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Frauen gehen eigene Wege (Teil 7)

7 Blogbeiträge für mehr Chancengleichheit in Unternehmen! Es kann nicht darum gehen, dass sich Frauen an ein System anpassen müssen. Vielmehr sollte sich die kulturelle Transformation für mehr Chancengleichheit in Unternehmen gerade in der Haltung und im Vorleben von Führungskräften zeigen, die es ernst meinen. Das ist harte Arbeit auf allen Seiten, doch fest steht: nur wenn es Unternehmen gelingt, den Wandel zu meistern, neue Arbeitszeitmodelle, Karrieremöglichkeiten und individuelle Lösungen für alle Mitarbeiter:innen anzubieten, werden alle profitieren – damit der Weg frei ist für eine zukunftsgerichtete, innovative Wirtschaft.

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Die versteckten Kinder – auch heute noch verbergen Frauen ihre Mutterschaft im Beruf.

 

FÜHRUNGSFRAUEN SPRECHEN IM BETRIEB SELTEN ODER NIE ÜBER IHRE KINDER, ZEIGT DIE STUDIE DER BERTELSMANN STIFTUNG. SIE FÜRCHTEN KARRIERE-NACHTEILE. DER UMGANG MIT MUTTERSCHAFT UND FÜHRUNG BRAUCHT DRINGEND EIN UPDATE.

Kaffeepause im Meeting der Firmenstandorte. Der Standortleiter aus München schwärmt von seinem sportlichen Sohn, der jedes Wochenende Fußballturniere absolviert. Mit Augenzwinkern fügt er an: Manchmal verletzt man sich auch – dann fällt eine Woche Schule aus. Aber das gehöre halt zum Sport dazu. Die Standortleiterin aus Düsseldorf steht dabei – und schweigt. Auch sie hat zwei fußballbegeisterte Kinder. Aber niemals würde sie mit dieser gewissen Leichtigkeit von verstauchten Fußgelenken und Fehltagen erzählen. Warum nicht?

Selbst die Forscherinnen der Interviewstudie waren überrascht. In den Gesprächen mit 41 Frauen aus Unternehmen der Privatwirtschaft auf unterschiedlichen Führungsebenen wurde deutlich: Auch, wenn Frauen heute sehr viel selbstverständlicher in Führungspositionen arbeiten, gibt es noch ein großes Tabu: Ihre Rolle als Mutter. Eine 45-jährige Managerin, die in ihrem Unternehmen gerne noch weiter aufsteigen möchte, erzählt:

„Ich thematisiere nie, dass ich selbst Mutter bin. Schon gar nicht bei Erstkontakten mit Kunden.“

Warum verschweigt die Führungskraft ihre Kinder? Sie ist es leid, sich den kritischen Nachfragen und Vorurteilen auszusetzen, die sie schon so oft gehört hat. Zum Beispiel die Frage danach, was mit den Kindern passiert, wenn sie auf Dienstreise ist. Oder wie ihre Kinder es verkraften, dass die Mutter so viel arbeitet. Viele weibliche Führungskräfte hören solche Sätze, die zu ihren Männern niemals gesagt werden. Die 45-Jährige stellt fest:

„Es gibt in Deutschland kein wirkliches Rollenmodell für berufstätige Mütter. Da schwingt immer die negative Konnotierung von Rabenmutter mit.“

Auch vonseiten des Unternehmens fühlt sich die 45-Jährige als Mutter kritisch beäugt statt in ihrer Identität als Führungskraft UND Mutter gestärkt:

„Mein Eindruck ist, dass alles, was in irgendeiner Weise familiär konnotiert ist, ein Stück weit als unnötige Emotion gewertet wird. Im arbeitstechnischen Kontext erlebe ich beispielsweise eher Unverständnis, wenn man sagt, dass man wegen der Kinder nach Hause geht.“ 

Als Managerin ist sie natürlich gewohnt, Probleme zu lösen, und so geht sie auch mit dieser Herausforderung lösungsorientiert um: Sie hat ein perfekt funktionierendes Netz der Unterstützung aufgebaut. Und falls sie wegen der Kinder doch einmal nach Hause muss, weiß jeder, dass sie im Homeoffice erreichbar ist und alle zeitkritischen Aufgaben zuverlässig erledigt.

