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Frauen gehen eigene Wege (Teil 2)

7 Blogbeiträge für mehr Chancengleichheit in Unternehmen! Es kann nicht darum gehen, dass sich Frauen an ein System anpassen müssen. Vielmehr sollte sich die kulturelle Transformation für mehr Chancengleichheit in Unternehmen gerade in der Haltung und im Vorleben von Führungskräften zeigen, die es ernst meinen. Das ist harte Arbeit auf allen Seiten, doch fest steht: nur wenn es Unternehmen gelingt, den Wandel zu meistern, neue Arbeitszeitmodelle, Karrieremöglichkeiten und individuelle Lösungen für alle Mitarbeiter:innen anzubieten, werden alle profitieren – damit der Weg frei ist für eine zukunftsgerichtete, innovative Wirtschaft.

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Der Frauenweg ist der Weg für Menschen! Karriere und Erfolg müssen neu definiert werden.


FRAUEN ZEIGEN, WIE ALTERNATIVE KARRIEREN AUSSEHEN KÖNNEN. SIE SIND VORBILDER FÜR DIE MODERNE, AGILE ARBEITSWELT.

Spitzenfrauen machen es vor: Sie gehen Karrierewege, die noch vor wenigen Jahren nicht denkbar waren. Janina Kugel war fünf Jahre lang Personalchefin bei Siemens, nun verlässt die 50-Jährige die Firma trotz großer Erfolge – und wird Beraterin des Bundesarbeitsministers. Kein klassischer Karriereschritt. Aber wenn man den Wunsch nach Einfluss und Entwicklung als Definition für Erfolg begreift, vermutlich ein Schritt in genau die richtige Richtung. Sie verkörpert auch diejenigen Frauen, die Teilzeitarbeit in Führungspositionen einfordern und in Unternehmen erfolgreich umsetzen. Es gibt Topmanagerinnen, die nach vielen Jahren Powerarbeit beherzt eine Auszeit nehmen, weil sie die Welt sehen oder mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten. So wie Caroline Zimmer – die Geschäftsführerin des Herstellers veganer Molkereiprodukte E.V.A. GmbH gönnte sich nach einer harten Aufbauphase des erfolgreichen Start-ups eine Auszeit von mehreren Wochen. Oder die Gründerin und Geschäftsführerin der Digitalagentur TLGG, Fränzi Kühne, die bei ihrer Firma ausstieg, um sich anderen Dingen zu widmen, die ihr derzeit wichtig sind.

Niemand würde diesen Frauen den beruflichen Ehrgeiz absprechen. Dass sie viel erreichen und extrem innovativ sowie leistungsstark sind, haben sie viele Jahre lang bereits bewiesen. Vielmehr bewundern wir sie für ihren Mut, ihren eigenen Regeln zu folgen statt den üblichen Businessregeln. Denn diese sind längst überholt.

 

Bisher bedeutete beruflicher Erfolg stets den steilen Aufstieg in der Hierarchie der Firma. Die Reihenfolge der Schritte auf der Karriereleiter war festgelegt. Mit jeder Sprosse wuchs einem mehr Personal, mehr Gehalt, mehr Verantwortung und im besten Falle auch mehr Budget und Macht zu. Ebenso waren die Rahmenbedingungen festgelegt: ohne Vollzeitarbeit keine Karriere.

Hinterfragt wurde diese Definition von Erfolg nicht. Bis die Frauen kamen. Zwar versuchten die vorigen Generationen von karriereorientierten Frauen, sich in dieses Muster einzupassen. Dies schien unverzichtbar, um voranzukommen. Doch inzwischen haben sie es satt, sich ständig zu verbiegen – und häufig dennoch hinter den Erfolgen ihrer männlichen Kollegen zurückzustehen. Coaches weiblicher Führungskräfte stellen fest: „Ich treffe viele Frauen, die klar sagen, dass sie Karriere machen möchten – aber nicht um jeden Preis.“ Sie möchten sich nicht länger an den Strukturen der Firmen abarbeiten und ziehen notfalls auch die Konsequenzen. „Frauen sind radikaler geworden. Gut ausgebildete, fähige Frauen verlassen die Unternehmen, wenn ihnen die Rahmenbedingungen nicht passen“, beobachtet Managementtrainerin Dr. Anne Schwarz, die seit zehn Jahren Businessfrauen im Programm der „Executive Trainings: Women and Cultural Change“ der Bertelsmann Stiftung begleitet.

