Gründer feststellen, dass sie mittlerweile nur noch Produktivitätsbremse sind, ist ein Umzug in den Bungalow überfällig. Denn Pyramiden wurden einst gebaut, um dort Regenten zu begraben.
Kommentare
[…] Arbeitsverhaltens. Eine Kultur vertrauensvoller Kooperation erleichtert selbstorganisierte Vernetzung der Gehirne und sie reduziert den Energieaufwand der Führungskräfte für Kontrolle und Koordination. Sie […]
[…] entwickelten sich dann im Laufe der Zeit verschiedene agile Methoden für die Projektarbeit, z.B. Scrum oder Design Thinking. Dabei wurden nicht alle Konzepte neu erfunden. Vielfach wurde auf den Erkenntnissen der […]