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Frauen gehen eigene Wege (Teil 5)

7 Blogbeiträge für mehr Chancengleichheit in Unternehmen! Es kann nicht darum gehen, dass sich Frauen an ein System anpassen müssen. Vielmehr sollte sich die kulturelle Transformation für mehr Chancengleichheit in Unternehmen gerade in der Haltung und im Vorleben von Führungskräften zeigen, die es ernst meinen. Das ist harte Arbeit auf allen Seiten, doch fest steht: nur wenn es Unternehmen gelingt, den Wandel zu meistern, neue Arbeitszeitmodelle, Karrieremöglichkeiten und individuelle Lösungen für alle Mitarbeiter:innen anzubieten, werden alle profitieren – damit der Weg frei ist für eine zukunftsgerichtete, innovative Wirtschaft.

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Das Licht unter dem Scheffel. Von Selbstzweifeln und Hochstaplergefühlen.

 

FRAUEN STELLEN HÄUFIG IHR LICHT UNTER DEN SCHEFFEL. DAS MUSS AUFHÖREN.

Es geht um einen neuen, internationalen Kunden, der für das Unternehmen langfristig Bedeutung hat. Sie als Chef oder Chefin versprechen sich viel von einem möglichen Auftrag und gehen im Geiste Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch, da klopft es an der Tür. Die 35-Jährige stürmt geradezu ins Zimmer und sagt: „Lassen Sie mich gleich zum Punkt kommen. Ich habe von dem neuen Projekt gehört. Und: Ich möchte das übernehmen, weil ich aus dem Team schlicht die Beste dafür bin. Ich spreche die Sprache, habe internationale Erfahrung und bereits mit ähnlichen Kunden gearbeitet.“ Innerlich müssen Sie feststellen, dass alles stimmt, was sie sagt. Und dennoch sind Sie irritiert über den Wunsch Ihrer Mitarbeiterin. Warum eigentlich?

Zum einen natürlich, weil es eher selten vorkommt, dass Beschäftigte in die Büros ihrer Chefs stürmen. Aber eine direkte Ansage dazu, dass man einen bestimmten Posten möchte oder einen klaren Blick für die eigenen Fähigkeiten und ihren Nutzen für die Firma hat – das ist doch eigentlich eine erwünschte Eigenschaft von Beschäftigten. Oder nicht?

 

 

Erwünscht ja. Aber gewohnt ist man sie vor allem von männlichen Mitarbeitern. Frauen sind eher nicht dafür bekannt, dass sie sich ohne Selbstzweifel in berufliche Herausforderungen stürzen. Im Gegenteil: Sehr viele Frauen behalten neben ihrer Kompetenz immer auch ihre Grenzen im Blick. Ganz gleich, wie gut sie ausgebildet sind, benennen sie stets auch die Lücken in ihrem Wissen oder die Grenzen ihrer Fähigkeiten. Sie geben nicht selten Unsicherheiten freimütig zu und vergessen niemals, den Anteil des Teams am Gesamterfolg zu würdigen.

Eigentlich gute Eigenschaften. Denn sie bereiten den Boden für engagiertes und gewissenhaftes Arbeiten, das Risiken mit einkalkuliert und am Ende sehr häufig zum Erfolg führt. Wenn es jedoch darum geht, wer im Unternehmen zügig aufsteigt und die interessanten Projekte bekommt, liegen üblicherweise diejenigen vorne, die sich von ihren Fähigkeiten zweifelsfrei überzeugt zeigen. Sie überholen die Selbstzweiflerinnen im Laufschritt, steigen die Karriereleiter schneller hinauf und kommen oftmals auch weiter.

 

Zu viele Selbstzweifel sind schlicht ein Bremsklotz auf dem Weg nach oben. Denn selbst wenn die Vorgesetzten innerlich wissen, dass die eine ihr Licht unter den Scheffel stellt und der andere es etwas übertreibt mit seiner Selbstsicherheit, geben sie am Ende doch der Person das Projekt, die energetisch voll nach vorne geht. Die Selbstzweiflerinnen und Selbstzweifler ziehen den Kürzeren – auch wenn sie objektiv gleich gut oder vielleicht sogar besser für die Aufgabe geeignet sind.