Welche Rahmenbedingungen fordern Frauen? Antworten gibt beispielsweise die Interviewstudie der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit der Universität Koblenz-Landau „Die Rollen der Frau – Rollenvorstellungen und Karriereentscheidungen“ mit berufstätigen Frauen in verschiedenen Karrierephasen. Eine 46-jährige Interviewpartnerin steht in der Mitte ihrer beruflichen Laufbahn und möchte gerne noch mehr erreichen. Der Wunsch, Dinge zu gestalten, ist ihr Motor:

„Ich brauche eine Tätigkeit, die mich herausfordert; von der ich das Gefühl habe, da kann ich etwas bewegen. Mir ist wichtig, dass ich selber Dinge entscheiden kann in meinem Feld und die Möglichkeiten habe, die Dinge zu formen und auszugestalten.“

Eine 53-jährige Führungskraft findet horizontale wie vertikale Karriereschritte gleichermaßen interessant:

„Einen Schritt machen heißt entweder nach oben oder zur Seite – aber dann inhaltlich interessant.“

Eine 46-jährige Führungskraft formuliert die Bedeutung von persönlichem Interesse und Wohlgefühl für Karriereentscheidungen noch einmal deutlicher:

„Ich möchte vorankommen, sodass ich mich damit wohlfühle. Am Ende vom Tag sollte einem der Karriereschritt, auf den man hinarbeitet, schon Spaß machen.“

Frauen verbinden mit einer guten Karriere natürlich auch den Zuwachs an Macht und Gehalt, wie es klassische Karrieren auszeichnet. Allerdings ist ihnen dieses Ziel zu eindimensional. Sie streben daneben auch nach persönlicher Entwicklung und inhaltlich interessanten Aufgaben. Manche steuern auch alternative Karrierewege an. Sie möchten in Teilzeit arbeiten und zugleich Verantwortung übernehmen. Sie möchten neben der beruflichen Karriere auch ein vielfältiges Leben führen. Sie stellen Gestaltungswillen vor pures Machtstreben. Sie möchten interessante Aufgaben und sich auch im beruflichen Kontext persönlich entwickeln.

„Wichtig sind Entscheidungskraft und Teilhabe und trotzdem ein erfülltes Leben“, sagt Jana Tepe, Geschäftsführerin beim Softwareentwickler Tandemploy und Teilnehmerin des Round Table „Frauenbilder und weibliche Karrieren“. Sie leitet ein erfolgreiches Unternehmen und lebt in ihrer Firma diese Definition von Erfolg. Das heißt konkret: In ihrem Team arbeiten Männer wie Frauen eher 30 als 40 Stunden; Führungspositionen sind paritätisch besetzt – und auch Teilzeitkräfte haben Führungsverantwortung; Sabbaticals oder Elternzeit nehmen Männer wie Frauen gleichermaßen wahr.

Eine exotische Ausnahme? Oder ein Blick in die Zukunft? Die Politikerin Rita Süssmuth bringt es klar auf den Punkt: „Der Frauenweg ist der Weg für Menschen.“ Denn in den Forderungen der Frauen finden sich im Grunde die Forderungen an eine moderne Gesellschaft. Sie sind letztlich nur die Pionierinnen, die sie formulieren, weil ihr Leidensdruck zu hoch ist. Jedoch ruft letzten Endes die gesamte Gesellschaft nach einer neuen Definition von Erfolg und beruflichem Aufstieg. Studien zeigen sehr deutlich, wo es langgeht: Diverse Teams arbeiten erfolgreicher und leisten mehr. Gut ausgebildete Frauen aktivieren ihr Potenzial für das Erwerbsleben eher dann, wenn sie Beruf und Familie vereinbaren können. Ebenso gibt es immer mehr Männer, die der traditionellen Sicht auf Karriere kritisch gegenüberstehen. Sie streben ebenfalls ein ganzheitliches Leben an, das neben den beruflichen Ambitionen Platz für Privatleben und Familie bietet. Rita Süssmuth: „Die Forderungen der Frau bedeuten auch für die Männer die Chance, etwas hinzuzugewinnen.“ Beispielsweise die Möglichkeit, in verantwortungsvollen Positionen in Teilzeit zu arbeiten, ein selbstverständliches Recht auf Elternzeit, mehr Freiräume für die Balance zwischen persönlicher und beruflicher Entwicklung, eine ganzheitlichere Sicht auf die persönliche Berufsplanung.