Was für eine Kraftanstrengung! Das Verheimlichen! Die Doppelbelastung! Die Ungerechtigkeit! Denn wie ungerecht ist das denn, wenn weibliche Führungskräfte zugunsten ihres Standings im Unternehmen einen Teil ihrer Identität im Arbeitsalltag verbergen – während Männer eher im Ansehen steigen, wenn sie begeistert von ihren Kindern erzählen. Der unnötige Rollenkonflikt kostet viel Kraft und macht müde. Die Erwartungen werden dabei nie deutlich formuliert, sie sind für die befragten Frauen dennoch spürbar und steuern sie im Unterbewusstsein.

Viele weibliche Führungskräfte bleiben deshalb unter ihren Möglichkeiten, wie eine 37-jährige Managerin mit Personalverantwortung erklärt, die auf der Karriereleiter gerne weiter nach oben steigen würde, aber feststellen muss, dass interessante Positionen niemals auf Bedürfnisse von Müttern zugeschnitten sind, sondern eher auf die des Vollzeitmannes mit einer sorgenden Frau im Hintergrund, die ihm den Rücken stärkt:

„Es ist ein klarer Rollenkonflikt. Ich kann mich beruflich nicht so entfalten, wie ich wollte. Im Gegensatz zu einem Mann denke ich meine Rolle als Mutter immer mit. Ich möchte diese Rolle ja auch einnehmen. Doch das führt dazu, dass ich eine spannende Position oder Herausforderung sehe und gleichzeitig im Kopf denke: Das geht jetzt nicht. Denn die Stelle verlangt, dass ich umziehe oder die ganze Woche unterwegs bin. Und das kann ich gerade nicht.“

Wie sehr diese Situation belastet, zeigt sich in der Interviewstudie auch in den Antworten auf die Frage nach den subjektiven Erfolgskriterien für eine gute Karriere. Auf Platz eins und zwei stehen ähnlich wie bei Männern klassische Karriereziele wie „Persönliche Weiterentwicklung“ und „Gestaltungsspielraum“. Aber bereits an dritter Stelle nennen die Managerinnen „Vereinbarkeit Privates und Beruf“. Vor allem junge High-Potentials sehen in der Vereinbarkeit einen zentralen Erfolgsfaktor. Eine 25-jährige Führungskraft mit Aufstiegsambitionen erklärt mit Nachdruck, dass sie ihr Frausein und ihren Kinderwunsch genauso wenig verleugnen möchte wie ihre beruflichen Ambitionen:

„Beruf und Privates müssen unter einen Hut passen. Mir ist wichtig, mich trotz Kindern beruflich selbst zu verwirklichen und nicht nur Mutter zu sein.“  

Doch Unternehmen setzen (noch) immer nicht die richtigen Zeichen. Die Studienteilnehmerinnen haben erlebt, dass sie nach einer kurzen Elternzeit ins Unternehmen zurückkehrten und mit weniger interessanten Jobs Vorlieb nehmen sollten oder ihre Firma wenig Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeiten zeigt. Sogar vermeintlich attraktive Angebote bekommen einen bitteren Beigeschmack, wenn sie kein bisschen auf die Vereinbarkeit zugeschnitten sind. Eine 51-jährige Führungskraft erinnert sich:

„Mir wurde dann eine Stelle in den USA angeboten. Aber es war klar, dass meine Familie nicht mitgehen würde und ich pendeln muss. Meine jüngste Tochter war gerade in der ersten Klasse. Mein Mann hatte keine Möglichkeit, außerhalb zu arbeiten. Die Firma tat nichts, um ihre Mitarbeiterin dabei zu unterstützen für diese schwierige Situation Lösungen zu finden.“ 

Sie lehnte das Angebot schweren Herzens ab. Wäre die Befragung der Bertelsmann Stiftung die erste Studie, die diesen Missstand aufzeigt, wäre das Ergebnis einfach interessant. Man kann aus den Antworten der Managerinnen sehr leicht ableiten, was Firmen tun können, um diese unnötige Belastung für Chefinnen zu stoppen.

 

Das Thema ist nicht neu! Bereits im Jahr 2006 befragte die Bertelsmann Stiftung 500 (!) Mütter in Führungspositionen nach ihren Erfolgsstrategien.

Schon damals zeigte sich, dass ein familienfreundliches Klima und eine flexible Arbeitsorganisation den Boden für gute Karrieren von Müttern bereiten. Viel mehr müssten Firmen gar nicht tun. Den Rest machen die Frauen selbst: Sie sind in der Regel überdurchschnittlich gut in Selbstorganisation und können sehr gut Prioritäten setzen, zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung von 2006. Sie entwickeln mit ihren Partnern und privaten Netzwerken gute Lösungen für eine verlässliche Kinderbetreuung und nehmen berufliche Termine genauso zuverlässig wahr wie männliche Kollegen. Sie sind pragmatische Macherinnen – und damit für die Position als Führungskraft perfekt aufgestellt.