Genau das passiert Frauen Tag für Tag. Die Psychologin Sonja Rohrmann hat das sogenannte „Hochstapler-Selbstkonzept“ untersucht. Die Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt beschreibt damit Menschen, die trotz objektiv bester Leistungen ständig befürchten, als Blenderin bzw. Blender enttarnt zu werden. Es gibt mehr Betroffene, als man denkt: Hochstaplergefühle kennen laut Rohrmanns Studien in der Wirtschaft etwa 50 Prozent der Führungskräfte. Frauen und Männer scheinen in etwa gleich stark betroffen.

Der Effekt ist immer derselbe: Wer sich selbst und seine Fähigkeiten überkritisch sieht, bezahlt einen hohen Preis dafür. Gelingt ein Projekt oder erntet man Lob und Anerkennung für eine Arbeit, wird man dies dem glücklichen Zufall, dem starken Team und der Anspruchslosigkeit des Chefs zuschreiben. Treten Fehler auf, wird man sich selbst in seiner Unzulänglichkeit bestätigt sehen.

Doch auch wenn Männer und Frauen gleichermaßen solche Unsicherheiten kennen, kann man davon ausgehen, dass starke Selbstzweifel Frauen häufiger als Männer vom nächsten Karriereschritt abhalten. Einfach, weil Frauen sich im Gegensatz zu Männern fast immer dafür stark machen müssen, andere von ihren Kompetenzen und festen Aufstiegsabsichten zu überzeugen, um überhaupt in die engere Wahl für begehrte Positionen zu kommen. Eine Herkulesaufgabe, wenn man ständig gegen Selbstzweifel ankämpfen muss. Männern fällt die Karriere natürlich auch nicht in den Schoß, aber sehr viel häufiger wird ihnen Kompetenz und Verantwortung fraglos zugetraut und sie steuern mit einem gewissen Automatismus die Karriereleiter nach oben an, wenn sie eine gewisse Leistung bringen.

Einen Teufelskreis aus Selbstzweifeln und Karrierebremsen beschreiben Interviewpartnerinnen in der qualitativen Studie, wie eine 46-jährige Angestellte mit Aufstiegsambitionen, so:

„Ich merke das immer wieder im Austausch mit wirklich tollen, erfolgreichen Frauen, die in Führung sind, die eigene Unternehmen gegründet haben und in ihren Bereichen wirklich top-notch sind, die alle immer diesen einen Satz sagen: ‚Ich frage mich immer, wann ich auffliege, dass irgendjemand merkt, dass ich das eigentlich nicht kann.‘“

Auch sie selbst kennt diese Tendenz, den eigenen Fähigkeiten nicht zu vertrauen, sie sogar herunterzuspielen und sich bei jeder neuen Herausforderung kritisch zu hinterfragen, ob man den Anforderungen überhaupt gerecht werden kann. Sie merkt selbst, dass diese überkritische Selbstsicht ein überflüssiger Bremsklotz im Beruf ist – zumal sie diesen Satz noch nie von einem Mann gehört hat.

 

Das hilft: Das Hochstapler-Selbstkonzept speist sich aus einem unrealistischen Selbstbild. Betroffene vertrauen ihren Fähigkeiten nicht, sondern hadern immer wieder mit ihren Kompetenzen. Ziel muss deshalb sein, Frauen dabei zu unterstützen, ihr Selbstbild auf realistische Füße zu stellen und eine gesunde Selbstsicherheit in Bezug auf ihr Können zu entwickeln. „Erst dieses realistische Selbstkonzept schafft die Basis dafür, dass man sich über seine Erfolge freut, sie genießt und mit Kraft und gesunder Selbstsicherheit neue Herausforderungen anpackt“, weiß Psychologin Sonja Rohrmann.

Praxistool:
Die Not-to-say-Liste für Frauen

Die folgenden 10 Sätze und Äußerungen sollten Sie im beruflichen Kontext nie wieder verwenden:

  1. Ich bin unsicher, ob ich das wirklich kann …
  2. Ich brauche das Rampenlicht nicht.
  3. Das ist das Verdienst meines Teams.
  4. Da hatte ich echt Glück.
  5. Das habe ich noch nie gemacht.
  6. Entschuldigung!
  7. Ist vielleicht eine blöde Frage …
  8. Dürfte ich bitte kurz dazwischen …
  9. Ich weiß ja nicht, ob …, aber …
  10. Vielleicht.