 

Das hilft: Derzeit wird die Forderung der Frauen nach einer neuen Definition von Karriere und Erfolg viel zu selten erfüllt. Dabei sind ihre Forderungen wichtige Impulse für den Wandel in der Wirtschaft. Und als solche sollten sie endlich Beachtung finden. Petra Scharner-Wolff, Mitglied des Vorstandes der Otto GmbH und Co. KG, formuliert die Forderung der Zeit erfrischend schlicht: „Wir müssen schneller werden.“

Praxistool:
Ihre persönliche Karrierestrategie

  • Prüfen Sie Unternehmen, bevor Sie sich bewerben: Gibt es verschiedene Arbeitszeitmodelle? Eine explizite Frauenförderung? Mentoringprogramme? Gibt es Frauen auf hohen Führungspositionen, die deutlich machen, dass es das Unternehmen wirklich ernst meint?
  • Suchen Sie sich innerhalb und außerhalb Ihrer Firma Role Models. Welche Frauen sind im Unternehmen aufgestiegen und haben dennoch ihren eigenen Stil von Karriere entwickelt? Sprechen Sie diese an, beginnen Sie einen Austausch.
  • Halten Sie Ausschau nach Best Practice: Was wurde in Ihrer Firma bereits umgesetzt? Gibt es Führung in Teilzeit? Sabbaticals? Auch wenn es nur Einzelfälle sind – der Präzedenzfall gilt. Sprechen Sie die Personen direkt an und fragen Sie, wie diese es geschafft haben, ihre Wünsche durchzusetzen.
    Stellen Sie mutig Forderungen, sobald Ihre Kompetenzen und Ihre Leistungen im Unternehmen anerkannt und geschätzt sind. Üben Sie solche Gespräche vorab, zum Beispiel mit einer guten Freundin. Sie werden feststellen, dass es auf Ihre innere Haltung ankommt, ob Sie Ihr Gegenüber von neuen Wegen für sich und andere überzeugen können.

Praxistipps für Führungskräfte und Personalverantwortliche:
Schritte in eine zeitgemäße Unternehmenskultur

  • Kippen Sie die Präsenzkultur in Ihrer Firma und gehen Sie mit gutem Beispiel voran.
  • Lassen Sie Jobsharing und Teilzeit auf Führungsebene zu.
  • Fördern Sie verschiedene Lebensentwürfe in Ihren Teams.
  • Bieten Sie Flexibilität und Entwicklungsmöglichkeiten für Ihre Beschäftigten.
  • Trauen Sie weiblichen Beschäftigten stets mehr zu, als diese sich selbst zutrauen.
  • Nehmen Sie Diversity-Aspekte in Ihre Zielvereinbarungen auf.
  • Ein gutes Controlling erlaubt, Anzahl, Ort und Entwicklung von Frauen mit Führungsverantwortung im Unternehmen zu verfolgen. Falls dies in Ihrer Firma noch nicht etabliert ist, wird es höchste Zeit.

 

Autorin: Carola Kleinschmidt, Journalistin und Trainerin mit Schwerpunkt Älterwerden im Beruf.


 

Weitere Blogbeiträge zu „Frauen gehen eigene Wege“ finden Sie hier:

Teil 1 „Frauen gehen eigene Wege – nur wer diese kennt, kann weibliche Karrieren fördern“

 



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