Und im Jahr 2017 zeigt der Führungskräftemonitor 2017 des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: Derzeit haben in Deutschland nur 24 Prozent der weiblichen Führungskräfte kleine Kinder bis drei Jahre. Das DIW bringt die niedrige Zahl direkt mit den Missständen in deutschen Unternehmen in Verbindung: „Dies überrascht nicht, denn die gewöhnlich den Frauen zugeschriebene Verantwortung für die Betreuung von Kleinkindern ist besonders schwer mit einer Führungsposition zu vereinbaren“. Bei männlichen Führungskräften lag der Anteil mit Kindern im Alter bis zu drei Jahren bei 40 Prozent.

Besonders schockierend: Vor der Kinderphase setzen Männer wie Frauen heutzutage in etwa gleich viel Energie in Job und Aufstieg. „Nachdem in jüngeren Jahren oft noch von beiden Geschlechtern eine Karriere angestrebt wird, ändert sich das in der betreuungsintensiven Familiengründungsphase im mittleren Alter“, schreiben die Autoren des Führungskräftemonitors, Elke Holst und Martin Friedrich.

Angesichts der Doppelbelastung, Abwertung und mangelnden Unterstützung vonseiten vieler Arbeitgeber, von der die Interviewpartnerinnen der Studie „Die Rollen der Frau – Rollenvorstellungen und Karriereentscheidungen“ berichten, verwundert dieses Verhalten nicht. Und es deckt sich gleichermaßen mit den Erfahrungen der Expertinnen beim Round Table, die Tandemploy-Chefin Jana Tepe mit einem Satz auf den Punkt brachte: „Die Gleichberechtigung endet an der Kreißsaaltür.”

 

Das hilft: Unternehmen, die Vereinbarkeit ernst nehmen, profitieren. Von den 500 im Jahr 2006 befragten Führungsfrauen berichteten viele über mehr Gelassenheit und Effizienz im Job, seit sie ihr Leben nicht mehr ausschließlich aufs Business ausrichten. Organisationsfähigkeit, Belastbarkeit sowie der Mut zu delegieren – die Rolle als berufstätige Mutter schult all diese Kernkompetenzen, die auch den Aufgaben als Führungskraft zugutekommen. Sogar die berufliche Motivation von der Rollenvielfalt: Viele Führungskräfte mit Kindern berichten, dass ihre Haltung zur Arbeit noch positiver geworden sei – eben weil sie zwischen den beiden Welten wechseln. Stellvertretend für viele formulierte Regina Stachelhaus, damals Geschäftsführerin von HP Deutschland, heute Personalvorstand bei E.ON:

„Mein Beruf und meine Familie ergänzen sich wunderbar. In der Firma lebt man ja oft in einer eigenen Welt mit spezifischen Zielen und Anforderungen, und ich genieße es sehr, eine private Welt dagegensetzen zu können.“

An dieser ganzheitlichen Haltung zum Beruf und zum Leben sollten wir uns alle ein Beispiel nehmen. Männer wie Frauen.

 

Praxistool:
Seien Sie selbstbewusst Mutter UND Führungskraft

  • Klären Sie Ihr Ziel: Sie wollen Mutter sein und beruflich viel erreichen. Schreiben Sie so konkret wie möglich auf, was Ihnen an beiden Rollen besonders wichtig ist – das ist Ihr Fahrplan.
  • Sie und der Vater Ihres Kindes/Ihrer Kinder. Auch wenn es wenig romantisch klingt: Diskutieren Sie auf Augenhöhe mit Ihrem Partner BEVOR Sie sich für gemeinsame Kinder entscheiden. Welches Rollenbild ist in ihm verankert? Wie stellt er sich das gemeinsame Leben und Arbeiten vor? Wie wird die Familienarbeit aufgeteilt? Fordern Sie rechtzeitig eine gerechte Verteilung der Care- und Hausarbeit und schnüren Sie Ihren individuellen Vertrag am Küchentisch.
  • Aktivieren Sie Ihr privates Netzwerk: Erfolgreiche Führungsfrauen zeigen, dass ambitionierte berufliche Ziele ohne die aktive Unterstützung durch persönliche Netzwerke, verlässliche Kindersitter etc. kaum zu realisieren sind.
  • Aktivieren Sie Ihr Unternehmen: Als fähige Führungskraft können Sie Forderungen stellen. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Ihre Firma bietet, oder handeln Sie Extralösungen aus. Machen Sie sich auf Widerstände gefasst. Sehen Sie es sportlich oder als Statussymbol, wenn Sie jede Unterstützung einfordern, die letztlich dazu dient, dass Sie Ihren Job gut machen können.
  • Optimieren Sie Ihren Arbeitsstil: Fleißige Lieschen werden nicht Chefin. Setzen Sie klare Prioritäten, üben Sie geschickt zu delegieren und planen Sie Karriereschritte strategisch. Mentoren und Mentorinnen sowie Führungskräfte-Entwicklungsprogramme wie das Executive Training: „Women and Cultural Change“ der Bertelsmann Stiftung können sehr hilfreich sein.