 

Praxistipps für Führungskräfte und Personalverantwortliche:
Helfen Sie Ihren Beschäftigten raus aus der Selbstzweifelfalle

  • Geben Sie immer wieder klares Feedback zu den Fähigkeiten und Entwicklungen Ihrer Mitarbeiterinnen.
  • Loben Sie dabei so konkret wie möglich (also statt: „Sie sind eine wertvolle Mitarbeiterin“, besser: „Ich schätze an Ihnen, dass Sie auch mit dem schwierigsten Kunden den richtigen Ton finden“ oder: „Ich schätze an Ihnen, dass Sie sehr präzise kalkulieren können“).
  • Beleuchten Sie gemeinsam mit Ihrer Mitarbeiterin, welche Schritte in einem Projekt zum Erfolg führten und welche ihrer Fähigkeiten und Aktionen das Gelingen möglich machten.
  • Intervenieren Sie, wenn Frauen in Ihrem Team ihre Leistung herunterspielen mit Sätzen wie „Ach, das war aber auch eine tolle Teamarbeit/Glück/ein netter Kunde …“.
  • Unterstützen Sie Netzwerke in Ihrem Unternehmen, in denen sich Frauen austauschen und gegenseitig stärken.
  • Unterstützen Sie oder regen Sie Mentorenprogramme in Ihrem Unternehmen an und ermutigen Sie Ihre Mitarbeiterinnen dazu, sich aktiv mit dem Thema Selbstsicherheit zu beschäftigen, zum Beispiel in entsprechenden Trainings.

 

Autorin: Carola Kleinschmidt, Journalistin und Trainerin mit Schwerpunkt Älterwerden im Beruf.


 

Weitere Blogbeiträge zu „Frauen gehen eigene Wege“ finden Sie hier:

Teil 1 „Frauen gehen eigene Wege – nur wer diese kennt, kann weibliche Karrieren fördern“
Teil 2 „Der Frauenweg ist der Weg für Menschen! Karriere und Erfolg müssen neu definiert werden.“
Teil 3 „Arbeit neu denken, anders führen – Frauen bringen mit, was moderne Führung verlangt.“
Teil 4 „Zu nett für den Aufstieg? Vorsicht vor der Likeability- Falle!“



Kommentare

  1. / von Linda Bosse

    Das erlebe ich immer wieder: Dass Frauen, die ein exzellentes Profil haben und beruflich erfolgreich sind, dennoch von zermürbenden Selbstzweifeln geplagt werden… Sicher, Selbstreflexion ist eine wichtige Zukunftskompetenz. Doch hier geht es um Selbstzweifel, die so stark sind, dass Frauen in der Wirkung wie mit „angezogener Handbremse ihren Sportwagen fahren“. Gute erste Schritte: Auf die eigene Sprache achten und die unsicheren Formulierungen nach und nach ersetzen. Denn Sprache ist nicht einfach Sprache: Sprache schafft Bewusstsein- auch das eigene!

    1. / von Anja Schlenk
      zu

      Was Sie schildern ist uns bei der Recherche und in der Forschung auch begegnet. In manchen Fällen geht es dann bei zu starken Selbst- und Identitätszweifeln auch nur mit therapeutischer Unterstützung, das gilt übrigens auch für Männer. Ihr Hinweis zur Sprache ist aber sehr wichtig. Deshalb auch unsere „Not-to-say-Liste“ und die ausdrückliche Ermutigung, sich ehrliche Feedbackgeber zu suchen. Frauen müssen aufgrund der unbewussten Vorurteile verstärkt von ihren Kompetenzen überzeugen und sollten dies auch durch Stimme, Sprache und Körpersprache unterstreichen. Klingt banal und oberflächlich? Ist aber für viele kluge und hoch qualifizierte Frauen eine „Baustelle“, das haben unsere Trainings oft genug gezeigt…

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