Praxistipps für Führungskräfte und Personalverantwortliche:
Vereinbarkeit muss Chefsache sein

Machen Sie Vereinbarkeit endlich zu einem selbstverständlichen Thema in Ihrem Unternehmen – für Mütter ebenso wie für Väter. Auch Beschäftigte ohne Kinder, die private Wünsche oder Verpflichtungen mit der Arbeit verbinden möchten (Pflege, Partner arbeitet im Ausland, Wunsch nach Weiterbildung etc.), erwarten heute Unterstützung vonseiten des Arbeitgebers.

  • Fördern Sie Vereinbarkeit für Mütter UND Väter: Zum Beispiel durch Akzeptanz von mehrwöchiger Väterzeit, Krankentage für Kinder, Sabbaticals für die Familie oder auch Home-Office-Regelungen, flexible Arbeitszeiten etc.
  • Mitarbeitergespräch: Integrieren Sie das Thema Vereinbarkeit in das regelmäßige Mitarbeitergespräch.
  • Informieren und beraten Sie: Als Personalverantwortliche können Sie mit gutem Informationsmaterial und Beratungsangeboten den Weg ebnen.
  • Verändern Sie Ihre Unternehmenskultur: Entwickeln Sie Ihre Organisation weg von der Präsenzkultur. Leistung und Ergebnisse sollte mehr zählen als Anwesenheit.
  • Setzen Sie Zeichen: Unterstützungsangebote für Eltern und Beschäftigte mit Pflegeverantwortung entlasten Beschäftigte, schaffen Identifikation mit dem Arbeitgeber – und wirken stark in der Außenwahrnehmung und für das Employer Branding.

 

Ergebnisse der Studie „Die Rollen der Frau – Rollenvorstellungen und Karriereentscheidungen“

Vereinbarkeit – ein Schlüsselfaktor guter Karrieren

Wer Frauen in Führung sehen möchte, muss Vereinbarkeit in den Blick nehmen und für Entwicklungsmöglichkeiten sorgen. Führungsfrauen formulieren neun subjektive Erfolgskriterien, die den beruflichen Aufstieg zu einer „guten Karriere“ machen:

  • Persönliche Weiterentwicklung
  • Gestaltungsspielraum
  • Vereinbarkeit Privates und Beruf
  • Passung Stelle & Fähigkeiten
  • Spaß und Zufriedenheit
  • Inhaltliche Ziele
  • Verantwortung übernehmen
  • Neues erleben
  • Gutes Arbeitsklima

Quelle: Görtz und Gerlach 2019

 

Autorin: Carola Kleinschmidt, Journalistin und Trainerin mit Schwerpunkt Älterwerden im Beruf.


 

Weitere Blogbeiträge zu „Frauen gehen eigene Wege“ finden Sie hier:

Teil 1 „Frauen gehen eigene Wege – nur wer diese kennt, kann weibliche Karrieren fördern“
Teil 2 „Der Frauenweg ist der Weg für Menschen! Karriere und Erfolg müssen neu definiert werden.“
Teil 3 „Arbeit neu denken, anders führen – Frauen bringen mit, was moderne Führung verlangt.“
Teil 4 „Zu nett für den Aufstieg? Vorsicht vor der Likeability- Falle!“
Teil 5 „Das Licht unter dem Scheffel. Von Selbstzweifeln und Hochstaplergefühlen.“
Teil 6 „Vom Schatten ins Licht. Frauen, werdet sichtbar!“



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